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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 77)

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Prag, Kunngcxxubumuwum 
  
und die buntfarbige Skala der frühen Barock- 
stilleben überwunden wurden. Die gemalten 
Gegenstände sind auf einer Seite der Tisch- 
oherfläche dynamisch angehäuft, von den 
Speisen bleiben nur noch Reste, und ein 
intensives, von einem Punkt ausgehendes 
Licht zerlegt die Farbigkeit in die Abstufungen 
einer einzigen Farbe. In dieser in der Prager 
Nationalgalerie durch Stilleben von Willem 
Claesz lleda vertretenen Bildergruppe bildet 
die Fayence von Delft den Kern des abge- 
bildeten Kunstgewerbes. Die holländischen 
Kcramikmeister, in Delft konzentriert und 
dort in der Zunft des heiligen Lukas orga- 
nisiert, waren bewußt bestrebt, das kostbare, 
aus China eingeführte Porzellan, dessen Er- 
zeugung damals für Europa noch ein Ge- 
heimnis war, nachzuahmen. Dies ist ihnen 
durch Verfeinerung und Veredelung der 
heimischen Fayence und durch perfekte 
Wiedergabe des orientalisierenden Kobalt- 
dekors auch gelungen. 
Was das Glas betrifft, werden bereits zu dieser 
Zeit die italienischen Importe durch west- 
und mitteleuropäische Erzeugnisse verdrängt. 
Völlig neu ist der Weingläsertyp mit breitem 
Fuß, der sogenannte Römer, der in Holland 
und Deutschland in verschiedenen Größen 
erzeugt wurde. Der italienische Einfluß ist 
aber bei den hohen Pokalen mit den ange- 
schmolzenen farbigen Flügeln erhalten ge- 
blieben. Bereits zu dieser Zeit entwickelte sich 
die völlig neue Technik des Glasschnittes, für 
welche Gaspar Lehmann in Prag im Jahre 1609 
das erste Privilegium erhielt. Sein Schüler und 
Nachfolger Georg Schwandhatdt übertrug 
diese Kunst nach Nürnberg. 
Für die niedrigeren Gesellschaftsgruppen hatte 
Zinn die gleiche Bedeutung wie Edelmetall 
für den Adel, deshalb die Nachahmungen in 
dessen Form und Dekor. Sein Anteil an dem 
Barockstilleben ist darum bedeutend. Mit 
geringerer Genauigkeit sind auf den Bildern 
die tlamaligcn Textilien dargestellt. Die 
gemalten Gegenstände sind für gewöhnlich 
auf hölzernen oder Marmortischplatten aus- 
gebreitet. Sind die Tische gedeckt, dann mit 
dunklem Tuch oder Brokat, mit einem oberen 
weißen Damasttischtuch, vielfach mit einer 
geklöppelten oder genähten Spitze eingesäumt. 
Nur selten wird in das Stilleben das Fragment 
einer Wolldraperie, ein Stück kostbaren 
italienischen Brokats oder, besonders gegen 
Ende des 17. Jahrhunderts, ein Gobelin- 
umhang einkomponierH. Damit stehen wir 
aber bereits in einer Zeit, da die Auftraggeber 
von einem Stilleben nicht mehr Sachlichkeit 
und Realismus forderten, sondern aufwendige 
und dekorative Kompositionen mit ange- 
häuftem Wildbret, Blumen und Obst bevor- 
zugten. Die Studienmöglichkeiten des Kunst- 
gewerbes, wie sie der archaische Typ der Still- 
leben darbietet, sind im Falle der hochbarocken 
und gewissermaßen idealisierten „Pronkstill- 
leven" nicht mehr so einfach. Von dieser 
virtuosen Malerei sind dem lnhalt nach nur 
noch die Stilleben mit Musikinstrumenten und 
mit den Kabinetten der Kuriositäten inter- 
essant5. Auf den Bildern vom Typ „Vanitas" 
mit Totenschädeln und Büchern, von den 
Nachahmern der Leydener Stilleben gemalt,
	        
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