Adolf Loos ist der größte Architekt,
den Österreich in neuerer Zeit. wenn
nicht überhaupt. hervorgebracht hat.
Wie so vielen Neuerern genialen For-
mates war auch ihm in unserem Land
ein "österreichisches Schicksal" be-
schieden, das dazu führte, daß nur
wenige seiner Ideen und Pläne ver-
wirklicht werden konnten und daß
dieses wenige - soweit es sich auf
österreichischem Boden befindet -
heute entweder schwer entstellt und
verändert. wenn nicht gar schon längst
vom Lauf der Zeiten weggerissen
wurde. Es kann kein Zufall sein,
daß zwei seiner Hauptwerke. die
Häuser Tristan Tzara (Paris) und
Müller (Prag), noch intakt und un-
berührt aufnichtästerreichischem Boden
stehen!
Laos (Brünn 1870-1933 Wien) hatte
den unsagbaren Vorteil, in Amerika
die technischen und organisatorischen
Prinzipien des Bauens mit neuen
Materialien und für neue Aufgaben im
Schatten Sullivans von der Pike auf
zu erlernen. lhm allein gebührt das
Verdienst, die Unvereinbarkeit einer
Architektur in Beton. Stahl und Glas
mit dem Bauornament herkömmlichen
Sinnes erkannt zu haben. er war es,
der aus dieser Erkenntnis die Kon-
sequenzen zog und 1908 den berühmten
Aufsatz ..Ornament und Verbrechen"
verfaßte. In seinem Kampf gegen das
Ornament ging es ihm aber um mehr.
um eine Prinzipienfrage. Er schreibt:
nevolution der kultur ist gleichbedeu-
tend mit dem entfernen des ornamentes
aus dem gebrauchsgegenstande . . . da
das ornament nicht mehr organisch
mit unserer kultur zusammenhängt, ist
es auch nicht mehr der ausdruck
unserer kultur der moderne orna-
mentiker ist . .. ein nachzügler oder
eine pathologische erscheinung . . . wer
zur neunten symphonie geht und sich
dann hinsetzt. um ein tapetenmuster
zu zeichnen, ist entweder ein hoch-
stapler. oder ein degenerierter . .
Loos ist aber auch der Meister der rein
kubischen Architektur. Würfel und
Zylinder sind die Hauptelemente seines
Bauens, das in seiner Art die Erkenntnis
Cezannes realisiert: ..Die Natur nach
Grundformen von Zylinder, Kugel und
Kegel behandeln..." Loos gewinnt
für sein Bauen eine neue. echte Monu-
mentalität. die der Portiken, Ehren-
höfe. Pylonen und Staffelungen nicht
mehr bedarf (gelegentlich kommen
solche Elemente barocker Tradition in
seinen Entwürfen noch vor, z. B. beim
Projekt Kriegsministerium oder Kaiser-
Franz-Joseph-Denkmal, bezeichnender-
weise an Bauten der ..imperialen"
Sphäre). Die .,Kubisierung" der Archi-
tektur macht nicht nur die Dachschräge
überflüssig. sie ermöglicht auch die
Auflösung der Obergeschosse zu stufen-
pyramidenartigen Terrassen. Damit ist
eine Entwicklung eingeleitet. deren
praktische Bedeutung erst in unserer
allerunmittelbarsten Gegenwart m zu-
mindest in Österreich 7 erkannt
wurde!
Als lnnenraumgestalter liebt Laos, der
Hasser des Ornaments. die reine
Schönheit der Materialien. Die Kärnt-
nerbar (1907) und das Haus Müller
(Prag. 1930) legen heute noch Zeugnis
50
davon ab, hinsichtlich der konform
laufenden Gestaltung der Geschäfts-
portale sind die Fassade des .,Loos-
Hauses" (Michaelerplatz) und des Ge-
schäftes Knize (Graben) die vielleicht
letzten Zeugnisse für dieses sein Be-
mühen in Wien.
Loos war auch ein erbitterter Feind
dessen. was man heute als „Emmentaler-
architektur" bezeichnet. Nicht der
phantasielos hingestellte perforierte
Würfel ist das Endziel seiner Bemühun-
gen. sondern das von innen her durch-
gestaltete, in seiner Raumfolge sinn-
voll und funktionalistisch abgestimmte
Haus, das in der Verschiedenheit seiner
Geschoßhöhen, der Differenzierung der
Fenstermaße und der Asymmetrie der
Gesamtkonzeption in vielen Fällen
mittelalterliches bürgerlich-funktionali-
stisches Bauen fortführt. In diesem
Sinne ist nicht die Großwohnanlage,
sondern die Villa das ideale Betäti-
gungsfeld des Künstlers -- jene Villa,
die ihmschon aus humanitären Gründen
hinsichtlich der Kultivierung der Einzel-
persönlichkeit als Bauaufgabe so am
Herzen lag.
