IE NOTWENDIGSTE AUSSTELLUNG
ES JAHRZEHNTS
ur Austellung "Monumenta Judaica"
Köln
'n 15. Oktober war diese Ausstellung
i Kölnischen Stadtmuseum eröffnet
orden. um den 15. Februar herum
ltten bereits über 80.000 Besucher die
hier endlosen Raumfluchlen durch-
essen, und es ergab sich die zwingende
otwendigkeit. die Manifestation um
nen weiteren Monat zu verlängern.
n zweibändiges Katalogwerk. be-
zhend aus einem ausführlichen Werks-
erzeichnis und einem Handbuch. in
issen Kapiteln sämtliche nur denkba-
in Aspekte des Problems eingehend
ihandelt sind. konnte mit Vehemenz
erkauft werden, bereits Anfang dieses
hres kam es zu einer revidierten
weitauflage.
.1 den Besuchern der Ausstellung zähl-
n vor allem junge Leute. Mittel- und
ochschüler. die vorwiegend in Grup-
EH (beinahe möchte man sagen:
ilonnenweise) angerückt kamen. um
in sachkundigen, ebenfalls zumeist
hr jungen Führern durch die Säle
eleitet zu werden. Äußerst interessant
ar es. die Gesinnung zu beobachten,
it der die jungen Besucher die Aus-
zllung zur Kenntnis nahmen: sie war
inz auf rein sachliches Interesse ab-
istimmt, man betrachtete die Aus-
:llung als lnformationsquelle. in der
an sich über sämtliche Aspekte der
dischen Diaspora am Rhein etwa in
ner Weise orientieren konnte, wie
es bei einer gut und groß angelegten
Jsstellung über irgendein interessantes
iotisches Volk der Fall ist. Die Aus-
zllung wurde somit weder als .,Pro-
iganda" in irgendeinem Sinne des
'orles (auch dem der Selbstbezichti-
ing) mißverstanden. noch kam sie als
anifestation zu einem Problem an.
is. um ein beliebtes österreichisches
iblizistisches Schlagwort variierend zu
ibrauchen. als „heißes Eisen alle an-
thl".
i hatte man summa summarum das
npfinden. als seien die Probleme. die
.h durch die Existenz der Judenschaft
in einst innerhalb des "einheimischen"
)lkskörpers am Rhein (und auch im
irigen Deutschland) ergeben hatten,
cht mehr von lebendiger Aktualität.
ndern nur noch von historischer Be-
iutung. Und: Was beinahe zwei
hrtausende versäumt worden war.
nämlich sich über das Wesen des
Judentums zu informieren. kann erst
jetzt. nach einer um den Preis von
Millionen von Dahingemetzelten er-
folgten "Endlösung", nachgeholt wer-
den -- jetzt. da sich vor allem die
Jugend einfach nicht mehr betroffen
fühlt . . .
Die Ausstellung, die den Untertitel
,.2000 Jahre Geschichte und Kultur der
Juden am Rhein" trägt. greift be-
deutungsmößig über die an sich sehr
großzügig gezogenen regionalen Gren-
zen weit hinaus und wird zum Modell-
fall der Beziehungen zwischen Juden-
schaft und den .,Gastvölkern" in ganz
Europa. Dabei stellt sich etwa folgendes
heraus: Die jüdischen Gemeinschaften
innerhalb der Städte bildeten stets ein
geschlossenes Ganzes. das sich mit aller
Kraft und Konsequenz gegen jegliche
Form der Assimilierung wehrte und -
wie die Ausstellung an zahllosen Bei-
spielen beweist - lieber das kollektive
Selbstopfer wählte. als daß es in dem
sie umgebenden und sie bedrängenden
Christentum aufgegangen wäre. Daraus
geht hervor. daß die Juden mit aller
Kompromißlosigkeit stets bestrebt wa-
ren, Juden und nichts anderes zu
bleiben. Es wäre absoluter Unsinn.
hinsichtlich der Vergangenheit etwa
von "deutschen" oder Hitatienischen"
oder ,.evangelischen" Juden zu spre-
chen: der Begriff des Judentums schließt
alle weiteren Assoziationen restlos aus.
