haben. Dadurch gewinnt die stilistische Ana-
lyse an Bedeutung. Die Vntivkirche ist im
französisch-gotischen Kathedralstil erbaut, und
es war sicher auch die Absicht des Architekten,
diese Uonstranz dem Gesamtkunstwerk ein-
zuordnen. ln diesem Sinne entspricht ein
wesentlicher Teil des Stückes: der Aufsatz,
der Vonstranzform des 15. Jahrhunderts
ebenso wie der Stil der Figuren und der
Emailbilder, die das Mittelgehäuse umgeben.
Der große Strahlenkranz rund um dieses
Mittelgehäuse (Abb. Z) aber folgt den Formen
einer Barockmonstranz des 18. Jahrhunderts
obwohl die Pflanzenornamente in ihm wie-
derum der Ornamentik des späten 15. Jahr-
hunderts entstammen. Der reiche Stein- und
Perlbesatz dieses Mittelteils entspricht aber
durchaus einer Übung des 18. Jahrhunderts.
Das sakrale Gerät der Monstranz wurde im
13. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem
Corpus-Christi-Fest neu erfunden und sollte
ein weithin sichtbares, tragbares Gehäuse
für eine Hostie sein, dem man im ganzen
einen architektonischen Charakter gab. Im
17. Jahrhundert wurde dieses Objekt zu
einem Strahlengebilde in Verbindung mit
allegorischen Figuren umgebildet. Diese beiden
an sich grundverschiedenen Möglichkeiten der
Ausbildung eines Gegenstandes, die auf ver-
schiedene Auffassung der gestellten Aufgabe
zurückgehen, sind erstaunlicherweise auf die-
sem Objekt zu einer künstlerischen Form
vereinigt worden. Diese offensichtliche Stil-
verbindung wurde aber durch die Heran-
ziehung eines weiteren Stiles noch bereichert:
Der Vierpaßfuß (Abb. in einer Form des
13. Jahrhunderts trägt Ornamente und Evan-
gelistcnsymbole in Emailarbeit im romanischen
Stil des späten 12. Jahrhunderts, wohingegen
die Widmungsinschrift am äußeren Rand
dieses Fußes aus Buchstaben besteht, die in
gewisser Anlehnung an eine spätgotische
Fraktur neu erfunden wurden. So diiTerent
diese einzelnen Elemente ihrer zeitlichen Zu-
ordnung auch sind, so ist doch im ganzen
ein durchwegs einheitlich wirkendes Gefüge
entstanden. Weniger augenfällig ist das gleiche
Phänomen an einer großen Silbervase (Abb. 4),
die Erzherzog Rainer, der Protektor des
Österr. Museums, diesem zum ZSjährigen
Bestand anfertigen ließ. Das Stück, eine sehr
aufwendige Treibarbeit von allerbester Quali-
tat, wurde 1889 von Stefan Schwarz ent-
worfen und ausgeführt. Auch hier handelt es
sich durch Auftraggeber, Verwendung und
Künstler um eine Spitzenleistung. Die Gesamt-
form der Vase entstammt den manieristischen
Formen der Zeit um 1600, wobei aber diese
Zeitbestimmung schon sehr weit genommen
werden muß, da sowohl Spätestrenaissance-
elemente des 16. wie Hochbarockforrnen des
17. Jahrhunderts Verwendung finden. Am
ausgeprägtesten ist diese Situation an den
Henkeln (Abb. 5) des Gefäßes zu erkennen.
Die beiden großen allegorischen Bilder (Abb. 6)
am Bauch der Vase -- Triumphator mit
Vietoria und Toilette der Venus 7 vor allem
das letztere, zeigen aber die Züge des Rokoko,
also den Stil der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die reiche Dekoration des Objektes besteht
aus einer äußerst geschickten Mischung aller
Ornamente vom späten 16. bis zum 19. Jahr-
hundert. Trotz dieser offensichtlichen Mi-
schung stilistischer Elemente aus zwei Jahr-
hunderten ist die Gesamtwirkung so ein-
heitlich, daß die Auseinanderlegung ihrer
Elemente erst bei genauerem Hinsehen
gelingt.
Für ein anderes Gebiet besonders aufschluß-
reich ist eine große Halskette (Abb. 7) nach
einem Entwurf von Josef Storck, die 1890
von Macht und Kleeberg ausgeführt wurde
und aus dem Besitz des Grafen Lanna stammt.
Wenn hier zwar nicht der Hof als Auftrag-
geber erscheint und der ursprüngliche Zweck
des Objektes unbekannt ist, so handelt es
sich doch um einen der bedeutendsten Künstler
auf dem Gebiet des Kunstgewerbes. Die im
Stil der Renaissance gearbeitete Kette besteht
aus perlenbesetzten Goldrahmen mit Email-
bildern und dazwischengeschobenen Stab-
gliedern, die alle eine reiche Mauresken0rna-
mentik zeigen, die stilistisch dem späten
16. Jahrhundert angehört. Die Kette aber ist
von vornherein auf zwei Ansichten, also
zwei Verwendungsmöglichkeiten konzipiert,
M-mwbmz im um Volivkiit'lir' VHH Heinrich von Fcntel.
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ruisuou ...
denn die Schvaarzvaeißemails der einen Seite
zeigen klassizistische Genien und weibliche
Köpfe im Stil der poiripejanischcn VUand-
malerei oder klassizistischcr (iemirien der
Zeit um 1800; die Buntemailbildcr (Abb. 8)
der anderen Seite aber barocke Liebespaare
und Landschaften im Stile der französischen
Malerei der ersten llälfte des 18. Jahrhunderts.
Auch hier also handelt es sich um die Kombi-
nation mehrerer Stile an einem Objekt und
um die Entstehung eines durchaus einheit-
lichen Gesamteindruckes trotz der großen
Verschiedenheit der einzelnen Teile. Das
gleiche Phänomen ließe sich nun an einer
Reihe von Objekten der zweiten llälfte des
19. Jahrhunderts ohne weiteres feststellen.
Ein sichcr sehr bedeutendes Stück auf diesem
Gebiet ist jene Schmuckgarnitur (Abb. 9),
die von dem Goldschmied ligger aus Budapest
im Jahre 1881 für die neuvermiihlte Kron-
prinzessin hergestellt wurde und die im Ge-
samteindruck den Schmuckarbeiten der rudol-
9