Aus der Bahnhufkirche von Marchegg kam
zu dieser Ausstellung ein großes Denkmal
deutscher Barockplastik zur Georg-Petel-Aus-
stellung, das PältTy-Kruzifix. Erst jüngst fand
es die alte Schätzung wieder, die ihm gebührt,
als „das künstliche Crucil-ix-Bildniss unseres
Herrn, dergleichen wenige, oder keines in
Deutschland, welche der berühmte Bildhauer
Georg Petel, der Deutsche Michael Angelo
Bonarota geschnitzet". Ursprünglich in der
PalHy-Kapelle der Wiener Augustinerkirche,
1945 aus der Schloßkapelle von Marchegg
verschleppt, wurde das Kruzifix beschädigt
aufgefunden und später von Karl Feuchtmayr
als Werk Petels erkannt. Diesem Holzbildwerk
gegenüber standen im gleichen Ausstellungs-
saal des Bayerischen Nationalmuseums die
monumentale Bronzegruppe des Gekreuzigten
mit Maria Magdalena aus der Niedermünster-
kirche in Regensburg und Petels Holz-
skulpturen aus den Augsburger Kirchen 7
der Rang deutscher Plastik des Frühbarocks
war so in eindringlicher Weise bekundet.
In memoriam Karl Feuchtmayr, der sich
während vieler Jahrzehnte um die Erforschung
von Petels Werk bemühte, und aus Anlaß
des Internationalen Kunsthistorikerkongresses,
der voriges Jahr in Bonn tagte, bot diese
denkwürdige Ausstellung das Oeuvre eines
Meisters aus dem 17. Jahrhundert mit in der
Tat internationalem Gepräge dar.
Erstaunlich groß ist die Resonanz, die früh-
barocke Plastik heute auszulösen vermag.
Demgegenüber war noch bis in die fünfziger
Jahre der Name Georg Petel während eines
langen kunstgeschichtlichen Studiums an
mancher Universität nicht ein einziges Mal
vernommen worden, so vergessen war der
von Sandrart hochgerührnte Meister. Es
scheint, als hätte sich ein bisher verstellter Zu-
gang zum Verstehen der frühbarocken deut-
schen Skulptur überhaupt erst jetzt aufgetan.
Gleichzeitig mit der Fähigkeit des Erkennens
Petel'scher Kunst häuften sich in den letzten
Jahren die Neufunde vorwiegend kleinpla-
stischer Bildwerke, bis diese mit Petel in
Zusammenhang gebrachte Gruppe ein ver-
wirrendes Ausmaß angenommen hat. Die von
Theodor Müller übernommene Verpflichtung,
Feuchtmayrs nachgelassenes Material zu
edieren (hieraus ist der Gedanke einer Petel-
Ausstellung erwachsen), erfüllte durch die
Konfrontation dieser Kleinplastik aus Buchs-
oder Birnbaum ein besonderes wissenschaft-
liches Anliegen. Denn auf Grund der Gleich-
artigkeit der künstlerischen lntentionen er-
gaben sich gerade innerhalb dieser Kunst-
gattung die meisten Verwechslungen mit
Petels Werk. Auch der Katalog gruppiert
und trennt bereits, was zu Recht und zu
Unrecht unter dem Sammelnamen Petel zu
vereinigen man begonnen hat. Er ist so ein
wichtiger Baustein für die Erforschung einer
Petel wahlverwandten Kleinplastik der Rubens-
zeit in Süddeutschland, Italien und den Nieder-
landen geworden; vor allem werden auch
die analogen Erscheinungen in der gleich-
zeitigen und späteren flämischen Plastik auf-
gezeigt.
Wer aber war nun wirklich dieses bild-
hauerische lngenium des Frühbarocks? Drei-
unddreißigjährig starb Petel 1634 in Augsburg
an der Pest. Sein persönliches und künst-
lerisches Schicksal spielt sich vor dem irr-
lichternden Hintergrund des Dreißigjährigen
Krieges ab. Augsburg war die Stätte seiner
Wirksamkeit, hier auch hat der Meister unter
dem evangelisch gewordenen Stadtregiment
eine Büste des schwedischen Königs „ad vivi"
modelliert. Die gängige Auffassung vom
völligen Darniederliegen der deutschen Kunst
während jener schweren Jahrzehnte wird von
Petels Bildhauerei hinreichend widerlegt.
Für die Berührungen mit der großen Welt
legen das Petel-Bildnis von Anthonis van Dyck
und die von Petel modellierten Bildnisbüsten
Gustav Adolfs und des Peter Paul Rubens
beredtes Zeugnis ab. München, Genua, Rom,
Augsburg und Antwerpen waren die Bildungs-
statten des Meisters aus dem kleinen ober-
bayerischen Weilheim, das in eben jener Zeit
erstaunlicherweise gleich eine ganze Anzahl
der bedeutendsten Bildhauertalente hervor-
brachte. Das wahrhaft europäische Niveau von
Petels Person und Kunst aber ist gerade in
dem Raum der Ausstellung am deutlichsten
geworden, wo Algardi, Duquesnoy, die italo-
Hämische Kleinplastik und Rubens sich mit
Petel versammelt hatten.
Die entscheidenden künstlerischen Anre-
gungen der heimischen Umwelt waren zwar
nicht unmittelbar in die Ausstellung einbe-
zogen, aber sie befanden sich doch in erreich-
barer Nähe: an den Fassaden und auf den
Plätzen von München und Augsburg die
großen Erzbildwerke der Jahrzehnte um 1600
und die Elfenbeinarbeiten Christoph Anger-
mairs in der Schatzkammer der Residenz und
im Bayerischen Nationalmuseum.
Nicht minder eindringlich prägten sich die
spezifischen Werkstoffe ein: für das Große
Lindenholz und Bronze, für das Kleine zumeist
Elfenbein, Bronze und Hartholz, wobei mit-
unter aus der Verbindung mehrerer Werkstoffe
(Münchner Geißelung Christi) zu ersehen ist,
welche nuancierte Bewertung Petel der Mate-
rialwahl beigemessen hat. Ein Erlebnis beson-
derer Art brachte die farbige Erscheinung der
Ecce-homo-Figur aus dem Augsburger Dom
und des Christkinds von der Kanzel der Bar-
füßerkirche in Augsburg. Die ursprüngliche
Fassung dieser beiden Bildwerke wurde erst
im vorigen Jahre freigelegt; so zeitigte die
Ausstellung auch wichtigste Erkenntnisse zur
materiellen Beschaffenheit der Fassung von
Petels Figuren und zur Konsistenz von Figur