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Volltext: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 77)

weitverzweigte Problematik moderner 
ChFlSllIChEF Kunst kennt, wird nicht 
umhinkönnen festzustellen, daß die so 
notwendige, als Versuch einer um- 
fassenden Orientierung zu wertende 
Initiative, die von Salzburg seit 1958. 
dem Jahr der ersten Biennale, ausgeht. 
seltener Pioniertötigkeit gleichkommt. 
Es gibt wohl kaum ein wichtigeres und 
ernstzunehmenderes Gebiet, auf dem 
sich Unzulänglichkeiten und Kitsch 
aller Art im Verlauf der beiden letzten 
Jahrhunderte in so erschütterndem 
Ausmaß breitgemacht haben. wie ge- 
rade auf dem Sektor der christlichen 
Kunst, Gegen diese reichlich fest- 
gefahreneÜbermachtdesUngeschmacks 
anzukämpfen, indem man der Zeit 
entsprechende Maßstäbe setzt, ist die 
hauptsächliche Funktion der - ahne- 
dies sehr raren - Ausstellungsunter- 
nehmen, die mit moderner Sakralkunst 
konfrontieren. 
Zweifellos war die Situation, in der 
sich die christliche Kunst noch vor etwa 
10 Jahren befand, um vieles schwieriger 
und scheinbar aussichtsloser als heute. 
wo sich die Möglichkeiten erfolgreichen 
und fruchtbaren Wirkens, bedingt durch 
die in der Zwischenzeit eingetretenen 
Anfangserfolge. geläuterter und reeller 
abzeichnen. Die Schwierigkeiten, die 
es für den entscheidungsberechtigten 
und -verpflichteten Kleriker zu über- 
winden gilt, der zu bestimmen hat. 
wie das Kultgerät beschaffen sein sall, 
das zur Verwendung für den Gottes- 
dienst benötigt wird, auf den es also 
ankommt, wie eine Kirche gebaut und 
ausgeschmückt werden darf, der jedoch 
nur in seltenen Ausnahmefällen auch 
wirklich in der Lage ist, künstlerische 
Qualität entsprechend zu erkennen und 
daher reichlich oft ungewollt argen 
Unzulänglichkeiten Vorschub leistet. 
sind jedoch auch heute groß und 
differenziert. Man muß die Situation 
auch unter diesem Aspekt sehen, und 
man mußte diesem Manko, das nun 
einmal existiert und sich nicht von 
heute auf morgen aus der Welt schaffen 
läßt, bei einem kritischen Rundgang 
durchdiediesjährige Biennale Rechnung 
tragen, 
Beiträge von zwölf europäischen und 
überseeischen Ländern auf den Ge- 
weil die kirchliche Kunst ein ernstes. 
bedeutungsvolles Anliegen ist, muß man 
in der Beurteilung der Werke strengste 
Maßstäbe anlegen, um die Spreu vom 
Weizen zu sondern. Man kann in 
dieser Hinsicht der erneuerungsbe- 
dürftigen Salzburger Jury Vorwürfe 
nicht ersparen. Auch heuer erschien 
vieles, was in den nur als Notquartier 
geeigneten Oratorien des Domes Auf- 
stellung fand, beinahe indiskutabel. 
weil es jenes unabdingbare Minimum 
an künstlerischer Qualität und geistiger 
Strahlkraft, das jedes Werk haben muß. 
