AUS DEM KUNSTLEBEN
DAS ZEICHNERISCHE WERK VON GEORGE GROSZ
Als erfreuliches Beispiel nachahmens-
werterZusammenarbeitösterreichischer
Museumsdirektoren präsentierte sich
die von Walter Kasten, dem Leiter
der Neuen Galerie Linz. organi-
sierte George-Grosz-Ausstellung. Bis
einschließlich 21. März 1965 konnte
diese überaus eindrucksvolle und reich-
haltige Exposition in der Graphischen
Sammlung Albertina in Wien besichtigt
werden, im Anschluß daran wurde sie
in Ltnz (25. März bis 25. April 1965)
und in der Neuen Galerie am Landes-
museum Joanneum in Graz (30. April
bis 23. Mai 1965) gezeigt.
Die aus hundert Zeichnungen und
Aquarellen sowie vier Ölbildern be-
stehende Auswahl. deren Schwerpunkt
eindeutig und völlig zu Recht bei den
Blättern aus dem Berlin der zwanziger
Jahre lag. erfüllte zunächst einmal die
in sie gesetzten Erwartungen. indem
sie in gültiger Weise den Eindruck
bestätigte, den man vom Werk des
markanten Zeichners aus der Kunst-
geschichte und von der Literatur her
besitzt. Darüber hinaus vermittelte die
mit Kenntnis getroffene Wahl auch die
Bekanntschaft mit dem weniger und
kaum bekannten George Grosz. In
der Regel handelte es sich dabei um
besonders frühe Arbeiten aus den
Jahren 1914 und 1915. die interessante
Vergleiche mit Blättern bekannter Zeit-
genossen des Künstlers zuließen. Das
nach der im Jahre 1933 erfolgten
Übersiedlung nach New York ent-
standene, künstlerisch wenig bedeut-
same spätere Werk wurde in dieser
Ausstellung nur mit zwei Proben ge-
streift.
George Grosz, 1593 in Berlin geboren,
1909 Schüler an der Königlichen Kunst-
akademie in Dresden, begann seine
Laufbahn als Karikaturist. im „Ulk",
im .,Berliner Tageblatt" und in den
..Lustigen Blättern" (für diese Zeit-
schriften arbeitete zum Teil auch
Lyonel Feininger) erschienen ab 1913
ständig Zeichnungen von seiner Hand.
Von 1914 bis 1916 sowie in den Jahren
1917 und 1918 diente der Antimili-
tarist George Grosz als lnfanterist. Über
diese Schreckenszeit. die auf die The-
matik des Künstlers wesentlichen Einfluß
hatte. schrieb er, der nach Kriegsende
auch an den politisch stark gefärbten
Aktionen der Dadaisten in Berlin teil-
nahm. selbst: ,.Für mich war .Kunst'
damals eine Art Ventil, ein Ventil, das
den angestauten heißen Dampf ent-
weichen ließ, Hatte ich Zeit, so machte
ich meinem Groll in Zeichnungen Luft.
in Notizbüchern skizzierte ich.was mir
an meiner Umgebung miBhel: die
tierischen Gesichter meiner Kameraden,
böse Kriegskrüppel. arrogante Offi-
ziere. geile Krankenschwestern usw."
Das Pharisäertum der Spießer. das
Tun der Schieber, Kapitalisten. Dirnen
und Lumpen, die doppelbödige Moral
der Politiker. all das nahm Grosz
zeitlebens aufs Korn. Mit scharf und
ätzend zupackendem Strich hielt er in
ungemein direkter Art seiner Zeit den
Spiegel vors Gesicht. Dabei wurde
nichts beschönigt. beiseite geschoben
oder verschleiert, nichts ohne innere
Beteiligung getan. Und es war daher
nur natürlich. daß Grosz wegen all
dieser unangenehmen Wahrheiten, die
er in offener, schockierender Art unter
das Volk brachte. angefeindet. ja
selbst mehrfach vor Gericht zitiert und
bestraft wurde.
