Arcimboldi", bezeichnets. Geiger hat auf
die auffallende physiognomische Ähnlichkeit
dieser En-face-Zeichnung mit dem Profil-
bildnis von Giuseppes Vater, dem Maler
ßiagia Arrimhalda (London, British Museum),
von Bernarein Luini aufmerksam gemachtQ. Die
außerordentliche Qualität des Werkes, das
von der Prager Nationalgalerie erworben
wurde"), verrät ganz überzeugend, daß es
sich nicht nur um ein „josefii Arcirnboldi
imago" (wie es die Unterschrift angibt)
handelt, sondern auch um ein eigenhändiges
Werk Arcimboldos.
Zu Arcimboldns Hauptverpflichtungen ge-
hörte die Inszenierung von Festzügen. Eine
Serie von 145 Kostümentwiirfen Arcimboldos
in lavierter Federzeichnung aus dem Jahre
1585 hat sich in den Ufiizien zu Florenz er-
halten". Eine ähnliche vereinzelte Masken-
invention zu einer Personifikation des Feuers
stellt eine Federzeichnung in Sepia aus der
Prager Nationalgalerie dar, die aber durch
mindere Qualität auffällt. Die darauf wieder-
gegebene Proi-ili-igur eines Jiinglings in steifer,
trockener, oft stockender Linienführung, ohne
Perspektive, mit nur dekorativ flächenhafter
Aufzählung der Kostümdetails und anatomi-
schen Unsicherheiten bleibt doch weit hinter
den zwar auch etwas mannequinhaften, aber
sehr lebendigen allegorischen Gestalten des
oben erwähnten Sammelbandes aus den
Ufßzien zurückll. Trotzdem entbehrt auch
diese, wohl von einem unbekannten Nachfolger
Arcimboldos ausgeführte Studie nicht eines
gewissen Dokumentarwertes, da es sich dabei
wahrscheinlich um das Fragment eines größeren
Zyklus von Personiiikationen handelt.
Prag, wo sich Arcimboldo am Hofe Rudolphs
längere Zeit aufhielt, ist heute an Werken des
zu seinen Lebzeiten gefeierten, nachher alsbald
in Vergessenheit geratenen und erst unlängst
wieder zu neuer Wertschätzung gekommenen
Meisters ziemlich arm. Seine in der Prager
Burggalerie aufbewahrten Werke sind teils
nach Wien, teils durch den großen Kunstraub
im Jahre 1648 nach Schweden gelangt. Zu
den letzten Verlusten kam es aber erst in
jüngster Zeit, als der Prager Sammler
Dr. A1. Illüller, der zwei höchst interessante
Arcimboldo-Bilder besaß, im letzten Krieg in
einem Konzentrationslager verstarb und sein
Eigentum teils vernichtet, teils verschleppt
wurde. So besteht nur noch geringe Hoffnung,
daß die zwei Gegenstücke aus dem Jahre 1574,
die „Canlina" r eine Brustfigur aus Winzer-
instrumenten - und die „CucinzW i aus
Kiichengeschirr zusammengesetzt -, die sich
in Müllers Sammlung befanden 13, noch
irgendwo auftauchen könnten.
Auch das aus Tierkörpern zusammengesetzte
Profilbild eines Mannes mit einer Eiterbeule
auf der Wange, das sich angeblich in der
Vorkriegszeit im Besitz des Herrn Illileule in
Prag befand und von Arcimboldos Hand
stammen sollte, ist leider nicht mehr nach-
weisbar 14. Es erinnert an Corrmnini: Be-
schreibung des Bildnisses Arcimboldos „d'un
certo dottore, a cui tutto il volto era guasto
dal male franceseuf". Dieses Bild wurde
für verschollen gehaltenli. Sven Alfons aber
betonte, daß Currmrlinir sowie Lwzmgjgu: Be-
schreibungen, die beide o-lfenbar dasselbe
Bild betreffen, verschiedene Unterschiede auf-
weisen und wohl nicht auf eigener An-
schauung der beiden Autoren fußen. Er hat
die Meinung geäußert, daß sie sich auf das
Bild beziehen, das im Schloß Griprhalru in
Schweden aufbewahrt wird und auf der Rück-
seite die Beschriftung „1566 Giuseppe Arcim-
boldo F." trägt. Alfons hat die höchst glaub-
würdige Vermutung ausgesprochen, daß das
Bild, das bisher für ein Spottbild auf Calvin
galt, den Kanzler Johann Ulrirlx Zmim dar-
stellt 16. Vielleicht war das verschollene Prager
Gemälde eine Replik oder Kopie desselben
Gemäldes.
Das unheimliche und befremdliche, im letzten
Jahrzehnt ungemeines lnteresse erweckende
Kunstschaifen Giuseppe Arcimboldos wird
zweifellos zu weiteren Monographien über
das Werk des Künstlers Anlaß geben. Die
vorliegenden Randbcmerkungen wollten da-
her auf einige kleinere Beiträge zum Oeuvre
des Mailänder Malers aufmerksam machen,
die in einer mehr oder weniger direkten
Beziehung zu einem der wichtigsten Aufent-
haltsorte Arcimboldos, nämlich Rudolphs
Residenzstadt Prag, stehen.
