Höhepunkt der in allen Teilen untadeligen
Arbeit sind die gravierten Elfenbeinintarsien
des edlen Holzschaftes, darunter insbesondere
die reizvolle Szene des Orpheus mitten unter
den Tieren. Außer in Wien und Graz, in
Chikago und Boston hat sich ein Paumgartner-
Schaft noch im Stift Heiligenkreuz in Nieder-
österreich nachweisen lassen. Die Grazer Aus-
stellung bringt den Meister eindrucksvoll zur
Darstellung.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten Karls von Inner-
österreich in Wien und Graz 1571 haben in
der Prunkwallenerzeugung reichere Spuren
hinterlassen als vielleicht überhaupt je eine
Fiirstenhochzeit tat. Der ältere Bruder, Kaiser
Maximilian 11., trug dazu seine Harnisch-
garnitur mit dem Rosenblattmuster, das Mei-
sterstück des Plattners Franz Großschedel von
Landshut. Sein ältester Sohn, der Thronfolger
Rudolf 11., und Erzherzog Ernst, also die
NeEen des Bräutigams, führten die Harnisch-
garnitur mit dem Flechtbanddekor. Es scheint
ganz so, als wären auch die jüngeren prinz-
lichen Söhne des Kaisers, Matthias und Maxi-
milian 111., vielleicht auch Albrecht V11. und
iXlenzel, damals mit kostbaren und höchst
eleganten Harnischen ausgestattet worden, die
wir im einzelnen in Wien noch zu identifizieren
hoffen.
Der Bräutigam Erzherzog Karl selbst führte
damals unter anderem eine blanke mit ver-
goldeten großen Blattranken verzierte Rüstung
für das sogenannte Plankengestech, eine da-
mals moderne Turnierart. Dieser in Wien
erhaltene Harnisch galt bis vor kurzem tra-
ditionell als Harnisch Erzherzog Ernsts,
seines Nelfen. Heute wissen wir es besser.
Am Helm Findet sich neben dem Datum der
Hochzeit 1571 in Goldätzung eine liegende
Frauengestalt, die auf der ausgestreckten Hand
eine Schale mit einem Herzen hält. So bringt
die Braut Maria von Bayern ihre Liebe dem
Bräutigam Karl von Österreich dar. Der
Harnisch trägt die Meistermarke des Anton
Peffenhauser und die Stadtmarke von Augs-
burg. Die Körpermaße des ßljährigen Fürsten
sind immer noch dieselben schlanken Maße
des Prinzenharnisches von der ungarischen
Krönung 1563, den der gleiche Meister ge-
schlagen hatte.
Erzherzog Karl 11. berief im Jahre 1577 den
Erzgießer Martin Hilger (1538-1601) von
Freiberg in Sachsen nach Graz, wo er außer
der berühmten Glocke im Schloßbergturm,
dat. 1587, hundertsechsundsiebzig Geschütze
goß. Davon haben sich zwei außerordentlich
schöne Rohre erhalten. ln Wien „die Amsel",
von 1579, und in Paris, im Musee de l'Arme'e
in der Galerie de Triomphe, Welche die
kostbarsten Beutegeschütze vereinigt, „die
Lerche", von 1580.
Aus den Resten seiner Kunstkammer geht
genau dasselbe hervor wie aus der monumen-
talen Hinterlassenschaft seiner Rüstkammer:
Karl von Innerösterreich stand in seinem
künstlerischen Geschmack und als wähleri-
scher Kunstmäzen seinen habsburgischen Ver-
wandten in XVien und lnnsbruck, Prag und
Madrid, aber auch den gleichzeitigen glanz-
vollen Herrschern auf dem französischen
Königsthron nicht nach.
16
AUSZÜGE AUS DER REDE VON SEKTIONSCHEF
DR. ALFRED WEIKERT ANLÄSSLICH DER AUSSTEL-
LUNGSERÖFFNUNG IN STIFT HERZOGENBURG AM
5.]UNI 1964
Unseren Großvätern war das mächtige Festungsviereck rund um
Mantua, Verona, Pescara und Legnano in Oberitalien ein fester
Begriff. Es bedeutete eine Verteidigungsstellung, von der aus
das alte Österreich an einer Flanke gedeckt werden konnte und
von wo man gedachte, all das zu beschützen. was damals den
llegritr Österreich ausrnachte . .. Heute nnden wir den über-
wiegenden Teil der Werte. die wir glauben herausstellen zu
dürfen und wovon wir rufmißig zu einem Gutteil leben, in
Werken der Kunst und Kultur. Niederösterreich hat daher ein
anderes Festungsviereck aurgehaut, das unseren Kindern eines
Tages ebenso geläufig sein wird. wie es jenes rir die des vorigen
Jahrhunderts war: von Melk his l-terzngenburg, von Alrenhurg
bis Krems - wahrlich eine prachtige Anlage, die ungeheure
Schätze umschließt. Allerdings nicht zur Verteidigung. vielmehr
uln all das zu zeigen und herauszllstellen. worauf wir stolz sein
können und, das scheint mir sehr wesentlich, auch stolz sein
milssenl Das Gute hat nämlich die bedauerliche Eigenschaft.
daß es unserer uneingeschränkten Mithilfe bedarf, un-l wirken
zu können. In einem Zeitalter der Publicity und der Reklame.
des RElSClIS und der Motorisierung wird es also notwendig sein.
auch allt- diese Dinge vor den Wagen des Guten zu spannen.
um zum Lob und zut Ehre des Schönen und Edlen mitzuhelfen.
ln dem in Niederösterreich errichtetm kulturellen Viereck ist
es aur kluge und zweckmaßige Art gelungen, alle jene Mittel
heranzuziehen, um die reichen Schätze um und allen. die uns
aus dem Ausland besuchen. zu zeigen und darzubieten . .
