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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 75)

er diesjährigen Biennale in Venedig. 
Iu viel Zeit ist in der Zwischenzeit 
erstrichen, um noch Spekulationen 
ber Berechtigung oder Nichtberech- 
gung dieses Schrittes, vor allem aber 
ber seine Voraussetzungen und Hinter- 
ründe anstellen zu können. Wir 
iöchten an dieser Stelle vielmehr 
tellung zu den Vorwürfen beziehen. 
ie man dem Künstler und seinem 
Verk gegenüber erhoben hat oder 
irheben könnte. 
'unkt eins: Leherbs Werk ist qualität- 
as. Das Qualitätsproblem ist eines der 
teikelsten in Kunstgeschichte und Kunst- 
.ritik. weil über das, was unter dem 
legrtff "Qualität" zu verstehen ist, 
iei weitem keine Einigkeit besteht. 
Jnter dem Aspekt ,.akademischer Rich- 
igkeit" entspricht wohl kaum ein 
ttlerk zeitgenössischer Kunst einem 
lementsprechend orientierten Qualitäts- 
iegriff. Das Extrem ist die Wertung 
lach der In-sich-Geschlossenheit der 
Mocchia". der Einzelelemente und 
ler Summe der kompositorisch-kolori- 
tischen Erscheinung. Ein derartiger 
Vlaßstab muß im inhalts- und themen- 
"reien Kunstwerk. also in einem Produkt 
tes Tachismus. letzten Endes in der 
'einen Flächendekoration prinzipiell 
das höchste aller Ziele erkennen. Gehen 
Mir von der Tatsache aus, daß ein 
(unstwerk aus zwei Faktoren besteht. 
iämltch aus seinem Thema (das seit 
tem „Art pour I'Art" immer wieder 
tegiert wird) und seiner formalen 
towie koloristischen Bewältigung. muß 
:tie Qualitäts-Gretchenfrage lauten: In 
welchem Ausmaß hatte der Künstler 
eine faßbare und wirklich bedeutungs- 
iafte Themenstellung und wie weit 
gelang es ihm. diese Vorstellung mit 
Jrigemessenen Formmitteln zu reali- 
sieren? Nun steht bei Leherb wohl 
ahne Zweifel fest. daß seinen Bildern, 
Graphiken. Montagen und ..Destrua- 
gen" konkrete und präzise thematische 
Vorstellungen zugrunde liegen und daß 
der Künstler alles daransetzte, diese 
Vorstellungen zu veranschaulichen. 
ohne dabei die ästhetischen Grund- 
regeln zu verletzen. Die Frage, ob 
und inwieweit ihm das gelungen ist, 
stellt natürlich nach wie vor einen 
möglichen Streitpunkt dar, aber hier 
dreht es sich primär um Graduelles. 
lST VERLON "ANGEKOMMEN"! 
seine Ausstellung im Französischen saal des 
Kunstlerhauses (9. April bis 10. Mai) war 
unzweifelhaft ein Publikumserialg. sie wurde 
im Durchschnitt taglich von etwa 200 Men- 
genommen haben und noch teilnehmen 
werden. 
Noch eines in diesem Zusammenhang: 
Wer sagt. daß die Maßstäbe, die Kritiker 
in Österreich an Kunstwerke anzulegen 
pflegen. auch in Venedig vor einem 
absolut internationalen Forum gelten? 
Die Richtigkeit dieser unserer Frage- 
stellung wurde durch eine mehrseitige 
Veröffentlichung bewiesen. die in der 
Juni-Nummer der französischen Zeit- 
schrift „Galerie des Arts" erschien und 
Auszüge aus Zuschriften sowie Stellung- 
nahmen bekannter Persönlichkeiten 
zum .,Leherb-Skandal" enthielt. von 
denen einige zitiert seien; so meinte 
Marcel Brion, Paris, Mitglied der Aca- 
demie Francaise: 
"Ich bewundere die Entfaltung von Leherb: 
Talent. das in 1a marhtvoller Weise die 
Mysterien des Unbekannten beschwört. Ich 
würde ihnen gerne persönlich sagen. mit 
welch großem iiitereua ich die Farieniwick- 
iung in Ihrem sciiatten verfolge. und ver- 
sichere Sie der großen, bewundernden Auf- 
merksamkeit. rnit der ich Ihre Werke be- 
trachte; ich dr ke ihnen meine volle 
Sympathie aus." 
 
Gustav Rene Hocke. Rom. einer der 
Starpublizisten auf dem Gebiete der 
Kunstkritik, stellte fest: 
"Die Begegnung niti Leherb iiai mich in 
lebendigxter Weise in die Nähe von Grenz- 
phänarnenen unserer heutigen Zeit gebracht. 