George Grosz war zweifellos mehr als
HUNDERTWASSER IM MUSEUM DES 20. JAHRHUNDERTS
Österreichs gleichermaßen erfolgreich-
ster wie eigenwilligster Maler der
Gegenwart, der 1928 in Wien geborene
Friedrich Stowasser. unter dem 1949
selbstgewählten Namen Fritz Hundert-
wasser heute weltberühmt und bekannt,
hat lange darauf warten müssen, um
auch hierzulande jene Anerkennung
und Wertschätzung zu erfahren, die
ihm in Kunstzentren des Auslandes
schon Jahre früher entgegengebracht
wurden. Seit dem Jahre 1962 aller-
dings, in dem prachtvolle Bilder Hun-
dertwassers als offizieller Beitrag unseres
Landes zur Biennale nach Venedig
entsandt wurden und dort erwartungs-
gemäß außerordentliches lnteresse her-
vorriefen, wird der von Kunsthistorikern
gerne als legitimer Klimt-Nachfolger
apostrophierte Maler auch in seiner
Heimat von einem verhältnismäßig
breiten. kunstinteressierten Publikum
akzeptiert. Man freut sich darüber, in
ihm einen hochbegabten, extravagan-
ten Künstler zu besitzen (diese Extra-
vaganz reicht von der auffallenden
Kleidung bis zum sehr subjektiven
Malstil), den die Welt schätzt, was
nicht zuletzt darin zum Ausdruck
kommt, daß für seine Bilder heute
Preise bezahlt werden müssen. die
auch dem weniger Kunstsinnigen plau-
sibel machen. daß an der Malerei
dieses Mannes etwas dran sein rnuß.
Seine herausfordernden. im Prinzip
vielfach grundgescheiten Katalog-Pla-
SO
kate und Manifeste früherer Jahre
(Art Club 1953. Galerie St. Stephan
1957. Kloster Seckau 1958). die Hun-
dertwasser im Zeitpunkt ihres Er-
scheinens regelmäßig Ablehnung und
Empörung beinahe aller mit Kunst
befaßter und nicht befaßter Wiener
Stellen eintrugen. erwiesen sich - wie
man heute leicht feststellen kann -
im harten, mit Berechnung, Raffine-
ment und beneidenswerter Ehrlichkeit
(das mag vielleicht paradox anmuten,
trifft jedoch ebenfalls zu) geführten
Erfolgsstreben als zielführende Strate-
gte.
Mit der schon lange geplanten, von
Dr. Wieland Schmied, dem Direktor
der Kestner-Gesellschaft Hannover, zu-
sammengestellten Wanderausstellung
lud irn Februar und März auch das
Wiener Museum des 20. Jahrhunderts
zu Hundertwasser-Festwochen ein. Von
einem mit 24 Farbklischees ausge-
statteten, prächtigen Katalog begleitet
(ein Bilderbuch, das über die Malerei
des heute abwechselnd in Paris und
Venedig lebenden Wieners mehr aus-
sagt als noch so tiefschürfende Ab-
handlungen), gab die labyrinthähnlich
gehängte Schau anhand von nicht
weniger als 132 größtenteils erst-
rangtgen Exponaten einen treffenden
Einblick in das bisherige Gesamt-
werk.
Hundertwasser ist sicherlich kein guter
Zeichner. dafür jedoch der sensibetste
,.nur" ein Karikaturist, von dem sich
sagen ließe. daß seine künstlerische
Entwicklung ein Opfer der Tages-
politik wurde. Seine künstlerische Po-
tenz, die in Hunderten grandioser
Zeichnungen und Druckgraphiken be-
ständigen Niederschlag fand, die scho-
nungslose Offenheit. mit der er zu
demaskieren wußte, stellt ihn vielmehr
in die erste Reihe jener, die es sich
erlauben konnten, auch tn der Kunst
Gesellschaftskritik zu üben. weil sie es
mußten. Heute. wo manches Problem,
das George Grosz aufwarf. in dieser
Form nicht mehr existiert und man im
Hinblick auf das Aktuelle umzudenken
genötigt ist, erkennt man allerdings
den künstlerischen Rang vieler seiner
Zeichnungen erst recht.