Das ändert sich erst mit dem 19. Jahr-
hundert, das mit zunehmender recht-
licher und gesellschaftlicher Gleich-
stellung auch einen rasch fortschreiten-
den Abbau der Grenzen bringt. Das
19. Jahrhundert ist es allerdings auch.
das den modernen Antisemitismus pro-
duziert und dem Aufgehen des Juden-
tums einen Riegel verschiebt. Vielleicht
gehört es zu den Treppenwitzen der
Weltgeschichte, daß es dieser ebenso
dumme wie aggressive Antisemitismus
war, dem das Judentum seine Wieder-
geburt in unserer unmittelbaren Gegen-
wart und damit seine Wandlung von
einer zeitlos-uralten Kultgemeinschaft
zu einer modernen Nation zu verdan-
ken hat. Aber mit dieser Hypothese
wird schon ein sehr schwankender
Boden betreten.
Weiters belehrt uns die Ausstellung über
die Tatsache. daß die Beziehungen der
christlichen Völker zum Judentum vom
Ende der Antike bis tief hinein in die
Neuzeit von zwei Momenten bestimmt
war: einmal galt das Judentum als
verfemt. weil man ihm eine alle zeit-
liche Grenzen sprengende kollektive
Verantwortung für den Opfertod Christi
zuschob - ein Problem, an dem sich
selbst beim gegenwärtigen 2. Vaticanum
die Geister schieden -, zum anderen
wollte man es gerade ob seines Vater-
schaftsverhältnisses zum Christentum
und als Symbol des Überwundenseins
durch dieses für alle Zeiten erhalten:
Der Glanz und Triumph der .,Ecclesia"
wird um so heller und unvergänglicher,
je schärfer er sich von der ewigen
Besiegtheit der "Synagoge" abhebt. Im
übrigen sind die Beziehungen zwischen
Judentum und Christentum gerade im
Mittelalter einerseits von streng juridi-
schen Erwägungen bestimmt (Darf ein
Jude christliche Sklaven halten? Wie
sind Zivil- und Strafrechtsangelegen-
heiten zwischen Juden und Nichtjuden
zu regeln? Wie können ..Jüdisches
Recht" und ,.Judenrecht" - das eine
von den Juden. das andere von den
Christen gesetzt-aufeinander abge-
stimmt werden?) wobei bis hoch in
die Salierzeit hinein die Stellung des
Judentums als durchaus gesichert an-
gesehen werden muß. anderseits setzten
mit Beginn der Kreuzzüge jene un-
kontrollierbaren, von den untersten
Volksschichten getragenen. massen-
hysterischen antijüdischen Mordaktio-
nen ein. denen sowohl das Episkopat
als auch die weltliche Herrschermacht
vergeblich einen Riegel vorzuschieben
versuchten. In zunehmendem Maß ist es
das städtische Bürgertum. das immer
wieder zu antijüdischen Aktionen greift
und seine Konfliktsituationen mit der
geistlichen und weltlichen Macht auch
auf dieser Ebene austrügt. Diese Ent-
wicklung findet in der Mitte des14. Jahr-
hunderts, also zur Zeit der weltweiten
Pestwelle. in dergraßen „JudenschlachP
seinen Höhepunkt.
Das ganz auf den sehr unzulünglichen
Schutz der weltlichen Macht ange-
wieserie Judentum gerät nunmehr in
die .,Kammerknechtschaft" und muß
sich sein Fortvegetieren mit immer un-
verschämteren finanziellen Opfern er-
kaufen. Gleichzeitig werden seine Rechte
- nach im hohen Mittelalter war das
Judentum ,.frei" - auf ein Minimum
zusammengestutzt. Die Neuzeit bringt
etwa ab Ende des 16. Jahrhunderts das
Auftreten der für die Barockzeit so
bezeichnenden ,.Hafjuden" als den für
die Finanzierung teurer und wirt-
schaftlich nicht verantwortbarer Kriegs-
und Bauprojekte mit Leib und Leben
haftenden Finanzgenies (..Jud Süß").
