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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 77)

„Hinterlader", das heißt, sie wurden von 
außen, meist von einem Flur aus, geheizt. 
Die reizvollsten und kapriziösesten Erzeug- 
nisse des Hafnerhandwerks sind die Figuren- 
öfen. Sie zählen ihrer Bauweise wegen gleichÄ 
falls zur Gruppe der Überschlagöfen. Die 
Figuren können als Teil des Ofens geformt 
sein oder aber den gesamten Feuerraum um- 
schließen. 
Zu der ersten Untergruppe gehört ein Über- 
schlagofen aus dem Bayerischen National- 
museum in München (Abb. 5). Als Wiener 
Fabrikat, das als Geschenk in den Besitz des 
Museums gelangte, verrät es in bezug auf den 
Überschwang des Ausdrucks und die Pracht 
seiner Formensprache, den sprudelnden, blü- 
henden und faszinierenden Reichtum der 
Rokokoornarnente den ganzen Charme öster- 
reichischer Hafnerkunst. Der etwas gedrungene 
und postarnentartige Unterofen trägt als Ober- 
ofen die Figur einer zierlichen Dame in an- 
mutiger Haltung mit keckem Hütchen und in 
einem modischen Brokatkleid mit rieselnden 
Ärmelrüschen und schwingendem Faltenwurf. 
Dieser ausgesprochen graziös wirkende Ofen 
ist wohl eine der liebenswürdigsten Schöp- 
fungen nicht bloß des Rokoko, die aus den 
Händen eines Hafners hervorgegangen ist. 
Figur und Unterofen bilden einen einheitlichen 
Feuerraum, und es ist nicht nur aus ästhe- 
tischen Gründen bezeichnend, sondern mehr 
noch in wärmetechnischer Beziehung be- 
merkenswert, wie durch die geschickt gear- 
beitete bauschige Glockenform des Kleides 
der Feuerraum über dem postamentartigen, 
großvolumigen Unterofen eine heiztechnisch 
wirkungsvolle und beträchtliche Ausweitung 
erfahrt. 
Ein interessantes Gegenstück hierzu beherbergt 
das Schloßmuseum zu Linz (Abb. 6). Es ist 
gleichfalls eine weibliche Figur, die als „Ahn- 
frau" bezeichnet wird. Sie befand sich ehemals 
im Graf-Lambergischen Schloß in Steyr, zu- 
letzt im Jagdhaus Bodinggraben bei Molln. 
Der Figurenofen stellt eine Frau in ober- 
österreichischer winterlicher Tracht aus der 
Mitte des 18. Jahrhunderts dar. Bekleidet ist 
sie mit einer pelzverbrämten Schoßjacke und 
einem schwarzen bäuerlichen Hut. Jacke und 
Rock tragen eine grüne Glasur, die Pelzver- 
brämungen sind braun. Der Ofen hat eine 
Gesamthöhe von etwas über 2m; hiervon 
entfallen auf die eigentliche Figur 1,10 rn und 
auf den postarnentartigen Unterofen 95cm. 
Der mit Aschenfall versehene Sockel des Heiz- 
körpers ist gemauert. Der runde tönerne 
Unterofen mit seiner durch eine Eisentür 
verschließbaren Stirnfeuerung trägt zahlreichen 
plastischen vegetabilen Schmuck. Er ist in 
typisch oberösterreichischer Art „grün ge- 
flammt". Der prachtvolle Ofen wurde ver- 
mutlich um 1769 in Steyr gefertigt. 
Von großem Reiz ist ein Vergleich dieses 
Objekts mit dem Wiener Figurenofen aus dem 
Nationalmuseum in München (Abb. 5). Beide 
Skulpturen stellen weibliche Personen dar, 
beide gehören kunstgeschichtlich der gleichen 
Epoche an und doch: welch ein Unterschied 
in der Auffassung und in der plastischen 
Formulierung! Ist die letztere ein erble: Kind 
des Rokoko, verspielt und gelöst, mit schwin- 
genden Umrißlinien, so ist im Gegensatz dazu 
die Figur der Linzer „Ahnfrau" von monu- 
mentaler Geschlossenheit, statuenhaft in ihrer 
Ruhe und Gelassenheit. Ungekünstelt in 
Haltung und Gebarde, erscheint diese Figur 
als Sinnbild zeitlosen Bauerntums. 
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Linzer 
Beispiel weist ein Figurenofen auf, der aller- 
dings einem späteren Zeitabschnitt angehört 
und bereits klassizistische Züge aufweist. Er 
ist übrigens der einzige, dem Verfasser be- 
kannte Halh-Figurenofen. Die aufgerichtete 
Skulptur, die verhältnismäßig einfach im 
4 Kachelofen. in Schranksyslcm eingebaut, 1m- 
koko. München, Srhloß Amalienburg zu 
Nymphcnburg, Hunde- und Gewchxkammcr 
5 Figurcnofm, Rokoko. Münchm, Bayerisches 
Nalionaimuseum 
6 Fi renofcn. um 1769. "Die Ahnfrau". Linz. 
Scillloßmuscum 
7 Figurenofcn in Gestalt eines sitzenden Türken. 
Burg Tiumoning (Oberbayern), Heimatmu- 
seum. Aus dem alten Pfzrrhof Fridolfing, Land- 
kreis LaulTcn (Obcrhayzrn)
	        
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