Loos konnte sich nicht durchsetzen,
weit er kompromißlos war. ln äußerst
scharfen, treffenden und aufrichtigen
Worten formuliert Dr. Werner Hof-
mann, der Direktor des Museums des
Z0. Jahrhunderts. seine Erkenntnisse
über ..die Selbstgefälligkeit des Öster-
reichers...sogar aus Versäumnissen
patriotisches Kapital zu schlagen...".
Nach Hofmann gilt es als „landes-
übliche Überzeugung, daß das Genie
zwar Maßstäbe formulieren. jedoch
nicht verwirklichen darf... Wohin
käme unsere mit Kompromissen ver-
seuchte Wirklichkeit. wenn es tatsäch-
lich gelänge, ihr eine absolute Ordnung
aufzuprägen! Ebenso einstimmig wie
scheinheilig stempelt man das Genie
zum Utopisten . ..der es seiner wirk-
lichkeitsfremden Unbedingtheit zu ver-
danken hat. wenn er sich nicht ver-
wirklichen kann".
Die Ausstellung als solche kann nicht
unbedingt als geglückt bezeichnet wer-
den. Hervorragend ist die von der
"Arbeitsgruppe 4" besorgte Dokumen-
tation. die nicht nur die üblichen
Tableaus mit Photos usw., sondern auch
zahlreiche Zeitungsausschnitte, Briefe.
Buchpublikationen, Porträts (von Ko-
koschka!) u. a. m. umfaßt. Bestechend
die herrlichen. für Lobmeyr geschaffe-
nen Gläser, deren Vollkommenheit
geradezu zeitlos ist. . .
Die Aufstellung im Museum ist eher
lieblos. unoriginell. fad. der Katalog
ist der erste. der in gewisser Hinsicht
als mißlungen bezeichnet werden muß.
Als Werksverzeichnis dient ein bloßes
Einlage-Dappelbtatt, es findet sich zwar
ein solide gearbeitetes Register der
Projekte und Bauten nebst einer wert-
vollen Bibliographie. dafür fehtt aber
jeglicher Hinweis aufdas Biographische.
Da die Ausstellung - 1962 war sie
in Paris bereits gezeigt worden - von
Wien aus in die Bundesrepublik Deutsch-
land. nach Italien und in die CSSR
gehen soll. ergibt sich noch reichliche
Möglichkeit. verschiedene kleinere
Scharten auszuwetzen.
Köller
KARL PLATFNER - MALER ElNER SYNTHESE
Wie sicher und überlegt Karl Plattner
seine Bilder konzipiert. wie genau er
eine Ordnung der einzelnen Teile
vornimmt. ein organisches ineinander
von Fläche und Linie bewirkt. geht
aus seinen Zeichnungen meist noch
deutlicher und überschaubarer hervor
als aus den Malereien. obwohl seine
Fähigkeiten in ihnen natürlicherweise
kulminieren. Eine der jüngsten Ar-
beiten, die ,.Begegnung" (Bleistift und
Tempera). läßt deutlich werden. über
welch ein ausgeprägtes Gefühl für
die Plastik einer Form und ihre
Wirkung im Raum Plattner verfügt,
wie sehr jedes einzelne Bildsegment
auf das andere bezogen wird und
welche Vollendung aus dem kon-
sequenten Zueinanderführen der mit-
einander korrespondierenden Teile
spricht. Trotz dieser alle Mittel so
eindeutig beherrschenden Vorgangswei-
se im Entwurf eines Bildes macht sich
nirgends jene Sterilität breit, die im
Fall einer solch perfektionierten Art
des Schaffens eine latente Gefahr be-
deutet. Dies rührt daher. daß Plattner
sich nicht selbst festnagelt, daß er sich
nicht kopiert. daß ihm das Malen
eines neuen Bildes ein unwiederhol-
bares Erlebnis bedeutet. eine stets
wiederkehrende erneute Auseinander-
setzung mit dem. was ihm nicht zu-
geflogen ist und was er sich immer
wieder von neuem erobert. Er ruht
sich auf dem, was er einmal gefunden
hat, nicht aus, sondern sucht nach
Möglichkeiten der Stabilisierung dessen,
was er als für sich wahr und richtig
erkannt hat.