will es den Anspruch erheben. Kunst zu 
sein, nicht besaß. Epigonales, Modisches 
und Akademisches machten sich in 
erschreckendem Ausmaß breit, so daß 
für den Moment der ersten Schreck- 
sekunde all das Vorbildhafte. das in 
unserer Zeit auf dem Sektor der christ- 
lichen bildenden Kunst bisher geschaffen 
wurde, nicht mehr wahr und wirklich 
erschien. Kunstgewerbliches traf man 
in der Malerei und Plastik an, also am 
falschen Ort, und selbst Beispiele 
scheinbar harmlosen, in Wahrheit aber 
peinlichen Kitsches, wie etwa ein mehr 
als „lieblicher" Schweizer Wandteppich 
für eine Taufkapelle oder die Kreuz- 
wegbilder eines Österreichers für die 
Stadtpfarrkirche St. Laurentius in 
Wörgl, konnten nicht vermieden wer- 
den. Das Qualitätsvolle. das in der 
Adäquanz von Form und lnhalt seine 
Bestätigung findet, war in ähnlicher 
Weise wie schon auf den vorherge- 
gangenen Biennalen in erschreckender 
Minderheit, wenn auch nicht bestritten 
werden kann, daß sich auch einige 
sehr positive Beispiele registrieren 
ließen. 
Die mangelnde schöpferische Potenz 
eines Malers, Bildhauers oder Archi- 
tekten läßt sich zwar kaschieren, jedoch 
nicht ganz verbergen; und selbst der 
Grad der Redlichkeit des Bemühens und 
die religiöse Einstellung des betreffenden 
Künstlers können an dieser Tatsache 
kaum etwas ändern. Leider fällt jedoch 
auf diese Halbheiten und Kompromisse. 
die immer mehr scheinen wollen, als sie 
sind. das Gros der Priester und Laien 
immer wieder herein. Dieser Gefahr 
kann man nur begegnen, indem man 
gleichermaßen von künstlerischen wie 
geber,fürdiejadieSalzburger Biennale 
eine erstrangige Orientierungsmöglich- 
keit sein soll, zu Unzulünglichem 
greifen, das ihnen aus den vorhin ge- 
nannten Gründen als das Richtige er- 
scheinen mag. 
Den quantitativ stärksten Beitrag, der 
auch in qualitativer Hinsicht zu den 
bemerkenswerteren zählte, stellten die 
Niederlande. Von einem Pauschal- 
urteil mußte man jedoch auch in diesem 
Fall Abstand nehmen, da die künstle- 
rischen Leistungen im einzelnen zu 
unterschiedlich ausfielen. Eine Taber- 
nakeltüre Frans Verhaaks, ein einfacher 
materialgerechter Tabernakel, die 
kräftig durchgeformten Fenster Eugene 
Laudys, ein zurückhaltendes, formal 
gelungenes Bronzerelief Carel Kneul- 
mansßelen neben den Photos der Kirche 
van Puttens auf. Überzeugende Leistun- 
gen ließen sich bei den Deutschen 
und Spaniern antreffen. Otto Herbert 
Hayeks Kreuzweg für den Vorhof der 
Gedächtniskirche „Maria Regina Mar- 
tyrum" in Berlin-Plötzensee (Archi- 
tekten Hans Schädel und Friedrich 
Ebert). Fritz Koenigs „Pietä" (beides in 
Modellform), eine _ leider nur in 
Photos wiedergegebene 7 Wand- 
malerei Meistermanns sowie die routi- 
niert-gekonnten Graphiken t-legenbarths 
hielten stand. Als kraftvollstes und cr- 
regendstes Beispiel der gesamten Schau 
mußte wohl das expressive .,Golgotha"- 
Triptychon des Spaniers Lucio Munoz 
bezeichnet werden, das echtes gestalte- 
risches Ringen unter hohem persön- 
lichem Einsatz erkennen läßt und 
zweifellos eine für die Kirche annehm- 
bare Lösung darstellt. 
Marcel Breuers Abtei- und Universitäts- 
kirche in Collegeville, Minnesota (USA). 
Giovanni Micheluccis Autobahnkirche. 
Roland Rainers evangelische Kirche in 
Wien-Simmering sowie Ottokar Uhls 
Montagebau (Wien. Siemensstraße) 
zählten zum Wesentlichsten auf dem 
Gebiet der Architektur, die auf dieser 
Ausstellung zweifellos den Ton angab. 