Die Masse der Judenschaft (wenn man
von ..Masse" überhaupt reden kann)
siecht rechtlos und hilflos dahin. -
Daß ein sehr großer Teil der Ausstel-
lung dem Wirken des Judentums nach
seiner rechtlichen Gleichstellung. aber
auch den Manifestationen des modernen
Antisemitismus einschließlich der Ver-
nichtungsaktian der Hitlerära gewidmet
ist. versteht sich von selbst. und ebenso
ist es selbstverständlich. daß ein eigener
Abschnitt der Ausstellung den kulturellen
und künstlerischen Leistungen des Ju-
dentums gewidmet ist, Prächtige Hand-
schriften des hohen und späten Mittel-
alters, künstlerisch in hoher Voll-
kommenheit gestaltete Kultgeräte, aber
auch das Wirken der Dichter. Schrift-
steller, Maler, Theaterleute usw. in
neuerer Zeit stellt die kulturelle Potenz
des Judentums unter Beweis. die gleich
stark im Konservieren und Tradieren
wie auch im Weiter- und Vorausdenken
ist. Die Ausstellung klingt historisch mit
dem Wirken des Judentums in Deutsch-
land nach 1945 aus.
Zwei Ausstellungsabschnitte sind für
den Kunsthistoriker von großer Be-
deutung; in den ersten Sälen werden
in umfassender Auswahl Dokumente
alttestamentarischer lkonographie in-
nerhalb der christlichen Kunst ge-
zeigt. der letzte Saal bringt eine große
Folge jüdischen Kultgerätes aus rhei-
nischen Synagogen und jüdischen Haus-
halten. Auf die erstaunlich große Zahl
von Handschriften wurde bereits hin-
gewiesen.
Die große Masse der Exponate wird
selbstverständlich aus urkundlichem Ma-
terial aller Epochen gebildet; es reicht
von friihmittelalterlichen Dokumenten
bis zu bürokratisch formulierten Er-
lässen in den Amtsblüttern der Nazizeit
und erschütternden, um Gnade und
Gerechtigkeit flehenden Zuschriften ver-
folgter Juden an die damaligen Macht-
haber. Die Präsentation ist von vor-
bildlicher Lebendigkeit. ohne der Ge-
fahr des Abgleitens in billige „Gags"
zu erliegen. Und die beiden Ausstel-
lungspublikationen, der Katalog wie
das Handbuch (sie kosten zusammen nur
DM 12,-) gehören einfach in die Hand
all jener, die sich über die Judenfrage
schlechthin umfassend informieren wol-
len.
Ernst Köller
.DTEXTE 1 74
Oskar Kokoschka. Veroniku. Budupesl,
Museum denbildenden Künsle
Modell dß Oslerreich-Puvillons auf der
New Yorker Wellousslellung von Archi-
leki Gusiuv Peichl. Berlonis Sluhlplcislik
erhebl sich links von der Eingangshalle,
die sechs übrigen Skulpiuren siehen
lwischen den Löufen der Freilreppe
Glasmosaik von Johann Fruhmnnn. cius-
gelührl von der Firma D. Swarovski 8iCo.
in Woiiens, Tirol. CIUS farbigen Glas-
schmucksieinen
iuies Dcilou. Kopf eines jungen Mädchens
Mlle. Vuiller, Schwägerin des Künsllers}.
ronzeguß noch einer Terrukollo im
Peiii Pulciis, Pciris. Dieses Werk isi geisiig
ganz "Dixhuilieme",
WICHTIGE AUSSTELLUNGEN
IM AUSLAND
1. April bis 15. Juni: "Die byzanlinische Kunsl
als europäische Kunsl". Amen, Zuppeion.
Unler der Schirrnherrschafl des Europarula.
27. Mai bis Z7. Seplerriber: "XIII. Triennale
d'Arli decoraiive". Milcino. Paluzzn deIVArIe.
22. Mcii bis 30. Seplember: „La femme el
Variisle de Frci Angelico ü Picasso". Bordeaux,
Galerie des Beaux-Aris.
luni bis Seoiember: "Henri de Toulouse-
Lnuirec". Geddchinisuussiellung zum100. Ge-
burlsiug. Albi. Musee Toulouse-Lciulrec.
1, Mni bis Z5. Okiober: ..Cheis-d'Oeuvre des
colleclions suisses", L'ciri europeen de Mcinel
ü Picasso. Lausanne Palais de Beuulieu.
