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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 79)

 
 
 
Verbindung dieser Bestleistungen eine neue 
„geläuterte" Form entstehen könne. S0 handelt 
es sich um „Kopie" nur in sehr beschränktem 
Maße. Das historisch: Bewußtsein und die 
Vorstellung von der Bedeutung der Tradition 
Waren, zumindest in den tonangebenden 
Kreisen, im Verlauf der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts so stark, daß man fest davon 
überzeugt war, diese Bestleistungen nur in der 
Form vergangener Zeiten zu finden, daß man 
aber gerade der Bedeutung der Bestleistungen 
nur dann gerecht werde, wenn man sie in 
neuartiger Weise untereinander verbinde; 
denn es handelte sich nie um die Wiederher- 
stellung jeweils einer Zeit in ihrer Totalität. 
Die Zeit des Historismus war von ihrer Neu- 
artigkeit ebenso überzeugt wie jede andere 
Epoche. Die Neuartigkeit aber bestand in der 
Verwendung aller Möglichkeiten, die die 
Geschichte überliefert, und in der Läuterung, 
in der sie gebracht wurden, eben nur „Bestes", 
bezogen jeweils auf die einzelne Aufgabe. So 
ist die Bekrönung der Monstranz gntisch, das 
heißt, im „besten" christlichen Stil gebildet, 
das Strahlende um die Lunula aber entliehen 
von der barocken Strahlenmonstranz und die 
Evangelistensymbole am Fuß romanischen 
Ursprungs; die Dekoration an Vase und 
Schmuck aus dem reichen „Ornamentschatf 
- auch ein Wort, das in der zweiten llälfte 
des 19. Jahrhunderts geprägt wurde - der 
späten Renaissance und des frühen Barock, 
Venus aber, oder ein Liebespaar, der spät- 
barocken und Rokokomalerei entnommen. 
Dieses Prinzip beherrscht sowohl das einzelne 
Objekt als auch das Aufeinanderbezogensein 
mehrerer Objekte, bei dem vor allem die 
Stilverbindung beabsichtigt war; dafür ist die 
Wiener Ringstraße in ihrer Gesamtheit sicher 
das beste Beispiel. Dieses Prinzip erfaßte die 
Architektur, die „dekorativen Künste" und 
alle jene Werke, die in einen geplanten Zu- 
sammenhang mit anderen gestellt werden 
sollten. Entziehen konnte sich diesem nur die 
höchste i „absolute" 7 Stufe des Naturalis- 
mus: der lmpressionismus in der Malerei. 

	        
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