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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 20
zeit der englischen Schabkunst vergegenwärtigen. Ihr
vielleicht bester Repräsentant John Raphael Smits ist
mit fünf feinfühligen Blättern nach Reynolds und Bar-
tolozzi vertreten.
Francesco Bartolozzi selbst, der trotz seiner ita
lienischen Abkunft den englischen Meistern des Kupfer
stichs beizuzählen ist, wirkte er doch durch vierzig
Jahre in London, erscheint in der Sammlung mit einer
außerordentlichen Fülle an Blättern — an zweihundert,
darunter die reizende Folge der Jahreszeiten, symboli
siert durch Damenbildnisse, das Porträt der Erzherzogin
Marie Christine von Oesterreich, der Gemahlin des
schon erwähnten Herzogs Albrecht von Sachsen-Teschen,
ein prachtvoller Probedruck von „Aerarial Travellers“
vor der Schrift und vor der Adresse, ein Porträt des
zu einer sonderbaren Berühmtheit gelangten Grafen
Cagliostro, ein Porträt der Malerin Angelica Kaufmann,
der wir im Katalog übrigens noch an anderer Stelle
begegnen. Es sind nämlich unter ihrem Namen fünfzehn
sehr schöne Blätter zusammengefaßt, die nach ihren
Werken von Burke, Dickinson, Jenkins, Ryland und
anderen Künstlern Albions gestochen worden sind.
Mitten zvyischen den englischen Meistern eine Reihe
von französischen Linienstechern des 18. Jahrhunderts,
wie Louis M. Rin-Bonnet, Francois Boucher, Jean
Baptist Simeon Chardin, Gilles Demarteau, Pierre
Louis D u sm e n i 1, Jacques Philipp, Le Bas, Jean
Charles Levasseur und anderen, die zufolge ihrer
Qualität in die Sammlung hineinpassen, die wohl auf
das größte Interesse der Sammlerwelt rechnen kann.
Wie im vorigen Herbst bei C. G. Boerner in Leipzig
werden sich voraussichtlich jetzt bei G i 1 h o f e r und
Ranschburg in Wien alle versammeln, die die
Gelegenheit nützen wollen, ihre Bestände durch Erwer
bung prachtvoller, zum großen Teil äußerst seltener
Blätter zu bereichern.
Von wem sind ^Rembrandts Qemäfde ?
Nach Leonardo da Vinci, dessen Bild „La belle
Ferroniere“ bekanntlich Gegenstand eines heißen Rechts
streites bildete, kommt nunmehr, wie uns aus New-
Y o r k geschrieben wird, in bezug auf die Echtheit der
Gemälde der größte aller niederländischen Meister,
R e m b r a n d t, an die Reihe. Einer der namhaftesten
Kunstgelehrten Amerikas, Dr. John C. Van Dyke, Pro
fessor der Archäologie und der Kunstgeschichte am
Rutgers College, veröffentlicht soeben ein Buch, worin
er die Behauptung aufstellt, daß von den in aller Welt
befindlichen achthundert Gemälden, die Rembrandt zu
geschrieben werden, lediglich fünfunddreißig den
berühmten niederländischen Meister zum Schöpfer haben.
In der Londoner Nationalgalerie sind 21 Rembrandts
ausgestellt, von denen nach seiner Ueberzeugung nur
v i e r wirkliche Originale des Meisters sind. Das be
rühmte, durch Reproduktionen und Kopien in aller Welt
pbpulär gewordene Selbstporträt Rembrandts mit
dem Samtbarett wird von Van Dyke als nicht vom
Meister herrührend bezeichnet. Von der großen Zahl
der im Louvre ausgestellten Rembrandtbilder läßt der
Kunstgelehrte ebenfalls nur vier als Originalwerke des
Leydener Künstlers gelten.