Für diesen persönlichen Anschauungsunter- 
richt bin ich Leherb sehr dankbar. Mit seinen 
"casse-temps" (Zeitzerstörern) hat er ei e 
faszinierende Probe seines wo auBerord n- 
iieti nggreuiven Talent. hinterlassen . .. 
Und zum Abschluß die Stimme des 
belgischen surrealistischen Dichters 
Marcel Lecomte. Brüssel: 
"Mit Leherb nehmen wir Fühlung mit einer 
privilegierten .erotischen' Dimension, mit 
jener Tiefe und Schwärze. die er durch 
stillxettweigende. kdraerlieha Zerstörungen 
erreicht. Was in unterer varitelliina trianch- 
rnal nur flüchtiges Bild ist -- Leherb erzeugt 
es von neuem durch eine Meditation des 
entkleideten weiblichen Körpers. den Strati- 
rikaiianen aui eigenartige weise wieder be- 
kleiden. Leherb: weibliche Körper . . . sind 
imstande. sich xeltm weiterzuträuinen. lange 
Zeit. ili der priikoimißhen. tiefinnertten 
Nacht . . ." 
Punkt zwei: Leherb ist wegen seines 
exzentrischen persönlichen Auftretens. 
wegen seines "Gelues" abzulehnen, 
sein Betragen ist Charlatanerie und 
widerspricht den guten Sitten. 
lehnte ihn die Wiener Kritik entweder kraß 
ab (Johann Muschik. "Neues Österreich") 
oder stand ihm zumindest mit mehr oder 
minder großen Vorbehalten gegenüber. 
Alles in allem hatte man den Eindruck. als 
sei sie viel starker gegen den Menschen 
einen Arbeitskittel nach Arbeitsschluß 
ausziehen und an den Nagel hängen. 
man muß ihn mit aller Konsequenz 
bis ins Letzte hinein leben. Leherb 
hat dies auch inmitten der schwersten 
Krisensituationen getan - mit aller 
Kompromißlosigkeit, ohne jede Rück- 
sicht auf ..taktische Richtigkeit" seines 
Verhaltens. 
Daß Leherb auch im Tiefenpsvcholo- 
gischen wurzelnde Motive hatte. so zu 
handeln. zu leben und zu malen, wie 
er es tat und tut, konnte von „Alte und 
moderne Kunst" schon im Jahre 1961 
durch Veröffentlichung autobiographi- 
scher Notizen nachgewiesen werden. 
Im übrigen sei ausdrücklich fest- 
gehalten, daß Leherb bei aller Ex- 
zentrizität kein Verbrecher ist oder 
war: er hat weder gestohlen. noch 
vergewaltigt oder sich m wie gerücht- 
weise verbreitet wurde m in Homo- 
sexuellenkreisen bewegt und daraus 
seinen Nutzen gezogen. Alle dies- 
bezüglichen Behauptungen, wie sie 
in mancherlei Zuschriften aufgestellt 
wurden - sind Gemeinheit und nichts 
als Gemeinheit. 
Punkt drei: Leherbs Kunst ist weder 
schön, noch gut. noch edel oder er- 
baulich und daher nicht zur Repräsen- 
tation nach außen hin geeignet. Dieser 
in internen Diskussionen tatsächlich(l) 
aufgetretene Gesichtspunkt ist so simpel, 
daß er kaum entkräftet zu werden 
braucht. Das Oeuvre von Hieronymus 
Bosch und Goya sei sozusagen nur im 
Ansireifen genannt. Hinsichtlich des 
Vorwurfes der "Pornographie" sei an 
die Werke der ..Voyeurkunst" des 
18. Jahrhunderts erinnert, aber - und 
vor allem 7 an die Monumentalisierung 
und Glorifizierung schwerster sexueller 
Verirrungen in Werken der Renaissance 
und des Barocks: Diana und Callisto 
handeln lesbisch. Jupiter betätigt sich 
an Ganymed als Püderast. Loth be- 
treibt Inzest... Tatsächlich obszöne 
Werke von Klimt und Schiele können 
getrost öffentlich schaugestellt werden, 
obwohl sie in ihrer Motivik krasser 
sind als die Arbeiten Leherbs, deren 
erotische Symbolik rein vom Motiv her 
tausendmal mehr umgesetzt vorgetra- 
gen wird als etwa bei Beardsley. 
Köller 
Bewältigung des schwierigen Ausstellungs- 
lokals vorgeworfen werden - es genügt 
eben nicht. die Wände mit Bildern zu tape- 
zieren. Daß es mit der Durchnumerierung 
der Exponate und mit ihrer Beschriftung 
durchaus nicht klappte. nimmt kaum mehr 
nen iri dieser Chronik bedeutet also kein 
indirektes Werturteil. 
s. März! Kunstgewerbe aus Ungarn (Metall- 
und Textilorbeiten). Collegiurn Hungaricum. 
ll. Hollandstraße 4. 