Dafl seine Art des Aufbauens einer
Figuren- oder Landschaftskomposition
dennoch in keinem Schema erstarrt,
hat nicht nur darin seinen Grund, daß
er sich mit dem Erreichten nicht zu-
frieden geben kann. Plattner greift jene
Mittel. über die ein Künstler verfügt.
der das Erbe der Moderne nicht
ignoriert und zu verwerten weiß,
ohne die Tradition einer jahrhunderte-
langen künstlerischen Entwicklung aus
dem Auge zu verlieren. immer wieder
PERSONALIA
Am 12. Mai-z vollendete akod. Bildhauer
ibsdt Franz Riedl das so. Lebensjahr. Riedl.
ein gebürtiger Wiener. war Schüler von
Bitterlich und Helirner. Der blldnerische
Schmuck vieler Wiener Gerneindebauten.
darunter auch humorvolle Tierplasllken,
stammen von seiner Hand. Auch als Porlrätlst
erwarb sich der Jubilar bedeutende Mertten.
Riedl ist Träger der Bronzemedaille der
Republik Frankreich. des Kunstpreises der
stadt Wien. des Staülsprelses. der Staatspreis-
medailie und mehrerer Auszeichnungen des
Künstlerhauses. dem er seit 1910 angehört.
Am 17. Marz starb der Nester der öster-
reichischen Maler, Prof, Gottlieb Theodor
Kempf-Hartenkampf im 93. Lebensjahr in
Achrairl bei Kitzbühel. Er war Schüler von
Berger, Müller, Eisenmenger und Trenkwcild
und schuf eine große Reihe von Portrats.
Mörchenszenen, religiösen Gemälden und
graphischen Arbeiten. 1903 wurde er mit
dem Kaiserpreis.1905 mit der Silbermedaille
der Weltausstellung von st. Louis. 1929 mit
der Großen goldenen Ehrenmedaille des
auf, um sie auf ihre Möglichke
zu untersuchen. seinen Vorstell
auf adäquate Weise Ausdruck zl
leihen. Aber er macht daraus
Neues, er läßt ein Amalgam o
und neu entstehen. verbindet die
Form mit lösenden. auflockernde
taten. die seinen Arbeiten erst
Atem verleihen, durch den sie in
Kombination von Strenge und
tanem Zugriff leben. Die Spontc
der Aufgliederung und Lack
einer Form wird in den Malt
deutlicher. Hier bedient sich PI
des Mittels einer gezielt improvis
Fleckenmalerei, die sich mit derr
per, dem Gerüst seiner Komposi
eng verbindet und erst dazu führ
seine Bilder einen unverwechsel
Charakter annehmen. Er ist ein
der Synthese, einer der bezvvingei
und interessantesten. die es
gibt.
Zum erstenmal in Wien um
großem Erfolg zeigte die G
Peithner-Lichtenfels im April Ar
Plattners in einer Kollektivausste
Der in Mols (Südtirol) 1919 get:
Künstler hat sich zweimal länger
in Brasilien aufgehalten und an
reichen Biennalen teilgenomme
lebt heute in Mailand. Seit er urr
zum erstenmal ausstellte, hat sic
Werk sehr konsequent und br
entwickelt, stets einer Vereinfa
und Monumentalisierung der
zustrebend. die er aus Auseinc
setzungen mit den Hauptthemen
und Landschaft gewinnt. an dene
sein Gestaltungswille manifestiert.
Bilder werden von einem Mai] ge
das sich aus einer Mischung von wt
Intellekt, ausgeprägt künstlerische
fühl und einem Hang zum Klass
zusammensetzt, dem jede Exklar
und jedes „als ob" widerspr
würde. Die von ihm als Konse
der künstlerischen Entwicklung
Jahrhunderts erstrebte „Neue F
tion" nimmt in seinem Wert
überzeugende Weise Gestalt an.
Kristian 5c
Künsllerhauses und 1931 mit dem Stat
ausgezeichnet. Er gehörte dem kunsli
Seil 1902 an.
Am 20. Mal-z wurde Bourot Arch. D.
Otto Nadel 70 Jahre alt. Er war s
von Krauss. Mayreder. Stmony und
Seit 1910 tm Stadtbauamt tätig. ist t
erbauer des Amaiienbades, des vatt
in Stadiau und vieler städtischer l
freibdder. die als ldee auf ihn zurück
Auch die Reihe der Gemeindebau
grdß. die vdn ihm geplant wurden. Sa
lSl Nadel freischaffend und nach W10
Planer vdn öffentlichen und prtvatbn
wohnanlagen und kleineren Obiektel
Die Gesellschaft bildender Künstler
verlieh ihm den "Goldenen Lorbeer".
Am 24. März konnte Arch. Prof. v
Hubatsch den a0. Geburtstag feiern. I
Schüler von Behrens und ist heute OI
stärksten Kräfte unter Österreichs
künsllern, zumal er slrlrien Planung:
allem den berühmt gewordenen Schult
stets ein wohldurchdachles geistiges r
zugrunde zu legen pflegt. Hubotsch
drelßtgmal pretsqtlkronl. Seil 1955
Mitglied des Kunstlerheluses.