ANMER KUNGEN
1 Svcn Alfons, Giusep Aldmboldb. Liv och vexk. En bio-
graüsk och ikonngrz sk siuelie, Malmö 1957, S. 30, 1837184.
Anin. 52.
1 Gregorio Comanini. ll Figinu clvero del flnC dclla pittura,
Manllla 1591, 11:. nach Fmncine-Clairc Legnnd-Felix Sluys.
Arcimboldo et lcs Arcimboldcsqucs, Aaltrx 1955, S. 117.
1 Svcn Alfons, Arrimboldo, S. 134-139.
ß Prag, Nnrndnl rnuzeuin. hislolischc Abieilnng, Inv.-Nr. 40155;
blasse Tinte, Feder, Papier, Originalformat unregelmäßig
abgeschnitten. Rudulpb iniz der römischzn Krone m.
16,5 x 16,5 cm. mit der böhmischen Krone ca. 15.5 x 15.5 C111.
Vgl. Pavel Preiss. Dvl! Arcimbnldovy kresby Rudolfa ll.
(Zwei Zeichnungen Arcimbnldus von Rudolph 11.) Casopis
Närodnlho musca, CXXVI, Prag 1957, S. 1787182.
ß Benno Geiger, I dipinli ghiribizzosi m" Giuscppc Ardmboldi.
pittore illusinnisla del cinquccenro. Florenz 1954. S. 149.
Abb.; Sven Alfons. Arcimboldo. S. 6'). 71, Abb.
ß Zikmund Wiptcr. 0 vkusu z ulneni pii prmkyeli slavnostcch
v 16. vöku (Ulier "cschlnuck und Kunst in dm Prager Festen
des 1a. Jahrhundcrls zum Prahn, xv. Prag 1898, s. 451.
1 Sven Alfons. Ard o. i (.9.
l Bcnno Geiger. l Plllurl ghlribizzosi di Gjuscppc Arcimboldi.
5.13, 149, Abb. ' 12; sven Alfons, Arcimboldo. s. 71,
Abb. s. 70. Nach Clgtl Wi! die zeiennnng im jahrc 1820 im
Eigentum des Wiener Sammlers und Hnfjuwdiers Daniel
Böhm Tizian zugcwchriebcil. sie wurde im 14. XI. 1914 irn
Dnroilieurn (Nr. 2.213. Katalng Nr. 295) iiir 1500 Kr. ver-
steigert. 2m. Kurnmukilxm, Dorothcum, 17.-19., 20.7
23. lV. 1918, S. 24, Nr. 295, Abb. Tafcl 29.
14
v Bcnno Geiger. l pimn-i ghirihizznsi di Giuscppe Ardmboldi.
s. 144. Abb. S. 17.
w Prag. Närodni galcric. lnv.-Nr. K 5338. Feder. blau Iavierr,
Papier, 23.1 x 15.7 ein. Erworben aus der Sammlung Jindiirh
Waldes in Prag. Un ublizicrt. nngemhrr nur vun Perr Spiel-
rrninn elgor Zhot, S ola vid i f vyrnluvnnsrlrresby (Schule
dcs Sehens e Aussage der Zeichnung). Katalog der Ausstellung
der Nationalgalerie Prag, Brüun 1961. Verzeichnis der aus-
gestellten Werke. 1 Nr. 47. bezeichnet als böhmischer
Maler um 1570, Bild s eines Malers; dieselbe Ausstellung,
Libercc (Rvicllcnbcrg) 1952 1, Nr. 13 (dicsclbe Angabe).
H Sven Alfons. Areimbnldn. S. 1- 11a.
11 Prag, Närodni grilcric. K 9405, Federzeichnung, mit Sepia
lavier! auf gclblichcm Papier. 27,3 x 15.3 Cm; unpublizien.
13 Giorgio Nicodcmi, Giuseppc Arrimboldi, Milano. Rlvista
de! Comunc. Milan 1934. S.389e390: vgl. auch Benno
Geiger. I pitturi ghirihizzosi di Giuscppc Arcimboldi, S. 147;
Sven Alfons. Arcimholdn .173. Abb.
11 Bcnno Geiger, I pinuri e ribizzosi di Ginseppe Arcixnbnldi,
5.147, kannu: das Bild nach clgcncr Angabe nur aus einer
schlcchtcn Pholugraphic.
w Frznrinc-Clairc Lcgrand Felix sluys, Arcinxbolrlo er les
Arcimbuldnsqucs. s. 16. rdhrr unrer den "Ocuvrcs Pcrdus"
..le porluil dcson müdvtirl, atlcinz d'un uleere zu viugc. du zu
.mol'bus gallinlr" - nach der frzlzzösischen Ubertraguxlg
Cummaninis ll Figina (I. c.. S. 117). wn "dauere" (obzwar
er weiier als "buon Ltgista" bczcichnct ist) als „mädeCirW
überscm wurde.
15 Sven Alfons, Ardmboldo, S. 55-59.