In Amerika, wo gleichfalls viele Rembrandts in
Galerien und im Privatbesitz vorhanden sind, befindet
sich nach Van Dykes Urteil auch nicht ein einziges
Gemälde von der Hand Rembrandts.
Das befremdende Urteil des Gelehrten beruht haupt
sächlich darauf, daß er an Bildern, die aus denselben
Jahren stammen, eine vollkommen verschiedene Mal
weise beobachten zu können glaubt. Van Dyke kann
es nicht begreifen, daß Rembrandt in einem und dem
selben Jahre Gemälde geschaffen haben soll, die in der
Technik und in allen Einzelheiten eine solche Gegen
sätzlichkeit der Technik zeigen. Die Beurteilung Van
Dykes widerspricht in so vielen entscheidenden Punkten
den bisher als vollkommen zuverlässig geltenden Mei
nungen anderer großer Kunstgelehrter, daß man sich
versucht fühlt, die Darlegungen Van Dykes nicht ernst
zu nehmen, obwohl er in seinem Werke erklärt, daß
er bereits seit 1883 die schwersten Zweifel im Hinblick
auf die Echtheit der überwiegenden Zahl der Rembrandt
zugeschriebenen Werke gehegt und durch langjährige
Studien sich nunmehr vergewissert habe, daß die meisten
derselben mit Unrecht für Originale des niederländischen
Meisters ausgegeben werden.
c Der ‘ÜOeffen schätz.
Vor kurzem ging die Meldung durch die Blätter,
daß sich der Herzog von Cumberland entschlossen
habe, den berühmten Welfen schätz nach Amerika
zu verkaufen, daß aber die österreichische Regierung
gegen die Ausfuhr dieser Kostbarkeiten Einspruch er
hoben habe. In dieser Form war die Nachricht unrichtig;
an einen Verkauf der kostbaren Reliquien und Kunst
gegenstände ist nicht gedacht worden, und was der
Schloßherr von Gmunden zu veräußern beabsichtigt,
sind Wertgegenstände ohne besondere künstlerische
oder historische Bedeutung.
Unter dem Namen Weifenschatz wird der prächtige
Besitz altertümlicher Reliquiare und Schaustücke ver
standen, der sich seit Jahrhunderten im Besitz des
Hauses Braunschweig-Lüneburg befindet, und über den
demgemäß das Oberhaupt des Weifenhauses, Herzog
Ernst August, das Verfügungsrecht hat. Die ersten An
fänge des Reliquienschatzes des Hauses Braunschweig-
Lüneburg gehen bis auf Heinrich den Löwen zurück.
Dieser brachte von seiner Pilgerfahrt im Jahre 1173 aus
dem Heiligen Lande eine große Zahl von Reliquien mit
und legte sie im Sankt Blasiusturm zu Braunschweig
nieder. Seither sind jetzt gerade 750 Jahre verflossen.
Zu diesem Stamm des Schatzes kamen später Geschenke
anderer Mitglieder des Weifenhauses und wohlhabender
Untertanen, wodurch der Schatz ansehnlich vermehrt
wurde. Lange Zeit waren die wertvollen Stücke in der
Schloßkirche zu Hannover niedergelegt. Im Jahre 1697
würde der Bischof von Osnabrück als damaliges ältestes
Mitglied des Weifenhauses fideikommissarischer Eigen
tümer des Schatzes. Er traf mit seinem Bruder Georg
Wilhelm von Celle die Vereinbarung, daß fortan sämt
liche Fürstentümer der Lüneburger Linie vereinigt
blieben; deshalb verblieb von nun an der Schatz als
Fideikommiß stets bei dieser Linie. Bis zur französischen
Invasion zu Beginn des 19. Jahrhunderts blieb der
Weifenschatz in der Schloßkirche zu Hannover. Aber
im Jahre 1803 brachte man ihn nach England in Sicher
heit, um ihn erst nach 1815 wieder nach Deutschland
zu überführen. Er fand nun nicht mehr in der Schloß-