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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 77)

pädischem Charakter enthalten sind, gibt es 
ein Kapitel: „Von denen Brunnen, Auf? 
öffentlichen Plätzen", in dem auch Erläute- 
rungen zu diesen beiden Brunnenentwürfen 
erhalten sind. In der Einleitung dazu äußerte 
er sich theoretisch über die Wasserführung 
bei solchen Zierbrunnen, die „ein unauf- 
hörliches angenehmes Geräusch" erzeugen 
soll, „welches bey der gleichen Einrichtungen 
eines der Hauptabsichten sein solte". „Der 
gleiche Erhndungen", sagte er an einer 
anderen Stelle, „erfordern eine richtige geo- 
metrische ein Theilung, den man muß alles 
dergestalten an seine Stelle bringen können, 
daß alle T heile mit einander, eine angenehme 
Bindung ausmachen, und eines aus dem andern 
in seiner Verrichtung zu Hülfe komen; Alles 
muß in den Architectischen Theilen so künst- 
lich hergestellet sein, als wenn es durch noth- 
wendige Zufall also seinem Charakter an- 
gemessener wäre gestaltet worden, denn in 
dieser Gattung von gebäuden, wie in all 
andern müßen alle gegenstände die werck 
vergrössern, und verschönern, jedoch so, daß 
bey dem erhabeneren nichts überflüssiges an- 
gebracht werde, weill der überfluß allzeit den 
Charakter verdunkelt." Bei der Erwähnung 
des ersten Entwurfes für den Jesuitenbrunnen 
heißt es bei Cuvillies d. „Vier auf Del- 
phinen sitzende Kindlein tragen die bey der 
Marter des Heiligen erschienenen Sterne, und 
das aus den Delphines hervorquellente Wasser 
rollt über den Felsen.. . Den Übereck (P) 
macht ein Postament aus, worauf der Heilige 
mit zween gruppirte Engeln den ganzen Theil 
krönet." Hier unterlief Cuvillies eine kleine 
Verwechslung, denn dieses von ihm be- 
schriebene Motiv findet sich in Wirklichkeit 
auf dem zweiten Entwurf, über den er sich 
wie folgt ausläßt: „Der zweyte Nr. (o) unter- 
scheidet sich von dem ersten in dem, daß 
der ausdruck gefängnisrnäßig und nach der 
Martergeschichte des Heiligen angebracht ist, 
übrigens wird durch ihre Vertigkeit und in 
Beyden Seulen die dorische Ordnung genügsam 
angezeiget." Diese in jener Zeit in Deutsch- 
land ungewöhnliche, schriftlich niedergelegte 
und zur Veröffentlichung bestimmte Erläute- 
rung zu einem erst zu errichtenden Bauwerk 
zeigt in ihrer ambivalenten Haltung deutlich, 
welches ebenso kapitale wie suggestive Bei- 
spiel für die „architecture parlante" man mit 
ihr vor Augen hat - oder, wie sich F. Cuvil- 
lie's d. selbst einmal ausdrückte: sie verrät 
damit offenkundig ihren „physiognomischen 
Charakter". 
Von dem Straub'schen Brunnen (1751) blieben 
bei den (Iuvillieskchen Entwürfen außer der 
Idee des Ehrenmonuments lediglich das Was- 
ser und das Licht als immanente Vorstellungen 
erhalten. Gerade diese beiden Elemente wur- 
den als zu verkörpernde Ideen auch auf die 
Ausführung des vierten (und letzten) Jesuiten- 
brunnens übertragen. Der kurbayerische Hof- 
bildhauer Roman Anton Bons (1733-1810), 
wie J. (iünther ein Schüler J. B. Straubs und 
später (1777) auch sein Schwiegersohn, schlug 
schließlich alle Konkurrenten aus dem Felde. 
