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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 75)

Adolf Loos ist der größte Architekt, 
den Österreich in neuerer Zeit. wenn 
nicht überhaupt. hervorgebracht hat. 
Wie so vielen Neuerern genialen For- 
mates war auch ihm in unserem Land 
ein "österreichisches Schicksal" be- 
schieden, das dazu führte, daß nur 
wenige seiner Ideen und Pläne ver- 
wirklicht werden konnten und daß 
dieses wenige - soweit es sich auf 
österreichischem Boden befindet - 
heute entweder schwer entstellt und 
verändert. wenn nicht gar schon längst 
vom Lauf der Zeiten weggerissen 
wurde. Es kann kein Zufall sein, 
daß zwei seiner Hauptwerke. die 
Häuser Tristan Tzara (Paris) und 
Müller (Prag), noch intakt und un- 
berührt aufnichtästerreichischem Boden 
stehen! 
Laos (Brünn 1870-1933 Wien) hatte 
den unsagbaren Vorteil, in Amerika 
die technischen und organisatorischen 
Prinzipien des Bauens mit neuen 
Materialien und für neue Aufgaben im 
Schatten Sullivans von der Pike auf 
zu erlernen. lhm allein gebührt das 
Verdienst, die Unvereinbarkeit einer 
Architektur in Beton. Stahl und Glas 
mit dem Bauornament herkömmlichen 
Sinnes erkannt zu haben. er war es, 
der aus dieser Erkenntnis die Kon- 
sequenzen zog und 1908 den berühmten 
Aufsatz ..Ornament und Verbrechen" 
verfaßte. In seinem Kampf gegen das 
Ornament ging es ihm aber um mehr. 
um eine Prinzipienfrage. Er schreibt: 
nevolution der kultur ist gleichbedeu- 
tend mit dem entfernen des ornamentes 
aus dem gebrauchsgegenstande . . . da 
das ornament nicht mehr organisch 
mit unserer kultur zusammenhängt, ist 
es auch nicht mehr der ausdruck 
unserer kultur  der moderne orna- 
mentiker ist . .. ein nachzügler oder 
eine pathologische erscheinung . . . wer 
zur neunten symphonie geht und sich 
dann hinsetzt. um ein tapetenmuster 
zu zeichnen, ist entweder ein hoch- 
stapler. oder ein degenerierter . .  
Loos ist aber auch der Meister der rein 
kubischen Architektur. Würfel und 
Zylinder sind die Hauptelemente seines 
Bauens, das in seiner Art die Erkenntnis 
Cezannes realisiert: ..Die Natur nach 
Grundformen von Zylinder, Kugel und 
Kegel behandeln..." Loos gewinnt 
für sein Bauen eine neue. echte Monu- 
mentalität. die der Portiken, Ehren- 
höfe. Pylonen und Staffelungen nicht 
mehr bedarf (gelegentlich kommen 
solche Elemente barocker Tradition in 
seinen Entwürfen noch vor, z. B. beim 
Projekt Kriegsministerium oder Kaiser- 
Franz-Joseph-Denkmal, bezeichnender- 
weise an Bauten der ..imperialen" 
Sphäre). Die .,Kubisierung" der Archi- 
tektur macht nicht nur die Dachschräge 
überflüssig. sie ermöglicht auch die 
Auflösung der Obergeschosse zu stufen- 
pyramidenartigen Terrassen. Damit ist 
eine Entwicklung eingeleitet. deren 
praktische Bedeutung erst in unserer 
allerunmittelbarsten Gegenwart m zu- 
mindest in Österreich 7 erkannt 
wurde! 
Als lnnenraumgestalter liebt Laos, der 
Hasser des Ornaments. die reine 
Schönheit der Materialien. Die Kärnt- 
nerbar (1907) und das Haus Müller 
(Prag. 1930) legen heute noch Zeugnis 
50 
davon ab, hinsichtlich der konform 
laufenden Gestaltung der Geschäfts- 
portale sind die Fassade des .,Loos- 
Hauses" (Michaelerplatz) und des Ge- 
schäftes Knize (Graben) die vielleicht 
letzten Zeugnisse für dieses sein Be- 
mühen in Wien. 
Loos war auch ein erbitterter Feind 
dessen. was man heute als „Emmentaler- 
architektur" bezeichnet. Nicht der 
phantasielos hingestellte perforierte 
Würfel ist das Endziel seiner Bemühun- 
gen. sondern das von innen her durch- 
gestaltete, in seiner Raumfolge sinn- 
voll und funktionalistisch abgestimmte 
Haus, das in der Verschiedenheit seiner 
Geschoßhöhen, der Differenzierung der 
Fenstermaße und der Asymmetrie der 
Gesamtkonzeption in vielen Fällen 
mittelalterliches bürgerlich-funktionali- 
stisches Bauen fortführt. In diesem 
Sinne ist nicht die Großwohnanlage, 
sondern die Villa das ideale Betäti- 
gungsfeld des Künstlers -- jene Villa, 
die ihmschon aus humanitären Gründen 
hinsichtlich der Kultivierung der Einzel- 
persönlichkeit als Bauaufgabe so am 
Herzen lag. 
