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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 78)

bildern, die ihm mit Sicherheit zugeschrieben 
werden dürfen, offensichtlich. Die in die 
erste Periode seines Schaffens einzuordnenden 
umfangreichen Bilderchroniken (Leningrad) 
und auch der um 145471459 entstandene, von 
Abt Filastre für St. Bertin in St. Omer gestiftete 
Altar des hl. Bertin (Berlin) folgen dem Stil 
des Meisters des Mansel und dem des Meisters 
des Herzogs von Bedford. Sicherlich haben 
auch Jan van Eyck und die anderen sein 
Formgefühl angeregt; wie niederländische 
Maler immer, lehrten sie ihn, die Form sorg- 
fältig zu erfassen und dem Bild ein strahlendes 
Kolorit zu geben. Kein anderer französischer 
Maler dieser Jahrzehnte steht ihnen da so 
nahe wie Simon Marmion. Aber seine Art zu 
komponieren, mehrere Szenen auf eine Bild- 
fläche zu ordnen und Architekturen mannig- 
fach zur Trennung und Rahmung der ver- 
schiedenen, neben- und auch übereinander 
gruppierten Szenen zu verwenden, folgt dem 
Vorbild jener älteren Miniaturen. Von ihnen 
stammt ebenso die novellistische llrzählungs- 
weise, die lockere Gruppierung der Motive, 
der etwas befangene Figurenstil, vor allem 
die passive Haltung der Gestalten und die 
Unfähigkeit, über einen gewissen Maßstab 
hinausgehend noch glaubhaft zu erscheinen. 
Friedrich Winkler betonte mit Recht, Marmioits 
Kreuzigung der Sammlung Johnson (Chicago, 
The Art Museum) sei weder „mit den von 
zahllosen, nach der Tiefe zu gruppierten 
Figuren erfüllten Kreuzigungen des liyclt- 
Kreises zu verwechseln noch mit den pathe 
tischen und dramatischen des (Iampin- und 
Rogier-Kreises, am nächsten stehe ihr die der 
Sammlung Thiem von Dirk Bouts, deren 
Figuren aber wiederum sicherer stehen und 
körperhafter sind"? Demgegenüber wirkt die 
Kunst Simon Marmions sanft und zart und 
ein wenig schüchtern. Seine Kompositionen 
sind, so viele Einblicke in hintere Räume, so 
weite Landschaften sie bieten, doch nicht 
sonderlich phantasievoll, mag auch das ein- 
zelne Motiv einfallsreich erscheinen. Stets 
sind sie eindeutig und übersichtlich. libenst) 
ist die Zeichnung stets sorgfältig und genau, 
und wenn auch sie nicht sehr abwechslungs- 
reich erscheint, ist sie doch stets anmutig. 
Der Charme französischer Form eignet seiner 
Kunst. Simon Marmion war ein großer 
Könner und in seiner Weise auch ein bedeu- 
tender Künstler. Man unterschätzt ihn, wenn 
man in ihm nur einen liebenswürdig erzäh- 
lenden Meister erkennt, er war zugleich ein 
gestaltungskräftiger Künstler, wenn auch einer 
des kleinen Formats. In seinen späteren 
Arbeiten, etwa dem Stifter mit dem heiligen 
Hieronymus (Chicago), hat er sich, wie es 
scheint, niederländischer Art mehr genähert, 
auch dann bleibt seine Kunst still und sanft. 
zarten Melodien geäußert, daß sie viel 
daneben auch leidenschaftlichere Töne 
kannt habe. Sie war spannungsreicher 
man sie bislang gesehen hat. 
Den Weg zu dieser anderen Richtung eri 
ein berühmtes Altarwerk, 
Altarllügel aus der Kartause St-Honor 
'lhuiszin-les-Abbeville in The Art Institu 
Chicago (Sammlung Rverson) l". Diese T 
schildern auf den ehemaligen Feiertagss 
das Abendmahl, die Himmelfahrt Christi 
die Ausgießung des Heiligen Geistes 
Auferstehung ist verloren i und auf 
vollständig erhaltenen Außenseiten die M1 
gottcs mit dem Kind, den hl. Hugo 
Grenoble, einen der Begründer des Kartä 
ordens, Johannes den Täufer und den hei 
Honorius, Bischof von Amiens. Der l 
hat, das wird sogleich deutlich, den Mal 
größer gegriffen und die Form herber stili 
Aber er hielt sich im allgemeinen auch 
von der leidenschaftlichen Dramatik der 
trcibung aus Tempel. Die zer 
Kontposition, die er den drei biblis 
Darstellungen gegeben hat, uar in einer 
ikcmographischen Tradition begründet, m. 
sichtlich hat sie auch seinem Formgi 
entsprochen. Denn während niederländ 
Meister ihr oft ausgewichen sind, hat e 
nachdrücklich betont, ohne jedoch in 
(iruppierung der Figuren einem lebl 
Schematismus zu verfallen. Recht lebhaf 
er sie gruppiert und bewegt. Dabei isl 
Zeichnung stets straff und streng. liin sicl 
dekoratives Gefühl hat dem Maler den P 
geführt. ln der Himmelfahrt Christi h: 
die Berge im Hintergrund der Landscha 
an die Ränder gedrängt und in wei 
Kurven zum Tal abfallen lassen, daß Hir 
und Wolken Christus wie eine Mandorla 
schließen. llie und da tritt dann diese Begal 
mit einer realistischen in Konkurrenz. Sor; 
ist die Landschaft mit der Akribie eines ni: 
ländisch geschulten Meisters geschildert, 
fühlig sind die Baldachine mit den Skulpt 
im Plingstbild und über den Heiligen 
Außenseiten durchgeformt, überlegt und 
niederländisch ist gemeinhin auch die 1 
sicrung der Falten und Gewänder. R: 
van der Wexdens Kunst muß dem Maler 
eindringliches Frlebnis gewesen 
nichts weniger als ein Schüler darf er gen 
werden. Rogiers Einrluß war nur eine K 
ponente, anderes ist ihm 
wichtiger gewesen. ln etwas altmodisch-z 
moniöser, aber auch wieder recht temperan" 
voller Weise sind die Gewänder der steher 
Heiligen auf den Außenseiten geordnet, so 
sie sich großzackig falten. Maskenhaft ist 
(iesicht Mariens, anderseits sind die K 
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