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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 75)

Höhepunkt der in allen Teilen untadeligen 
Arbeit sind die gravierten Elfenbeinintarsien 
des edlen Holzschaftes, darunter insbesondere 
die reizvolle Szene des Orpheus mitten unter 
den Tieren. Außer in Wien und Graz, in 
Chikago und Boston hat sich ein Paumgartner- 
Schaft noch im Stift Heiligenkreuz in Nieder- 
österreich nachweisen lassen. Die Grazer Aus- 
stellung bringt den Meister eindrucksvoll zur 
Darstellung. 
Die Hochzeitsfeierlichkeiten Karls von Inner- 
österreich in Wien und Graz 1571 haben in 
der Prunkwallenerzeugung reichere Spuren 
hinterlassen als vielleicht überhaupt je eine 
Fiirstenhochzeit tat. Der ältere Bruder, Kaiser 
Maximilian 11., trug dazu seine Harnisch- 
garnitur mit dem Rosenblattmuster, das Mei- 
sterstück des Plattners Franz Großschedel von 
Landshut. Sein ältester Sohn, der Thronfolger 
Rudolf 11., und Erzherzog Ernst, also die 
NeEen des Bräutigams, führten die Harnisch- 
garnitur mit dem Flechtbanddekor. Es scheint 
ganz so, als wären auch die jüngeren prinz- 
lichen Söhne des Kaisers, Matthias und Maxi- 
milian 111., vielleicht auch Albrecht V11. und 
iXlenzel, damals mit kostbaren und höchst 
eleganten Harnischen ausgestattet worden, die 
wir im einzelnen in Wien noch zu identifizieren 
hoffen. 
Der Bräutigam Erzherzog Karl selbst führte 
damals unter anderem eine blanke mit ver- 
goldeten großen Blattranken verzierte Rüstung 
für das sogenannte Plankengestech, eine da- 
mals moderne Turnierart. Dieser in Wien 
erhaltene Harnisch galt bis vor kurzem tra- 
ditionell als Harnisch Erzherzog Ernsts, 
seines Nelfen. Heute wissen wir es besser. 
Am Helm Findet sich neben dem Datum der 
Hochzeit 1571 in Goldätzung eine liegende 
Frauengestalt, die auf der ausgestreckten Hand 
eine Schale mit einem Herzen hält. So bringt 
die Braut Maria von Bayern ihre Liebe dem 
Bräutigam Karl von Österreich dar. Der 
Harnisch trägt die Meistermarke des Anton 
Peffenhauser und die Stadtmarke von Augs- 
burg. Die Körpermaße des ßljährigen Fürsten 
sind immer noch dieselben schlanken Maße 
des Prinzenharnisches von der ungarischen 
Krönung 1563, den der gleiche Meister ge- 
schlagen hatte. 
Erzherzog Karl 11. berief im Jahre 1577 den 
Erzgießer Martin Hilger (1538-1601) von 
Freiberg in Sachsen nach Graz, wo er außer 
der berühmten Glocke im Schloßbergturm, 
dat. 1587, hundertsechsundsiebzig Geschütze 
goß. Davon haben sich zwei außerordentlich 
schöne Rohre erhalten. ln Wien „die Amsel", 
von 1579, und in Paris, im Musee de l'Arme'e 
in der Galerie de Triomphe, Welche die 
kostbarsten Beutegeschütze vereinigt, „die 
Lerche", von 1580. 
Aus den Resten seiner Kunstkammer geht 
genau dasselbe hervor wie aus der monumen- 
talen Hinterlassenschaft seiner Rüstkammer: 
Karl von Innerösterreich stand in seinem 
künstlerischen Geschmack und als wähleri- 
scher Kunstmäzen seinen habsburgischen Ver- 
wandten in XVien und lnnsbruck, Prag und 
Madrid, aber auch den gleichzeitigen glanz- 
vollen Herrschern auf dem französischen 
Königsthron nicht nach. 
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AUSZÜGE AUS DER REDE VON SEKTIONSCHEF 
DR. ALFRED WEIKERT ANLÄSSLICH DER AUSSTEL- 
LUNGSERÖFFNUNG IN STIFT HERZOGENBURG AM 
5.]UNI 1964 
Unseren Großvätern war das mächtige Festungsviereck rund um 
Mantua, Verona, Pescara und Legnano in Oberitalien ein fester 
Begriff. Es bedeutete eine Verteidigungsstellung, von der aus 
das alte Österreich an einer Flanke gedeckt werden konnte und 
von wo man gedachte, all das zu beschützen. was damals den 
llegritr Österreich ausrnachte . .. Heute nnden wir den über- 
wiegenden Teil der Werte. die wir glauben herausstellen zu 
dürfen und wovon wir rufmißig zu einem Gutteil leben, in 
Werken der Kunst und Kultur. Niederösterreich hat daher ein 
anderes Festungsviereck aurgehaut, das unseren Kindern eines 
Tages ebenso geläufig sein wird. wie es jenes rir die des vorigen 
Jahrhunderts war: von Melk his l-terzngenburg, von Alrenhurg 
bis Krems - wahrlich eine prachtige Anlage, die ungeheure 
Schätze umschließt. Allerdings nicht zur Verteidigung. vielmehr 
uln all das zu zeigen und herauszllstellen. worauf wir stolz sein 
können und, das scheint mir sehr wesentlich, auch stolz sein 
milssenl Das Gute hat nämlich die bedauerliche Eigenschaft. 
daß es unserer uneingeschränkten Mithilfe bedarf, un-l wirken 
zu können. In einem Zeitalter der Publicity und der Reklame. 
des RElSClIS und der Motorisierung wird es also notwendig sein. 
auch allt- diese Dinge vor den Wagen des Guten zu spannen. 
um zum Lob und zut Ehre des Schönen und Edlen mitzuhelfen. 
ln dem in Niederösterreich errichtetm kulturellen Viereck ist 
es aur kluge und zweckmaßige Art gelungen, alle jene Mittel 
heranzuziehen, um die reichen Schätze um und allen. die uns 
aus dem Ausland besuchen. zu zeigen und darzubieten . . 