Loos konnte sich nicht durchsetzen, 
weit er kompromißlos war. ln äußerst 
scharfen, treffenden und aufrichtigen 
Worten formuliert Dr. Werner Hof- 
mann, der Direktor des Museums des 
Z0. Jahrhunderts. seine Erkenntnisse 
über ..die Selbstgefälligkeit des Öster- 
reichers...sogar aus Versäumnissen 
patriotisches Kapital zu schlagen...". 
Nach Hofmann gilt es als „landes- 
übliche Überzeugung, daß das Genie 
zwar Maßstäbe formulieren. jedoch 
nicht verwirklichen darf... Wohin 
käme unsere mit Kompromissen ver- 
seuchte Wirklichkeit. wenn es tatsäch- 
lich gelänge, ihr eine absolute Ordnung 
aufzuprägen! Ebenso einstimmig wie 
scheinheilig stempelt man das Genie 
zum Utopisten . ..der es seiner wirk- 
lichkeitsfremden Unbedingtheit zu ver- 
danken hat. wenn er sich nicht ver- 
wirklichen kann". 
Die Ausstellung als solche kann nicht 
unbedingt als geglückt bezeichnet wer- 
den. Hervorragend ist die von der 
"Arbeitsgruppe 4" besorgte Dokumen- 
tation. die nicht nur die üblichen 
Tableaus mit Photos usw., sondern auch 
zahlreiche Zeitungsausschnitte, Briefe. 
Buchpublikationen, Porträts (von Ko- 
koschka!) u. a. m. umfaßt. Bestechend 
die herrlichen. für Lobmeyr geschaffe- 
nen Gläser, deren Vollkommenheit 
geradezu zeitlos ist. . . 
Die Aufstellung im Museum ist eher 
lieblos. unoriginell. fad. der Katalog 
ist der erste. der in gewisser Hinsicht 
als mißlungen bezeichnet werden muß. 
Als Werksverzeichnis dient ein bloßes 
Einlage-Dappelbtatt, es findet sich zwar 
ein solide gearbeitetes Register der 
Projekte und Bauten nebst einer wert- 
vollen Bibliographie. dafür fehtt aber 
jeglicher Hinweis aufdas Biographische. 
Da die Ausstellung - 1962 war sie 
in Paris bereits gezeigt worden - von 
Wien aus in die Bundesrepublik Deutsch- 
land. nach Italien und in die CSSR 
gehen soll. ergibt sich noch reichliche 
Möglichkeit. verschiedene kleinere 
Scharten auszuwetzen. 
Köller 
 
KARL PLATFNER - MALER ElNER SYNTHESE 
Wie sicher und überlegt Karl Plattner 
seine Bilder konzipiert. wie genau er 
eine Ordnung der einzelnen Teile 
vornimmt. ein organisches ineinander 
von Fläche und Linie bewirkt. geht 
aus seinen Zeichnungen meist noch 
deutlicher und überschaubarer hervor 
als aus den Malereien. obwohl seine 
Fähigkeiten in ihnen natürlicherweise 
kulminieren. Eine der jüngsten Ar- 
beiten, die ,.Begegnung" (Bleistift und 
Tempera). läßt deutlich werden. über 
welch ein ausgeprägtes Gefühl für 
die Plastik einer Form und ihre 
Wirkung im Raum Plattner verfügt, 
wie sehr jedes einzelne Bildsegment 
auf das andere bezogen wird und 
welche Vollendung aus dem kon- 
sequenten Zueinanderführen der mit- 
einander korrespondierenden Teile 
spricht. Trotz dieser alle Mittel so 
eindeutig beherrschenden Vorgangswei- 
se im Entwurf eines Bildes macht sich 
nirgends jene Sterilität breit, die im 
Fall einer solch perfektionierten Art 
des Schaffens eine latente Gefahr be- 
deutet. Dies rührt daher. daß Plattner 
sich nicht selbst festnagelt, daß er sich 
nicht kopiert. daß ihm das Malen 
eines neuen Bildes ein unwiederhol- 
bares Erlebnis bedeutet. eine stets 
wiederkehrende erneute Auseinander- 
setzung mit dem. was ihm nicht zu- 
geflogen ist und was er sich immer 
wieder von neuem erobert. Er ruht 
sich auf dem, was er einmal gefunden 
hat, nicht aus, sondern sucht nach 
Möglichkeiten der Stabilisierung dessen, 
was er als für sich wahr und richtig 
erkannt hat. 
