XUGUSTIN TSCHINKEL
Tobenbeim, Holbein und Hallar
XUGUSTIN TSCHINKEL
Tobenbeim, Holbeizz und Hallar
XNMERKUN GEN
1 m11 31m1: Echte und lmCChlC Paracelsus-Bildnisse. Referat-
blätter, Paracelsus-Museum Stuttgart 19.12. s. 2.
2 Km Bitrel: 1111.- Basler Lcktur des Thcophrast. Nova Acta
Paracclsica, Basel 1945, s. 23.
1 Karl Sudho Th. von Hohenheim ini Jahr: 152a. am
Paracelsica, München 11130. 1932. s. 621.
4 J. Strebel: Glossen zu einem ncugcfundenen Prima: 11011911.
heims und zu den Hollar-Slichcn. Nova Acta Pararelsira,
Basel 1947. s. 122m
S Fraucis c. Springcll: (ionnoisscur 8c Diplomat. Tllß 12m of
Aninaers Embasy I0 Germany in 1636 . .. wilh a (alalügllc
of lllC tupogra hicnl dlawlnßs madt OH lhC joumey by
Wcnccslaux 110111. London 1063.
1 Johannes Urild . Wcnccslaus 11111111. Wien-Leipzig 1936,
7 Engen 00m1: Vaclav 11111111. P1111; 1924. s. 97 beschreibt
Dostäl eine ausnahmsweise Abweichung in der Zeichnung.
Hollar hat an "Fürleger 1 von Dürer in zwei Varianten,
v 1535 und v 1536, kopi l. Wir wissen aber nicht, welche
von beiden nach dem o1 1111. das nicht mehr existiert. und
welche nach einer bcnils geänderten alten Kopie radiert ist;
und somit scheide! dicses "Beispiel aus.
1 cm Aberic: (lfilblllülll, Schädel und Abbildungen des
mennniisiin Paracelsus, smnnig 11x91.
1 Amsterdam 1715 und Mülllllauscn 1736.
ln der „Kunstrundschau" vom Jahre 1941
schrieb G. F. Hartlaub, es sei ein schönes
Geschenk gewesen, welches der Baseler Kunst-
forscher Paul Ganz der Öffentlichkeit gemacht
habe, als er in seiner großen Publikation „Die
Handzeichnungen des Hans Holbein d. J.,
Berlin 1937" die Vermutung aufstellte, daß
die berühmte farbige Studie des jungen
Mannes mit dem Schlapphut keinen Geringeren
als Paracelsus darstellen müsse.
Dieser Meinung sind auch die Autoren zahl-
reicher Arbeiten über den Hohenheimer, und
ihnen schließen sich alle jene an, die das
Bildnis aus welchem Grunde immer repro-
duzieren oder ausstellen. Manche mit Vor-
behalt, andere von keinem Zweifel beun-
ruhigt.
Wenn wir fragen, Was denn Ganz dazu geführt
habe, den Dargestellten mit dem Hoheneimer
der kurzen Zeit zu identifizieren, da er in
Basel seine medizinischen Vorlesungen hielt,
so stehen wir einer völlig verfahrenen lkonu-
graphie vom großen Arzt und Denker gegen-
über. Karl Bittel schrieb 19421 von einem
„Wirrwarr", und Hartlaub im eingangs er-
wähnten Aufsatz: „Eine Förderung hat das
Problem freilich, soviel wir sehen, bei dieser
Gelegenheit (Paracelsus-Feiern 1941) nicht
erfahren; ja, es sind immer wieder dieselben
Unklarheiten unterlaufen, dieselben überlebten
Ansichten wiederholt worden." Was aber
steuert Hartlaub im zur Rede stehenden Fall
bei? Erstens referiert er so, daß man glauben
muß, erst Paul Ganz habe die Baseler Zeich-
nung als Paracelsus-Porträt angesprochen. ln
Wirklichkeit war es bereits 1922 die ldee des
verdienten Altmeisters der Paracelsus-For-
schung Karl Sudhoif; Paul Ganz bezeugt es
in seinem Kritischen Katalog der Hand-
zeichnungen Holbeins, daß Sudhoff der Ent-
decker gewesen sei. Alle von Ganz angeführten
Argumente sind von SudhoiT übernommen,
bis auf ein einziges, das, wie peinlich, eine
ungewollte XViclerlegung der ganzen „Ent-
deckung" ist! Ganz sagt nämlich, die altc
Hypothese, der Dargestellte habe der geistigen
Führerschicht jener Zeit angehört, finde „eine
um so stärkere Bestätigung, als das vornehme
Äußere der Erscheinung mit den Gepflogen-
heiten des Paracelsus übereinstimmt, der auf
seine adelige Herkunft sehr stolz war". Ob
stolz oder nicht, es ist das genaue Gegenteil
von dem, was man über das Äußere des
Hohenheimers und seine „Gepflogenheiten"
weißl
Zweitens stellt Hartlaub a. a. O. seine Zu-
stimmung zum SudhofPschen Einfall prak-
tisch ebenfalls in Frage, wenn et abschließend
zugibt, „seinem Bildnis sieht man, solange man
er rlirllt uarher weiß (hervorgehoben von uns),
kaum den großen volksverbundenen Fah-
renden . . . an . . ."