9. Miirr Othmar Zecher. Grdvhik. Galerie 
Fuchs. Millöckergasse 4. 
11. M . Frühchristliche und koptische 
Kunst. l. Äkademie der bildenderr Künste. 
Schillerplatz. Christliche Kunst aus Äthiopien 
und Nubien. I, Völkerkundemuseum. Neue 
Hofburg. 
Die in ihrer Zielsetzung etwas unscharfe 
Ausstellung. die aus zwei erstmals in der 
Villa Hügel, Essen, gezeigten Ausstellungen 
in Wien rieu kombiniert wurde. fand be- 
merkenswert wenig Resonanz, sie schlol} 
Anfang Mai mit etwa 25000 Besuchern ihre 
Pforten. Sowohl in Essen als auch in Zürich 
halte sie einen Besuch von jeweils über 
100000 Menschen zu verzeichnen gehabt. 
Metsterliche Ausstellungsgestaltung durch 
Arch. Prof. Norbert Schleslnger. Grund ds 
Mißerfolges (die Ausstellung soll zwischen 
iy, und 2 Millionen s gekasiei haben): 
mangelnde propagandistische Vorbereitung. 
Fehlen einer elnleuchlenden. zündenden 
Ausstellungsidee. Was der Wiener nicht 
kennt. frißt er nicht. Außerdem ist das stark 
verwahrloste Akademiegebüude alles andere. 
nur nicht einladend. 
Galerie im Griechenbeisel: Louise Autzinger, 
Bildteppiche. Zeichnungen. I, Fleischmarkt 11. 
12. März: Fiala. Exposition phantastischer 
Gemälde. Galerie Synthese, I, Graben 12. 
Micha Hirt: Erscheinungen des Weiblichen. 
Galerie Nagl. I, Gluckgasse 3. 
13. Miirz: "Schöpferische Freiz ' . Kultur- 
Verein der österreichischen Eisenbahner. 
xv. Neubaugürtel 1. 120 Katcilognummern. 
Gemälde. Graphiken. Plastiken. Kunstge- 
werbe. Erstaunlich. wie sich die "modernen" 
Stile auch bei Laienkünstlern durchzusetzen 
beginnen. 
16. März: Franz Kline. Museum des 10. Jahr- 
hunderts. lll, Schweizergarten. Ein Action 
aainter mehr. der als Pionier dieses Genres 
gilt. Leider war nur seine künstlerische 
Endstatiori. nicht aber sein Schafferisweg 
dokumentiert. Schmeller berichtete im 
nKurier" unter dem Titel "Das Atelier als 
Großbaustelle". 
Peter Klitsch. Galerie Peilhner-Lichtenfels. 
I. Seilergasse 16. Das neueste Oeuvre zeigte 
ein fiihlbares Absinken der Qualität - 
schade! 
17. März: Neue Galerie am Landesmuseum 
 
 
Joanneum. Graz: Malerei der wiener 
isiederrneierzeit. Mii Leihgaben der Öster- 
reichischen Galerie. wien. Gigantischer 
Publikumserialg. 
Deutsche Expressionisten aus dem Besitz der 
Stadt Ludwigshafen am Rhein, Neues Rathaus. 
Volkshalle. 217 Exponate. alle bedeutenden 
Meister der Zeit waren vertreten. Die Schau 
wurde nach vierzehnlügiger Dauer ge- 
schlossen und von etwa 10000 Besuchern 
rreaiieniiert. 
1B. März: Josef Buttinger, Graphik-Malerei. 
Internationaler Künstlerclub.Öslerreich-Haus. 
I, losefsplatz s. 
Zana Debowska-Tarasin - leszek Rozga. 
Graphik. Galerie in der Biberstraße 414. 
Künstler aus Paten liegen weit ober dem 
einheimischen Durchschnitt. 
Goldschmiedearbeiten von Elisabeth Defner 
und i-lelrried Kadre. Keramiken VDH Renate 
und Dieter schrage. Österreichisches Museum 
für angewandte Kunst, l. Stubenring S. ln 
den Goldschmiedearbeilen wurde der Geist 
der Wiener Werkstätte beschworen, die 
Töpfereien erinnerten an japanische Tee- 
keramik. 
20. März: Otto A. Hlrth. München. Gemälde. 
Schaur ume der Osterr. Stdatsdruckerei, 
l. Wallzeile. 
Thomas Ender. Aquarelle. Alberiina, I. Augu- 
stinersiratie 1. siehe Sonderbericht. 
Now-Rauz-Feier1343 der iranischen Kolonie. 
Hotel lnterconttnentcil. Man erinnert sich der 
Tatsache. daß Darius d. Gr. das Riesen- 
schloß von Persepolts zur Abhaltung der 
Frühlingsfeier halte erbauen lassen.
	        
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