Freilich kostete das viel Geld. Manch einer wird es vie 'lcht 
nicht für richtig halten, daB Fur die Kultur immer wieder Geld 
ausgegeben wird, und wird es sogar als Verschwendung be- 
zeichnen. Aber lassen Sie sich nicht beirren! Erinnern Sie sich 
dcs römischen Begritrs des "panern er cireenses". und setzen sie 
dafür "Freizeitgestaltung", dann treITen Sie haarscharf dorthin. 
von wo uns heute eine große Gefahr droht. Bedenken Sie. daß 
ein einziger Fußballsonntag mehr zahlende Besucher Endet als 
eine der zitierten Ausstellungen in einem Monat. Lassen Sie sich 
auch nicht von den immer wieder auftauchenden Anfeindungen 
gegen das Große, das Überragende beirren... Die sogenannte 
gesunde vollrsgesinnung ist weder gesund noch kann man von 
einer Gesinnung sprechen. Die großdl und überragmden Dinge 
werden stets von der Menge mit scheelen Augen angesehen. 
Die Mehrheit will. daB nichts über sie hinausragt. Gäbe es aber 
keine überragenden Menschen und keine außergewöhnlichen 
Leistungen, wozu auch bedeutende Aussreuungen zu zählen sind. 
so gsbe es keines der juwele, die Niederösterreich besitzt, kein 
Heiligenkreuz-Gutenbrunn, kein Krems, kein Altenburg. kein 
Schlnß Petronell, weil dafür kein Geld vorhanden war; dann 
wäre zwar alles einheitlich und gleich. aber es wäre die dumpfe. 
die stemenlose Gleichheit der Nivellierung nach unten . . x 
vergessen wir doch nicht. daß der Mensch nur dann zu etwas 
auf blicken kann, wenn es über ihm steht. Bei allen Lebensfragen 
verhalt es sich so, bis hin zu den letzten, religiösen, weil eben 
der Himmel ilber allem darüber steht... Audi l-lerzogenburg 
gehört zu diesen Leuchtfeuern. von dulen wir möglichst viele 
in Österreich, und in unserem besonderen Fall in Niederöster- 
reich, anzünden wollen. markante Punkte, nach denen wir 
unser Leben orientieren können, da uns nicht viel mehr geblieben 
ist als das Vermächtnis unserer christlichen Kultur, die zu pllegen 
und zu vermitteln gerade ein Kloster in besonderem Maße berufen 
war und ist . . . 
Nehmen Sie den Gedanken von hier mit, daß die Kunst. die 
Sie hier sehen, wahrscheinlich auch zu ihrer Zeit bekämpft 
wurde; denken Sie daran, daß der Prälat von Mclk. als er den 
Umbau des Stiftes anordnete, als er sich hinter den großen 
Künstler stellte. schwer gegen seine Mitbrüder zu kämpfen hatte. 
und daß es auf des Messers Schneide stand, ob er seine Pläne zu 
verwirklichen ven-nochle, oder ob er abgesetzt wurde, damit 
man in der alten Form weiterleben könne. Denken Sie daran, 
daß es bei künstlerischen Entscheidungen immer nur die wenigen 
sind, die zustimmen. Gewiß, die Verantwortung ist groß. Lernen 
wir aus der Geschichte, daß große künstlerische Schöpfungen 
vielfach gegen den Zeitgeist ausgeführt wurden, angespornt und 
ermöglicht vom Aultraggeber, gleichgültig wie immer er 
geheißen und wer immer er gewesen ist. Spätere Epochen freuen 
sich dann an diesen Werken und feiern sie mit großen Lob- 
teden . . . Aber wenn wir von einem so bedeutenden Ereignis. 
wie es eine Ausstellung ist. wieder nach Hause gehen und mit 
einem heutigen Problem konfrontiert werden, verlieren wir 
nur zu oft den Mut zu ähnlicher Entslchlußkraft, wie sie von 
unseren Vorvätern aufgebracht wurde . . . Gehen wir nicht 
bequem und selbstgerallig von dieser heutigen Feier rort. sondern 
gedenken wir immer wieder der großen Verantwortung. die 
jene getragen haben. deren Werke wir bewundern. Heute 
scheint es uns, als wäre es ein Leichtes gewesen _ .. lm Augen- 
blirlt aber, ob damals oder heute, ist es schwer, wenn es um eine 
Entscheidung geht. Dann durten wir uns nicht der allgemeinen 
Meinung beugen, die immer „panem et circenses" rufen 
wird . . . 
Gott sei Dank hat man damals mehr so prächtige Bauwerke aur- 
geführt als Tumiel-plärze 7 man konnte sinngemäß heute dafur 
Fußballplarze setzen... wir tinden auch nirgendwo in den 
Annalen, daß man die Pferdewärter der Tumierspiele mehr 
geachtet hitti: als einen Walther von der vngelweide . .. ich 
weiß aber nicht. was unsere Nachfahren davon halten werden. 
dall heute ein Fußballtrainer mehr bekommt als so manrher 
Thr-aterdirekror, geschweige denn ein Dirhter. Neue Impulse 
erhält die Kunst und die Kultur stets bloß von einigen wenigen. 
die den Mut haben, bahnbrechende Leistungen anzuordnen. 
Seien wir ihnen dankbar dafür und erweisen wir uns ihrer würdig. 

	        
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