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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 79)

haben. Dadurch gewinnt die stilistische Ana- 
lyse an Bedeutung. Die Vntivkirche ist im 
französisch-gotischen Kathedralstil erbaut, und 
es war sicher auch die Absicht des Architekten, 
diese Uonstranz dem Gesamtkunstwerk ein- 
zuordnen. ln diesem Sinne entspricht ein 
wesentlicher Teil des Stückes: der Aufsatz, 
der Vonstranzform des 15. Jahrhunderts 
ebenso wie der Stil der Figuren und der 
Emailbilder, die das Mittelgehäuse umgeben. 
Der große Strahlenkranz rund um dieses 
Mittelgehäuse (Abb. Z) aber folgt den Formen 
einer Barockmonstranz des 18. Jahrhunderts 
obwohl die Pflanzenornamente in ihm wie- 
derum der Ornamentik des späten 15. Jahr- 
hunderts entstammen. Der reiche Stein- und 
Perlbesatz dieses Mittelteils entspricht aber 
durchaus einer Übung des 18. Jahrhunderts. 
Das sakrale Gerät der Monstranz wurde im 
13. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem 
Corpus-Christi-Fest neu erfunden und sollte 
ein weithin sichtbares, tragbares Gehäuse 
für eine Hostie sein, dem man im ganzen 
einen architektonischen Charakter gab. Im 
17. Jahrhundert wurde dieses Objekt zu 
einem Strahlengebilde in Verbindung mit 
allegorischen Figuren umgebildet. Diese beiden 
an sich grundverschiedenen Möglichkeiten der 
Ausbildung eines Gegenstandes, die auf ver- 
schiedene Auffassung der gestellten Aufgabe 
zurückgehen, sind erstaunlicherweise auf die- 
sem Objekt zu einer künstlerischen Form 
vereinigt worden. Diese offensichtliche Stil- 
verbindung wurde aber durch die Heran- 
ziehung eines weiteren Stiles noch bereichert: 
Der Vierpaßfuß (Abb.  in einer Form des 
13. Jahrhunderts trägt Ornamente und Evan- 
gelistcnsymbole in Emailarbeit im romanischen 
Stil des späten 12. Jahrhunderts, wohingegen 
die Widmungsinschrift am äußeren Rand 
dieses Fußes aus Buchstaben besteht, die in 
gewisser Anlehnung an eine spätgotische 
Fraktur neu erfunden wurden. So diiTerent 
diese einzelnen Elemente ihrer zeitlichen Zu- 
ordnung auch sind, so ist doch im ganzen 
ein durchwegs einheitlich wirkendes Gefüge 
entstanden. Weniger augenfällig ist das gleiche 
Phänomen an einer großen Silbervase (Abb. 4), 
die Erzherzog Rainer, der Protektor des 
Österr. Museums, diesem zum ZSjährigen 
Bestand anfertigen ließ. Das Stück, eine sehr 
aufwendige Treibarbeit von allerbester Quali- 
tat, wurde 1889 von Stefan Schwarz ent- 
worfen und ausgeführt. Auch hier handelt es 
sich durch Auftraggeber, Verwendung und 
Künstler um eine Spitzenleistung. Die Gesamt- 
form der Vase entstammt den manieristischen 
Formen der Zeit um 1600, wobei aber diese 
Zeitbestimmung schon sehr weit genommen 
werden muß, da sowohl Spätestrenaissance- 
elemente des 16. wie Hochbarockforrnen des 
17. Jahrhunderts Verwendung finden. Am 
ausgeprägtesten ist diese Situation an den 
Henkeln (Abb. 5) des Gefäßes zu erkennen. 
Die beiden großen allegorischen Bilder (Abb. 6) 
am Bauch der Vase -- Triumphator mit 
Vietoria und Toilette der Venus 7 vor allem 
das letztere, zeigen aber die Züge des Rokoko, 
also den Stil der Mitte des 18. Jahrhunderts. 
Die reiche Dekoration des Objektes besteht 
aus einer äußerst geschickten Mischung aller 
Ornamente vom späten 16. bis zum 19. Jahr- 
hundert. Trotz dieser offensichtlichen Mi- 
schung stilistischer Elemente aus zwei Jahr- 
hunderten ist die Gesamtwirkung so ein- 
heitlich, daß die Auseinanderlegung ihrer 
Elemente erst bei genauerem Hinsehen 
gelingt. 
Für ein anderes Gebiet besonders aufschluß- 
reich ist eine große Halskette (Abb. 7) nach 
einem Entwurf von Josef Storck, die 1890 
von Macht und Kleeberg ausgeführt wurde 
und aus dem Besitz des Grafen Lanna stammt. 
Wenn hier zwar nicht der Hof als Auftrag- 
geber erscheint und der ursprüngliche Zweck 
des Objektes unbekannt ist, so handelt es 
sich doch um einen der bedeutendsten Künstler 
auf dem Gebiet des Kunstgewerbes. Die im 
Stil der Renaissance gearbeitete Kette besteht 
aus perlenbesetzten Goldrahmen mit Email- 
bildern und dazwischengeschobenen Stab- 
gliedern, die alle eine reiche Mauresken0rna- 
mentik zeigen, die stilistisch dem späten 
16. Jahrhundert angehört. Die Kette aber ist 
von vornherein auf zwei Ansichten, also 
zwei Verwendungsmöglichkeiten konzipiert, 
 
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denn die Schvaarzvaeißemails der einen Seite 
zeigen klassizistische Genien und weibliche 
Köpfe im Stil der poiripejanischcn VUand- 
malerei oder klassizistischcr (iemirien der 
Zeit um 1800; die Buntemailbildcr (Abb. 8) 
der anderen Seite aber barocke Liebespaare 
und Landschaften im Stile der französischen 
Malerei der ersten llälfte des 18. Jahrhunderts. 
Auch hier also handelt es sich um die Kombi- 
nation mehrerer Stile an einem Objekt und 
um die Entstehung eines durchaus einheit- 
lichen Gesamteindruckes trotz der großen 
Verschiedenheit der einzelnen Teile. Das 
gleiche Phänomen ließe sich nun an einer 
Reihe von Objekten der zweiten llälfte des 
19. Jahrhunderts ohne weiteres feststellen. 
Ein sichcr sehr bedeutendes Stück auf diesem 
Gebiet ist jene Schmuckgarnitur (Abb. 9), 
die von dem Goldschmied ligger aus Budapest 
im Jahre 1881 für die neuvermiihlte Kron- 
prinzessin hergestellt wurde und die im Ge- 
samteindruck den Schmuckarbeiten der rudol- 
9
	        
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