pädischem Charakter enthalten sind, gibt es
ein Kapitel: „Von denen Brunnen, Auf?
öffentlichen Plätzen", in dem auch Erläute-
rungen zu diesen beiden Brunnenentwürfen
erhalten sind. In der Einleitung dazu äußerte
er sich theoretisch über die Wasserführung
bei solchen Zierbrunnen, die „ein unauf-
hörliches angenehmes Geräusch" erzeugen
soll, „welches bey der gleichen Einrichtungen
eines der Hauptabsichten sein solte". „Der
gleiche Erhndungen", sagte er an einer
anderen Stelle, „erfordern eine richtige geo-
metrische ein Theilung, den man muß alles
dergestalten an seine Stelle bringen können,
daß alle T heile mit einander, eine angenehme
Bindung ausmachen, und eines aus dem andern
in seiner Verrichtung zu Hülfe komen; Alles
muß in den Architectischen Theilen so künst-
lich hergestellet sein, als wenn es durch noth-
wendige Zufall also seinem Charakter an-
gemessener wäre gestaltet worden, denn in
dieser Gattung von gebäuden, wie in all
andern müßen alle gegenstände die werck
vergrössern, und verschönern, jedoch so, daß
bey dem erhabeneren nichts überflüssiges an-
gebracht werde, weill der überfluß allzeit den
Charakter verdunkelt." Bei der Erwähnung
des ersten Entwurfes für den Jesuitenbrunnen
heißt es bei Cuvillies d. „Vier auf Del-
phinen sitzende Kindlein tragen die bey der
Marter des Heiligen erschienenen Sterne, und
das aus den Delphines hervorquellente Wasser
rollt über den Felsen.. . Den Übereck (P)
macht ein Postament aus, worauf der Heilige
mit zween gruppirte Engeln den ganzen Theil
krönet." Hier unterlief Cuvillies eine kleine
Verwechslung, denn dieses von ihm be-
schriebene Motiv findet sich in Wirklichkeit
auf dem zweiten Entwurf, über den er sich
wie folgt ausläßt: „Der zweyte Nr. (o) unter-
scheidet sich von dem ersten in dem, daß
der ausdruck gefängnisrnäßig und nach der
Martergeschichte des Heiligen angebracht ist,
übrigens wird durch ihre Vertigkeit und in
Beyden Seulen die dorische Ordnung genügsam
angezeiget." Diese in jener Zeit in Deutsch-
land ungewöhnliche, schriftlich niedergelegte
und zur Veröffentlichung bestimmte Erläute-
rung zu einem erst zu errichtenden Bauwerk
zeigt in ihrer ambivalenten Haltung deutlich,
welches ebenso kapitale wie suggestive Bei-
spiel für die „architecture parlante" man mit
ihr vor Augen hat - oder, wie sich F. Cuvil-
lie's d. selbst einmal ausdrückte: sie verrät
damit offenkundig ihren „physiognomischen
Charakter".
Von dem Straub'schen Brunnen (1751) blieben
bei den (Iuvillieskchen Entwürfen außer der
Idee des Ehrenmonuments lediglich das Was-
ser und das Licht als immanente Vorstellungen
erhalten. Gerade diese beiden Elemente wur-
den als zu verkörpernde Ideen auch auf die
Ausführung des vierten (und letzten) Jesuiten-
brunnens übertragen. Der kurbayerische Hof-
bildhauer Roman Anton Bons (1733-1810),
wie J. (iünther ein Schüler J. B. Straubs und
später (1777) auch sein Schwiegersohn, schlug
schließlich alle Konkurrenten aus dem Felde.
Die Münchner Stadtkarnmer entschloß sich
im Mai 1769, den Brunnenauftrag an ihn zu
vergeben und das „letzte überreichte Modell
22
gnädigst zu approbieren"33. Sie schloß mit
ihm am 1. Juli 1769 einen Vertrag, wonach
er die Figur mit einem „Kindl" nach „dem
beyhanden habenden Model" für 500 fl. bis
zum Mai 1770 zu liefern habe. Außerdem
versprach man ihm in diesem Vertrag, daß
er auf dieser Statue seine Signatur anbringen
dürfe und daß er nach Fertigstellung der
„Skulptur als würklicher Stadt-Bilthaucr auf-
genommen sey: sowohl (zu erg.: von) der
Bürgerlichen Militär, als auch (zu erg.: von)
der Mahler-Zunft und Dienst befreyet seye".
1769 bescheinigte der Bildhauer, 200 H. als
Abschlag bekommen zu haben. Am 28. 4. 1770
bekam er dann weitere 100 H. und am 9. 6. 1770
bescheinigte er schließlich den Empfang der
restlichen 3001i. „wegen verfertigter und
würkl. aufgesetzter Statue". Zur Ausarbeitung
der Brunnenfigur bezog R. A. Boos eigens
einen der Stadt gehörigen Werkstattraum, der
unter dem Neuhausertor (dem heutigen Karls-
tor) für diese Arbeiten errichtet wurde. Seine
unentgeltliche Benutzung hatte ia auch schon
lgnaz Günther in seinem bereits zitierten
Kostenvoranschlag zur Bedingung gemacht.
Diese „WerkStatt-GiIten" erbat sich R. A.
Boos gegen Zahlung eines jährlichen Zinses
auch nach Vollendung dieses Werkes weiter-
hin benutzen zu dürfen. An der Figur arbeitete
R. A. Boos nach seiner eigenen Angabe
10 Monate lang, weil sie „aus so hartem
Stein" war. Die aus Salzburger Marmor ge-
fertigte, farbig gefaßte Brunnenplastik besaß
die Höhe von 2,15 m; sie war also mehr als
doppelt so groß wie die im Vergleich zu ihr
klein geratene Holzskulptur B. Straubs, die
durch sie ersetzt wurde. Die Plinthe der
Steinplastik trug die Signatur: „Roman. A.
