kleinen Knaben im Hermannstädter Raub der
Helena, der stark an den Askanias in der
Flucht aus dem brennenden Troja erinnert.
Die Malweise der beiden Entwürfe in Karls-
ruhe, die durch das Auftragen heller Licht-
tupfen charakterisiert sind, ist zwar in dem
BrukenthaYschen Bozzetto vereinfacht und in
den koloristischen Mitteln beschränkt. Doch
ging wahrscheinlich vieles durch die Re-
staurierung am Ende des 19. Jahrhunderts
verloren, denn der jetzige Zustand des Ge-
mäldes ist nicht ganz befriedigend. Trotzdem
kann man auf Grund der Verwandtschaft mit
den Skizzen aus Karlsruhe und mit anderen
zeitgenössischen Werken Rottmayrs den Raub
der Helena aus Hermannstadt ungefähr in
die Mitte der neunziger Jahre datieren.
Viel reicher im Kolorit ist eine kleine, in den
Hermannstädter Katalogen seit dem Jahre 1844
als Werk eines unbekannten deutschen Meisters
angeführte Skizze zu einem runden Deckenbild
mit Oreithyias Entführung durch BoreaslS.
Die Mädchengestalt mit ihrem charakteristisch
naiven Puppengesicht, das so auffallend an
Helena erinnert und so viele Schwestern in
Rottmayrs Bildern hat, dürfte fast als Signatur
des Meisters gelten. Dazu treten noch die
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typisch Rottmayfschen Farben der Gewänder,
des weißen, mit roten und goldigen Blumen
besäten und mit einem dunkelblauen Saum
versehenen Mantels der Oreithyia und des in
stumpfem Rot gehaltenen Gewandes des
bärtigen Boreas. Das auffallendste an diesem
Bild ist die raflinierte Tönung des XVolken-
himmels, auf dem eine ganze Farbenskala
ausklingt, die von bläulichem Weiß und Gelb
bis zu goldigem Ocker reicht, stellenweise
mit einem energisch aufgetragenen kühlen
Blaugrau und Rosa unterrnischt, das wiederum
vom Inkarnat der Oreithyia, zumal von
Gesicht und Händen, reflektiert wird. In der
unteren Partie geht die Wolke in ein tiefes
Braun über. Die malerische Handschrift der
kleinen Skizze ist ungemein kräftig, sowohl
im Hintergrund als auch in der Modellierung
der voluminöscn Haupt- und Nebenfiguren,
der Putten und der musizierenden Mädchen
rechts unten.
Dieser Entwurf eines runden Plafondgemäldes
scheint im Vergleich zu der Entführung
Helenas einer späteren Entwicklungsphase
Rottmayrs anzugehören. Die koloristische
Fülle und energische Handschrift ist der
Ausdruck eines hochbarocken Strebens und
monumentaler Absicht, die von der dekora-
tiven Gliederung der Komposition gemildert
und durch zierliche Einzelheiten, zum Beispiel
das Muster auf Oreithyias Gewand, aufge-
lockert wurden. Diese Eigenschaften könnten
wohl Rottmayrs zweiter Stilphase entsprechen,
die Günther Heinz mit „Betonung des Ober-
flächenreizes bei Vernachlässigen des Körper-
kerns" charakterisiert und in die Jahre zwi-
schen 1697 und 1706 ansetztlö. Dennoch
wird man wegen der skizzenhaften Art des
Gemäldes, das zwar einen hohen Grad bild-
licher „Vollendung" aufweist, mit Versuchen
einer allzu eindeutigen Datierung und Ein-
reihung vorsichtig sein müssen. Da das
mythologische Thema selbst auf den Palast
eines weltlichen Fürsten hindeutet, drängt sich
der Gedanke auf, 0b es sich nicht um einen
Entwurf zu den mythologischen und alle-
gorischen Deckenfresken in der Durchfahrts-
halle des Wiener Gartenpalastes Liechtenstein
in der Rossau handelt, die Rottmayr im Sommer
des Jahres 1707 beendete, von denen eine
eigenhändige Anmerkung des Meisters besagt,
daß „die Figuren recht Leben gross sein in
Lufft und auif Wolkhen sein ober sich"17.
Aber nicht nur in bisher noch wenig erforsch-