Freilich kostete das viel Geld. Manch einer wird es vie 'lcht
nicht für richtig halten, daB Fur die Kultur immer wieder Geld
ausgegeben wird, und wird es sogar als Verschwendung be-
zeichnen. Aber lassen Sie sich nicht beirren! Erinnern Sie sich
dcs römischen Begritrs des "panern er cireenses". und setzen sie
dafür "Freizeitgestaltung", dann treITen Sie haarscharf dorthin.
von wo uns heute eine große Gefahr droht. Bedenken Sie. daß
ein einziger Fußballsonntag mehr zahlende Besucher Endet als
eine der zitierten Ausstellungen in einem Monat. Lassen Sie sich
auch nicht von den immer wieder auftauchenden Anfeindungen
gegen das Große, das Überragende beirren... Die sogenannte
gesunde vollrsgesinnung ist weder gesund noch kann man von
einer Gesinnung sprechen. Die großdl und überragmden Dinge
werden stets von der Menge mit scheelen Augen angesehen.
Die Mehrheit will. daB nichts über sie hinausragt. Gäbe es aber
keine überragenden Menschen und keine außergewöhnlichen
Leistungen, wozu auch bedeutende Aussreuungen zu zählen sind.
so gsbe es keines der juwele, die Niederösterreich besitzt, kein
Heiligenkreuz-Gutenbrunn, kein Krems, kein Altenburg. kein
Schlnß Petronell, weil dafür kein Geld vorhanden war; dann
wäre zwar alles einheitlich und gleich. aber es wäre die dumpfe.
die stemenlose Gleichheit der Nivellierung nach unten . . x
vergessen wir doch nicht. daß der Mensch nur dann zu etwas
auf blicken kann, wenn es über ihm steht. Bei allen Lebensfragen
verhalt es sich so, bis hin zu den letzten, religiösen, weil eben
der Himmel ilber allem darüber steht... Audi l-lerzogenburg
gehört zu diesen Leuchtfeuern. von dulen wir möglichst viele
in Österreich, und in unserem besonderen Fall in Niederöster-
reich, anzünden wollen. markante Punkte, nach denen wir
unser Leben orientieren können, da uns nicht viel mehr geblieben
ist als das Vermächtnis unserer christlichen Kultur, die zu pllegen
und zu vermitteln gerade ein Kloster in besonderem Maße berufen
war und ist . . .
Nehmen Sie den Gedanken von hier mit, daß die Kunst. die
Sie hier sehen, wahrscheinlich auch zu ihrer Zeit bekämpft
wurde; denken Sie daran, daß der Prälat von Mclk. als er den
Umbau des Stiftes anordnete, als er sich hinter den großen
Künstler stellte. schwer gegen seine Mitbrüder zu kämpfen hatte.
und daß es auf des Messers Schneide stand, ob er seine Pläne zu
verwirklichen ven-nochle, oder ob er abgesetzt wurde, damit
man in der alten Form weiterleben könne. Denken Sie daran,
daß es bei künstlerischen Entscheidungen immer nur die wenigen
sind, die zustimmen. Gewiß, die Verantwortung ist groß. Lernen
wir aus der Geschichte, daß große künstlerische Schöpfungen
vielfach gegen den Zeitgeist ausgeführt wurden, angespornt und
ermöglicht vom Aultraggeber, gleichgültig wie immer er
geheißen und wer immer er gewesen ist. Spätere Epochen freuen
sich dann an diesen Werken und feiern sie mit großen Lob-
teden . . . Aber wenn wir von einem so bedeutenden Ereignis.
wie es eine Ausstellung ist. wieder nach Hause gehen und mit
einem heutigen Problem konfrontiert werden, verlieren wir
nur zu oft den Mut zu ähnlicher Entslchlußkraft, wie sie von
unseren Vorvätern aufgebracht wurde . . . Gehen wir nicht
bequem und selbstgerallig von dieser heutigen Feier rort. sondern
gedenken wir immer wieder der großen Verantwortung. die
jene getragen haben. deren Werke wir bewundern. Heute
scheint es uns, als wäre es ein Leichtes gewesen _ .. lm Augen-
blirlt aber, ob damals oder heute, ist es schwer, wenn es um eine
Entscheidung geht. Dann durten wir uns nicht der allgemeinen
Meinung beugen, die immer „panem et circenses" rufen
wird . . .
Gott sei Dank hat man damals mehr so prächtige Bauwerke aur-
geführt als Tumiel-plärze 7 man konnte sinngemäß heute dafur
Fußballplarze setzen... wir tinden auch nirgendwo in den
Annalen, daß man die Pferdewärter der Tumierspiele mehr
geachtet hitti: als einen Walther von der vngelweide . .. ich
weiß aber nicht. was unsere Nachfahren davon halten werden.
dall heute ein Fußballtrainer mehr bekommt als so manrher
Thr-aterdirekror, geschweige denn ein Dirhter. Neue Impulse
erhält die Kunst und die Kultur stets bloß von einigen wenigen.
die den Mut haben, bahnbrechende Leistungen anzuordnen.
Seien wir ihnen dankbar dafür und erweisen wir uns ihrer würdig.