Boos 1770". Für 30 Gulden lieferte Thomas
lgnaz Ingerl den Marmor. Außerdem ver-
fertigte er drei (weiter nicht genannte) „Bild-
werke" für diesen Brunnen, wofür ihm die
Stadtkammer 25 Gulden ausbezahlte. Für die
Lieferung von fünf Delphinen und für fünf
Fratzenköpfe erhielt er im Jahre 1770 weitere
100 Gulden. Für die „Leuchter", d. h. für
die von innen zu beleuchtenden Stern-Laternen,
gab die Stadtkammer den ansehnlichen Betrag
von 116 Gulden und vierzehn Pfennigen
aus 34. Da die SteinFigur von R. A. Boos, wie
wir noch später erfahren werden, nicht er-
halten blieb, soll eine zeitgenössische Be-
schreibung zitiert werden, die im Jahre ihrer
Aufstellung (1770) entstand. Wie die bereits
zitierte Stelle über den Straub-Brunnen dürfte
auch sie von K. von Lippert, dem am Ende
des 18. Jahrhunderts lebenden bayerischen
Historiographen, stammen. Sie lautet35: „In
der rechten Hand hält er (zu erg. : der hl. Johann
Nepomuk) ein von Metall gegoßenes und im
Feuer vergoldetes Cruzifix, gegen welches er
das Gesicht wendet. Die linke Hand drückt
er auf die Brust und macht damit eine sehr
angenehme Stellung. Auf seiner linken Seite
ist eine Wolke zu sehen, worauf ein Engel
kniet und einen aus Kupfer geschlagenen und
im Feuer vergoldeten Palrnzweig in der linken
Hand hält." In der völlig als Gewandtigur
konzipierten einansichtigen Steinskulptur schei-
nen die ideellen Forderungen des frühen
Klassizismus bereits wie in einem Muster-
beispiel erfüllt zu sein. Außer dem ekstat
Gesichtsausdruck sind zwei Motive b
noch retrospektiver Art, die sie mit de
vorausgegangenen Werk von B. Straul
deutlich in Beziehung bringt. Es ist d
den ersten Augenblick bei einer Steinsk
überraschende farbige Fassung und dil
sible Art der stofflichen Wiedergabe mii
Oberflächenbehandlung, die nicht wie in
gemeißelt, sondern wie in Holz gesch
erscheint.
Die neue Kunstrichtung des Klassizismt
sich F. Cuvillies d. ebenso wie R. A.
verpiiichtet fühlten, wandte sich in den l
Lebensjahren des zweitgenannten Küi
gegen einige seiner im späten Rokoki
geführten Arbeiten. So mußte es der M
ner Bildhauer noch zu seinen Lebzeiti
leben, daß der von ihm geschaifene Je:
brunnen aus angeblich „verkehrspolizei
Rücksichten"(!) aus dem Herzen der
verbannt wurde. Es unterliegt keinem
fel, daß die Aufklärungszeit an diesen
giösen Ehrenmonument und an der
seiner allnächtlichen Illuminierung ß
nahm. Den eigentlichen Anlaß aber bo
ein vom 1. 3. 1804 datiertes, bisher unbt
tes Schreiben, das der damalige kurfür
Polizeidircktor Baumgartner an den
magistrat von München in dieser Ange
heit richtete. Es trägt bezeichnende
folgende Überschrift: „Die Wegräumui
sogenannten Johannes Brunnen in der
hausergasse dahier betref." Er führte
aus, daß er „umso weniger einen V0:
gewähre, „als derselbe im Winter mit B:
vo(: e)rschlagen, im Sommer aber mit
Gitter verschloßen ist, sodaß man bey F
gefahr gar nicht leicht zur XXXasser-R
würde gelangen können". In dem gl
Schriftstück steht weiter, daß der Brunn
Malteser Gebäude (zu erg.: ein Ziehbrt
„für das Bedürfniß des Publicums hinlä
Wasser" gebe. Unter diesen Umst;
meinte Baumgartner, „dürfte es räthlici
die Wegschaffung dieses Brunnens un
nutzung der dahinlaufenden Wasseran
für die benachbarten Häuser zu veranla
Er fügte noch hinzu: „Die St: Jo
Statue darauf ist kein Kunstwerk vor
züglicher Art." Diesem Antrag wurde ii
Antwortschreiben vorn 5. 3. und vom
1804 von seiten der Stadt entsprochen,
die über 200 Jahre alte Tradition des N
ner Jesuitenbrunnens plötzlich abbracl
nifenbar sehr konservativ gesonnener zv
ner Maurermeister llöchl kaufte den Br
auf Abbruch für 100 Gulden und ur
gleichen Preis veräußerte er ihn bald
an die Bürger der Vorstadt Au. Dort X
bereits seit 1734 eine in einer höl
Kapelle aufgestellte SL-Johann-Nep
iigur, die inzwischen längst erneue
bedürftig war. An ihre Stelle trat die
skulptur von Roman Anton Boos. Man
sie auf einen Sockel aus Sandstein als
stock-lö unter einen von vier Säulen
genen aus Holz errichteten Kuppelba
dem der Münchner Hofbauzeichner J
Jodl einen Entwurfgcliefert hatte. Damit
im Jahre 1814 in der Au ein architektm