Kritische Stimmen waren in den Wind ge-
sprochen. So 1942 Karl Bittels lkonographie
in den Referatblättern des Paracelsus-Museums
Stuttgart und was er 19452 über die Baseler
Zeichnung sagte: „XVenn der aufgewiihltc,
streitbare 32jährige Paracelsus, der mit Gott
und dem Teufel gerungen hat, so liebreizend
ausgesehen haben könnte, wäre alle Physio-
gnomik am Ende." Solche Kritik war zwar
richtig, aber eben nur intuitiv gewonnen, und
bis heute fehlten die handgreiflichen Beweise,
die den schmeichelhaften Glauben - ein
Großer von einem Großen porträtiert - zu
erschüttern vermocht hätten.
Um endlich auf Sudhoff zu sprechen zu kom-
men, sei vorausgeschickt, daß er in den
achtziger Jahren mit dem Arzt Carl Abetle,
dem ersten systematischen Sammler von
Paracelsus-Porträts, über ein Porträt korre-
spondiert hatte, das er als Titelbild eines
pseudoparacelsischen Büchleins kannte. Dieses
war im Verlage des Andreas Luppius, Nimegen
Anno 1684, erschienen und trägt den Titel
„Aureoli Theophrasti Paracelsi kleine Hand-
und Denck-Bibel, oder Einführung zu der
geheimden Weißheit und verborgenen Warheit
deß Geistes Gottes und unseres HErrn Jesu
Christi etc. etc." Und in diesem Titelbild eines
Machwerkes, an dem Paracelsus völlig un-
schuldig ist, wollte Sudhoff 1922 plötzlich
den Mann der Baseler Zeichnung wieder-
erkennen!
Wir wollen Sudhoff selbst sprechen lassen:
„Das Gesicht dieses Stiches im Gegensinn
stimmt völlig mit der Zeichnung Holbeins
überein; die Stellung des Kopfes ist genau
die gleiche in ihrem Dreiviertelprofil, der
rechte XVangenkontur durch die Nasenspitze
überschnitten; die Nase selbst, der Mund, das
Kinn mit dem Grübchen, haben die gleichen
F0rmen"3.
Die Kopfhaltung ist überhaupt kein Argu-
ment: es gibt zahllose Bildnisse nach diesem
Schema. Das „Grübchen" ist eine Zufalls-
wrirkung. Die ungekonnte Strichelei hat so-
gar einen Autor dazu verführt, den Anflug
eines Backenbartes herauszulesen! Schweigen
herrscht dagegen über die Augen. Sie sind
auf dem Baseler Bildnis leicht zugekniffen und
unterscheiden sich durch das ganz schmale
Oberlid völlig von denen der drei anderen,
die übereinstimmend dicke Oberlider zeigen.
ln diesem Zusammenhang sei daran erinnert,
daß bei Photos in Zeitschriften es gerade die
Augen sind, die mit einem Balken verdeckt
werden, wenn die aufgenommenen Personen
unkenntlich gemacht werden sollen.
Für den Kunsthistoriker und Kunstfreund
interessant wird es aber, wenn man erfährt,
daß dieses Titelbild Wenzel Hollar gestochen
haben soll. „Die Kleidung und Kopfbedek-
kung ist", so schreibt Sudhotf a. a. O., „wie
des Hollars Art gewesen ist, etwas geändert."
Elwar! im 4. Band seiner Paracelsus-Ausgabe
heißt es Seite XL: „Barett und Kleidung sind
im Geschmack des 17. Jahrhunderts geändert",
und in der „Münchener medizinischen Wochen-
schrift" 1936, Nr. 2, ist von einer „Umbildung
im Zeitgeschmack" die Rede. Dieser „Zeit-
geschmack" hat Eindruck gemacht, und wir
linden ihn bei Ganz, Hartlaub und Strebel4
weitergereicht, den Tatbestand glatt ver-
leugnend, denn der Mann auf dem Titelblatt
hat eine Kleidung des frühen 16. Jahrhunderts
an, keinesfalls eine solche, wie sie vierzig
Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg ge-
tragen wurde.
Muß ein Nichtkenner auf Grund der Be-
hauptungen von Sudhoff und seiner Partei-
gänger nicht zu der Vorstellung gelangen,
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