Dafl seine Art des Aufbauens einer 
Figuren- oder Landschaftskomposition 
dennoch in keinem Schema erstarrt, 
hat nicht nur darin seinen Grund, daß 
er sich mit dem Erreichten nicht zu- 
frieden geben kann. Plattner greift jene 
Mittel. über die ein Künstler verfügt. 
der das Erbe der Moderne nicht 
ignoriert und zu verwerten weiß, 
ohne die Tradition einer jahrhunderte- 
langen künstlerischen Entwicklung aus 
dem Auge zu verlieren. immer wieder 
PERSONALIA 
Am 12. Mai-z vollendete akod. Bildhauer 
ibsdt Franz Riedl das so. Lebensjahr. Riedl. 
ein gebürtiger Wiener. war Schüler von 
Bitterlich und Helirner. Der blldnerische 
Schmuck vieler Wiener Gerneindebauten. 
darunter auch humorvolle Tierplasllken, 
stammen von seiner Hand. Auch als Porlrätlst 
erwarb sich der Jubilar bedeutende Mertten. 
Riedl ist Träger der Bronzemedaille der 
Republik Frankreich. des Kunstpreises der 
stadt Wien. des Staülsprelses. der Staatspreis- 
medailie und mehrerer Auszeichnungen des 
Künstlerhauses. dem er seit 1910 angehört. 
Am 17. Marz starb der Nester der öster- 
reichischen Maler, Prof, Gottlieb Theodor 
Kempf-Hartenkampf im 93. Lebensjahr in 
Achrairl bei Kitzbühel. Er war Schüler von 
Berger, Müller, Eisenmenger und Trenkwcild 
und schuf eine große Reihe von Portrats. 
Mörchenszenen, religiösen Gemälden und 
graphischen Arbeiten. 1903 wurde er mit 
dem Kaiserpreis.1905 mit der Silbermedaille 
der Weltausstellung von st. Louis. 1929 mit 
der Großen goldenen Ehrenmedaille des 
auf, um sie auf ihre Möglichke 
zu untersuchen. seinen Vorstell 
auf adäquate Weise Ausdruck zl 
leihen. Aber er macht daraus 
Neues, er läßt ein Amalgam o 
und neu entstehen. verbindet die 
Form mit lösenden. auflockernde 
taten. die seinen Arbeiten erst 
Atem verleihen, durch den sie in 
Kombination von Strenge und 
tanem Zugriff leben. Die Spontc 
der Aufgliederung und Lack 
einer Form wird in den Malt 
deutlicher. Hier bedient sich PI 
des Mittels einer gezielt improvis 
Fleckenmalerei, die sich mit derr 
per, dem Gerüst seiner Komposi 
eng verbindet und erst dazu führ 
seine Bilder einen unverwechsel 
Charakter annehmen. Er ist ein 
der Synthese, einer der bezvvingei 
und interessantesten. die es 
gibt. 
Zum erstenmal in Wien um 
großem Erfolg zeigte die G 
Peithner-Lichtenfels im April Ar 
Plattners in einer Kollektivausste 
Der in Mols (Südtirol) 1919 get: 
Künstler hat sich zweimal länger 
in Brasilien aufgehalten und an 
reichen Biennalen teilgenomme 
lebt heute in Mailand. Seit er urr 
zum erstenmal ausstellte, hat sic 
Werk sehr konsequent und br 
entwickelt, stets einer Vereinfa 
und Monumentalisierung der 
zustrebend. die er aus Auseinc 
setzungen mit den Hauptthemen 
und Landschaft gewinnt. an dene 
sein Gestaltungswille manifestiert. 
Bilder werden von einem Mai] ge 
das sich aus einer Mischung von wt 
Intellekt, ausgeprägt künstlerische 
fühl und einem Hang zum Klass 
zusammensetzt, dem jede Exklar 
und jedes „als ob" widerspr 
würde. Die von ihm als Konse 
der künstlerischen Entwicklung 
Jahrhunderts erstrebte „Neue F 
tion" nimmt in seinem Wert 
überzeugende Weise Gestalt an. 
Kristian 5c 
Künsllerhauses und 1931 mit dem Stat 
ausgezeichnet. Er gehörte dem kunsli 
Seil 1902 an. 
Am 20. Mal-z wurde Bourot Arch. D. 
Otto Nadel 70 Jahre alt. Er war s 
von Krauss. Mayreder. Stmony und 
Seit 1910 tm Stadtbauamt tätig. ist t 
erbauer des Amaiienbades, des vatt 
in Stadiau und vieler städtischer l 
freibdder. die als ldee auf ihn zurück 
Auch die Reihe der Gemeindebau 
grdß. die vdn ihm geplant wurden. Sa 
lSl Nadel freischaffend und nach W10 
Planer vdn öffentlichen und prtvatbn 
wohnanlagen und kleineren Obiektel 
Die Gesellschaft bildender Künstler 
verlieh ihm den "Goldenen Lorbeer". 
Am 24. März konnte Arch. Prof. v 
Hubatsch den a0. Geburtstag feiern. I 
Schüler von Behrens und ist heute OI 
stärksten Kräfte unter Österreichs 
künsllern, zumal er slrlrien Planung: 
allem den berühmt gewordenen Schult 
stets ein wohldurchdachles geistiges r 
zugrunde zu legen pflegt. Hubotsch 
drelßtgmal pretsqtlkronl. Seil 1955 
Mitglied des Kunstlerheluses.
	        
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