Die Münchner Stadtkarnmer entschloß sich 
im Mai 1769, den Brunnenauftrag an ihn zu 
vergeben und das „letzte überreichte Modell 
22 
gnädigst zu approbieren"33. Sie schloß mit 
ihm am 1. Juli 1769 einen Vertrag, wonach 
er die Figur mit einem „Kindl" nach „dem 
beyhanden habenden Model" für 500 fl. bis 
zum Mai 1770 zu liefern habe. Außerdem 
versprach man ihm in diesem Vertrag, daß 
er auf dieser Statue seine Signatur anbringen 
dürfe und daß er nach Fertigstellung der 
„Skulptur als würklicher Stadt-Bilthaucr auf- 
genommen sey: sowohl (zu erg.: von) der 
Bürgerlichen Militär, als auch (zu erg.: von) 
der Mahler-Zunft und Dienst befreyet seye". 
1769 bescheinigte der Bildhauer, 200 H. als 
Abschlag bekommen zu haben. Am 28. 4. 1770 
bekam er dann weitere 100 H. und am 9. 6. 1770 
bescheinigte er schließlich den Empfang der 
restlichen 3001i. „wegen verfertigter und 
würkl. aufgesetzter Statue". Zur Ausarbeitung 
der Brunnenfigur bezog R. A. Boos eigens 
einen der Stadt gehörigen Werkstattraum, der 
unter dem Neuhausertor (dem heutigen Karls- 
tor) für diese Arbeiten errichtet wurde. Seine 
unentgeltliche Benutzung hatte ia auch schon 
lgnaz Günther in seinem bereits zitierten 
Kostenvoranschlag zur Bedingung gemacht. 
Diese „WerkStatt-GiIten" erbat sich R. A. 
Boos gegen Zahlung eines jährlichen Zinses 
auch nach Vollendung dieses Werkes weiter- 
hin benutzen zu dürfen. An der Figur arbeitete 
R. A. Boos nach seiner eigenen Angabe 
10 Monate lang, weil sie „aus so hartem 
Stein" war. Die aus Salzburger Marmor ge- 
fertigte, farbig gefaßte Brunnenplastik besaß 
die Höhe von 2,15 m; sie war also mehr als 
doppelt so groß wie die im Vergleich zu ihr 
klein geratene Holzskulptur  B. Straubs, die 
durch sie ersetzt wurde. Die Plinthe der 
Steinplastik trug die Signatur: „Roman. A. 
Boos 1770". Für 30 Gulden lieferte Thomas 
lgnaz Ingerl den Marmor. Außerdem ver- 
fertigte er drei (weiter nicht genannte) „Bild- 
werke" für diesen Brunnen, wofür ihm die 
Stadtkammer 25 Gulden ausbezahlte. Für die 
Lieferung von fünf Delphinen und für fünf 
Fratzenköpfe erhielt er im Jahre 1770 weitere 
100 Gulden. Für die „Leuchter", d. h. für 
die von innen zu beleuchtenden Stern-Laternen, 
gab die Stadtkammer den ansehnlichen Betrag 
von 116 Gulden und vierzehn Pfennigen 
aus 34. Da die SteinFigur von R. A. Boos, wie 
wir noch später erfahren werden, nicht er- 
halten blieb, soll eine zeitgenössische Be- 
schreibung zitiert werden, die im Jahre ihrer 
Aufstellung (1770) entstand. Wie die bereits 
zitierte Stelle über den Straub-Brunnen dürfte 
auch sie von  K. von Lippert, dem am Ende 
des 18. Jahrhunderts lebenden bayerischen 
Historiographen, stammen. Sie lautet35: „In 
der rechten Hand hält er (zu erg. : der hl. Johann 
Nepomuk) ein von Metall gegoßenes und im 
Feuer vergoldetes Cruzifix, gegen welches er 
das Gesicht wendet. Die linke Hand drückt 
er auf die Brust und macht damit eine sehr 
angenehme Stellung. Auf seiner linken Seite 
ist eine Wolke zu sehen, worauf ein Engel 
kniet und einen aus Kupfer geschlagenen und 
im Feuer vergoldeten Palrnzweig in der linken 
Hand hält." In der völlig als Gewandtigur 
konzipierten einansichtigen Steinskulptur schei- 
nen die ideellen Forderungen des frühen 
Klassizismus bereits wie in einem Muster- 
beispiel erfüllt zu sein. Außer dem ekstat 
Gesichtsausdruck sind zwei Motive b 
noch retrospektiver Art, die sie mit de 
vorausgegangenen Werk von B. Straul 
deutlich in Beziehung bringt. Es ist d 
den ersten Augenblick bei einer Steinsk 
überraschende farbige Fassung und dil 
sible Art der stofflichen Wiedergabe mii 
Oberflächenbehandlung, die nicht wie in 
gemeißelt, sondern wie in Holz gesch 
erscheint. 