Als Maler besitzt George Grosz im
allgemeinen weniger Bedeutung. Zahl-
reiche Aquarelle sind bloß kolorierte
Zeichnungen, denen die Farbe mtt-
unter mehr schadet als nützt. Doch
man erlebt selbst hier vereinzelt ge-
waltige Überraschungen. Die „Stützen
der Gesellschaft", ein zwei Meter hohes
Ölbild aus dem Jahre 1926, das zu
den bedeutendsten Exponaten der Aus-
stellung zählte, erfährt durch die Farbe
sogar künstlerische Steigerung und
geistige Ausweitung hinsichtlich der
aufgeworfenen Problematik.
Das Oeuvre des 1959 verstorbenen
Künstlers, dessen graphischen K.o.-
Schlägen in der Kunst des 20. Jahr-
hunderts eine ungewöhnlich markante
Stellung zukommt und die bis heute
keine ebenbürtige Nachfolge gefunden
haben. erfuhr durch die von einem
erstklassigen Katalog begleitete Wan-
derausstellung die in unserem Land
schon längst fällige Zurkenntnisnahme.
Kotorist. den man sich vorstellen kann.
Nicht minder virtuos in der Kompo-
sition und im improvisatorischen Er-
finden bildhafter Formen. gelingen ihm
Bilder. die jeden, der bedingungslos zu
sehen bereit ist, begeistern. Der be-
sonders ausgeprägte Hang zum Deko-
rativen und die Art und Weise. in der
der Künstler ihm stattgibt. arten niemals
in stereotype Wiederholungen aus, was
bei rund 400 "Spiralbiidern", die
bisher entstanden, zweifellos eine im-
ponierende Leistung darstellt. Jedes
seiner Gemälde, das jeweils einen sehr
konkreten, humorvollen Titel erhält.
der sich trotz der Hhalbabstrakten"
Manier, in der Hundertwasser malt, sehr
genau nachprüfen läßt. ist ein völlig neu
geschaffenes. mit mannigfachen formalen
und koloristischen Überraschungen aus-
gestattetes schöpferisches Ganzes.
Qualitätsminderungen, die sich bei dem
einen oder anderen Bild neueren
Datums feststellen ließen und die auch
wiederholt AnlaB zu Diskussionen ga-
ben. taten der imponierenden Schau
kaum Abbruch. Lediglich die Art und
Reihenfolge der Hängung gab Anlaß
zu Einwänden. denn hätte man tat-
sächlich - wie angegeben wurde -
eine der spiraloiden Malctrt des Künst-
lers entsprechende Präsentation ris-
kieren wollen. so wäre ein labyrinth-
artiger Gang wohl die am ehesten
adäquate Lösung gewesen.
Peter Baum
Die Wiener und tttrd Museen
Wie das Bundesministerium rur Urt
bekanntgtbt. wurden in den ihm untdt
den Slüüllichtn Kunstsammlungen
Monaten Januar ss 832 tdbruar 4st
März es 092 Besucher gezahlt.
Bildtexte 1-10 (Abb. 6-10 S. S2)
1
5
9
10
George Grosz. Passanten. Rar
Tusche-Zeichnung, 1926. (Aus d:
Stellung in der Albertina, Wien)
Heinrich Friedrich Füger. Selbst
Aquarellmintatur auf Elfenbein
9,3x7.3 cm. Besitz der Albertin
der Ausstellung in der Alberlind.
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wasser" im Museum des 20. Jc
derts, Wien
Helmut Leherb. "UHOROSCC
DERNIER SlECLE". 195971963
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nien (SIEHE Besprechung Seite s.
Einblick in die Gemäldegalerie d
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Salzburger Privatbestlz. (Zur Ada
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1963, ot aut Leinwand. 99m0 ct
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