Der österreichische Beitrag war - 
abgesehen von den Beispielen des 
Kirchenbaues 7 in seiner Gesamtheit 
erschütternd schwach, so daß man sich 
fragen muß. wieso das passieren konnte. 
Hoflehner. Wotruba, Mikl oder Bischof 
 
- um nur einige zu nennen 
schon längst ihre Begabung. 
Kunst zu schaffen, unter Bewei: 
haben, fehlten neben vielen c 
die sich Aufträge verdienten. 
jedenfalls ganz den Anschein, a 
Art und Weise, in der Österre 
trag organisiert wird, nicht die 
ste ist. 
Will man Ansehen und künst 
Niveau dieser gewiß sehr vi 
vollen und notwendigen Verar 
entscheidend verbessern, so w 
sich nicht nur - wie ja bereits 
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sprechenden Gebäude umseher 
(nur ein freier Wettbewerb k( 
den gewünschten Erfolg bringe 
dern man wird auch die Mögli 
der Ausstellungsbeteiligung L 
Prinzipien, nach denen die J 
Amt versieht. neu zu diskutiere: 
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RHYTHMISCHE ABFOLGEN. Erfolgversprechendes Debüt von Hermann Painitz in der Galerie im Griechenbeisl. Es gibt 
in Wien kaum mehr als fünf Galerien. die es zumindest van Zeit zu Zeit wagen. einem jungen, noch unbekannten Künstler 
eine Ausstellung einzuräumen. Vielfach sind es nämlich die arrivierten Kollegen, die Sturm laufen und somit manches Debüt 
verhindern, sobald sie vernehmen, daß ihnen in „ihrer" Galerie durch einen begabten Nachwuchsmann Konkurrenz erwachsen 
soll. Selbstverständlich ist aber auch der Kreis ernstzunehmender junger Ausstellungsanwärter sehr eingeengt, und wenn sich 
oft ein, zwei Monate hindurch bei Ausstellungsbesuchen keine wirklich überdurchschnittliche Entdeckung machen läßt, sallte 
man dies nicht von vornherein auf Egoismus und Risikolosigkeit der Galeriebesitzer zurückführen. 
Johann Fruhmann und Christa Hauer, die Leiter der Galerie im Griechenbeisl, stellten im September mit Hermann Painitz 
(geboren 1938 in Wien) einen jungen Mann vor, dessen Arbeiten - ohne sie deshalb überschätzen zu wollen 7 hierzulande 
eine ungewöhnliche Stellung zukommt. 
Painitz beschäftigt sich nämlich mit einer Art von Bildnerei, die in Wien von sonst niemandem praktiziert werden dürfte. Seine 
Serien, Farbfunktianen, linearen Bewegungen und dynamischen Abfolgen. wie er selbst seine Arbeiten bezeichnet, sind ein 
gangbarer und zum Teil unbedingt geglückter Versuch. Bilder zu schaffen. in denen jede Art von Zufall und zufallsbedingter 
Subjektivität generell ausgeschaltet werden soll. Painitz verwendet in seinen Bildnereien, die der Montage und Collage näher 
kommen als der Malerei, hauptsächlich ovallörmige bzw. abgerundete quadratische Elemente, die er aus farbigen Papieren 
und Kunststoffoiien ausschneidet und dann zusammensetzt. Es ist serielle Kunst, die primär auf der Zahl. deren Kombinatorik 
und inneren Gesetzmäßigkeit als Ordnungskomponente aufbaut. Die Reihenfolge, in der bestimmte Elemente wiederkehren, 
verleiht den Bildern Rhythmus und Gerichtetheit, die Wahl der Farben und der Oberflöchenbeschaffenheit dieser Bildbestandteile 
bestimmt deren Harmonie, Painitz. dessen Fleiß und Konsequenz außer Frage steht, glaubt an eine „objektive Kunst", die Ü 
von A bis Z völlig durchgeplant - ein Gegengewicht zu allen übrigen Kunstrichtungen der Gegenwart sein soll. 
Peter Baum 
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