Die neue Kunstrichtung des Klassizismt 
sich F. Cuvillies d. ebenso wie R. A. 
verpiiichtet fühlten, wandte sich in den l 
Lebensjahren des zweitgenannten Küi 
gegen einige seiner im späten Rokoki 
geführten Arbeiten. So mußte es der M 
ner Bildhauer noch zu seinen Lebzeiti 
leben, daß der von ihm geschaifene Je: 
brunnen aus angeblich „verkehrspolizei 
Rücksichten"(!) aus dem Herzen der 
verbannt wurde. Es unterliegt keinem 
fel, daß die Aufklärungszeit an diesen 
giösen Ehrenmonument und an der 
seiner allnächtlichen Illuminierung ß 
nahm. Den eigentlichen Anlaß aber bo 
ein vom 1. 3. 1804 datiertes, bisher unbt 
tes Schreiben, das der damalige kurfür 
Polizeidircktor Baumgartner an den 
magistrat von München in dieser Ange 
heit richtete. Es trägt bezeichnende 
folgende Überschrift: „Die Wegräumui 
sogenannten Johannes Brunnen in der 
hausergasse dahier betref." Er führte 
aus, daß er „umso weniger einen V0: 
gewähre, „als derselbe im Winter mit B: 
vo(: e)rschlagen, im Sommer aber mit 
Gitter verschloßen ist, sodaß man bey F 
gefahr gar nicht leicht zur XXXasser-R 
würde gelangen können". In dem gl 
Schriftstück steht weiter, daß der Brunn 
Malteser Gebäude (zu erg.: ein Ziehbrt 
„für das Bedürfniß des Publicums hinlä 
Wasser" gebe. Unter diesen Umst; 
meinte Baumgartner, „dürfte es räthlici 
die Wegschaffung dieses Brunnens un 
nutzung der dahinlaufenden Wasseran 
für die benachbarten Häuser zu veranla 
Er fügte noch hinzu: „Die St: Jo 
Statue darauf ist kein Kunstwerk vor 
züglicher Art." Diesem Antrag wurde ii 
Antwortschreiben vorn 5. 3. und vom 
1804 von seiten der Stadt entsprochen, 
die über 200 Jahre alte Tradition des N 
ner Jesuitenbrunnens plötzlich abbracl 
nifenbar sehr konservativ gesonnener zv 
ner Maurermeister llöchl kaufte den Br 
auf Abbruch für 100 Gulden und ur 
gleichen Preis veräußerte er ihn bald 
an die Bürger der Vorstadt Au. Dort X 
bereits seit 1734 eine in einer höl 
Kapelle aufgestellte SL-Johann-Nep 
iigur, die inzwischen längst erneue 
bedürftig war. An ihre Stelle trat die 
skulptur von Roman Anton Boos. Man 
sie auf einen Sockel aus Sandstein als 
stock-lö unter einen von vier Säulen 
genen aus Holz errichteten Kuppelba 
dem der Münchner Hofbauzeichner J 
Jodl einen Entwurfgcliefert hatte. Damit 
im Jahre 1814 in der Au ein architektm
	        
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