10. Juni bis Z5. Jun .The aniique deciler's
Iuir 8i exhibiiion". Grosvenor House Park
Lcine. London W. 1.
Juni bis Okiober: 3Z. Bierindle. MiI Sonder-
schuu . Heuiige Kunsi in Museen", Venedig.
Gicrdi .
20. Juni bis Z5. Augusi: Apollinaire und die
Schule der Kubisleri (Brcque. Leger. PICGSSO.
MGFCOUSSIS eie}. Slavelol, Belgien.
Juli bis Okioher: Roberi Deluunay. Paris.
Louvre.
HerbsI1964: Georges Rcuuuli. Paris, Leuvre.
Okiober bis November: ..i_e rrionde des
ndils". Pciris, Musee Nolionul d'Art Moderne.
FAHRPLAN DER AUSSTELLUNG ANDRE
VERLON
Die Ausslellung, für die ein Kuinlog mil aus-
führlicher Einleilung von Dr. Guslciv Rene
Hocke erschienen war. wurde zuersl im
Französischen Saal des Kürisllerhauses (9.4.
bis 10. s.) gezeigl. wunderie dn die Neue
Galerie um Landesmuseum Jocinneum nach
Carol weiler (14.14.63 und gelang! dann
an die Neue Galerie der Slcdl Linz, Wolf-
gcing Gurliii-Museum. wo sie vom 18. 6, bis
12. 7. zu sehen sein wird.
Eine eingehende Würdigung erfolgl irn
Sommerheit von „Alle und moderne Kunsi".
AUSSTELLUNGEN IN ENGLAND
London: Upper Grosvenor Golleries zeiglen
vom 5. bis Z6. März Gemälde des in England
ansässig gewordenen Polen Andre Dzier-
zynski (1936). Der Künsiler. ein Nachfolger
der lmpressionislen (vor allem des spülen
Monei) wcir IHIEFESGHIEYWSiSS Kunslhisloriker
und hieli von 1953 bis 1957 Vorlesungen an
der Warschauer Universiläl unler Kozimierz
Micholowski, dem Ausgraber von Pures
(Nubien). Seil 1957 Iebi der Muler-Kunsl-
hislciriker in England und hat seither zahl-
reiche Siudienreisen unlerriomrrien. Er mal!
vorwiegend Landschaften.
London: Mdiieii GI Bourdon House zeigle
vom 2a. April bis 9. M01 (viel liJ kurz) eine
Aussiellurig von Skulpluren des bei uns fcisi
unbekcinnlen fruruösischen Bildhauers Jules
Dulou (123871902), einem ZEII- und Aiiers.
genossen der Impressionisien. Es hundelie sich
um die ersie Kollekiivciussiellung. die diesem
KünsIler je gewidmei wurde. und unsere
Bildprobe zeigt (Abb. 4). duli sich die Mmie
wcihrhall lohnle. Dcilou sieh! zwischen dem
Charme des Dixhuilieme und der Monumen-
Iuliiöi eines Mqillol. lrn Gegeriscilz zu Rodin
sirebr er nuth bildhuuerischer Geschlossen-
heil der Form;seine Kleinplcisiiken errenbdren
ihn CIIS geisligen Verwondlen der Ober-
ilulierier des 16. Jcihrhunderls (Riccio eIc.).
Colchesler: ..Tiie Mincriles" Ieiglen vom
29. Februar bis 21. März eine erlesene Aus-
slellung von Kunslwerken aus Privcilbesilz
und adeligen Lcindsilzen. oernuide von van
Dyck. Joshuu Reynolds, Cornelius idnssens.
John Cunsluble, Johann Zoffony, französische
Möbel. Miniciluren des 16. bis 19. Jahr-
hunderls, seid. und Erndiidrbeiien CIUS
Chelseu. perucinische Silbergeiüße mit dem
wdupen des Konquislcidors Pizarro und
kosibare Paslelloorlröis wechselien ab miI
hisiorischen Eririnerungssiucken. wie 1. s.
dem Spielball oder dem Nadelkissen der
Königin Ellädbßih I. .,The Minoriles isl ein
schönes alles Haus, das vom Viclur ciN-Lciye
privule irusi cils Kullurzenlrum für Ecisi
Anglin geführl wird.
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