DAS NEUE JÜDISCHE MUSEUM lN WIEN
Im Erdgeschoß des Desider-Friedmann-
Hofes. einem schlichten modernen
Wohngebäude im Stile der Wiener
Gemeindebauten, Ecke Tempelgasse-
Ferdinandstraße. ist in zwei Räumen
das kleine, im Dezember 1964 eröffnete
Jüdische Museum untergebracht. Für
seine Gestaltung zeichnen Architekt
Sussmann und Herr Blaha von der
Kultusgemelnde verantwortlich. Das
Wohngebäude, von dem wir sprachen.
erhebt sich an der Stelle, an welcher
bis 1938 eine der reprösentatlvsten und
baulich interessantesten Synagogen
Wlens gestanden war. Sie fiel der
nKristallnacht" zum Opfer; damals
wurde auch das alte, große jüdische
Museum aufgelöst, das eines der größten
und berühmtesten seiner Art gewesen
war. Vieles aus seinen Beständen
wurde geplündert, einiges gelangte ans
Museum für Völkerkunde, aber so
manches kostbare und verehrungswijtr-
dige Kultobjekt wurde vor dem Zugriff
der Nazis versteckt. Nach dem Krieg
stellte das Völkerkundemuseum die
NEUES UND INTERESSANTES AUS DER
INTERNATIONALEN KUNSTWELT
Die Gesamtkosten der vorjahrigen docu-
menta lll beliefen sich auf insgesamt 2 Nlil-
llonen DM. Der ursprüngliche Kostenvor-
anschlag wurde dainii urn rnenr als
aoo 000 DM überschritten,
Ein van der Firma Oetker gestittetes modernes
Museum erhalt in Kürze die Stadt Bielefeld.
Die Plane für den Museurrlsbau (Gesamt-
fliiche: S000 Quadratmeter, davon 1113 Qua-
dratmeter reine Ausstellungsfläche) stammen
von dem bekannten amerikanischen Archi-
tekteri Philip Johnson. einem Schuler. Freund
und Partner Mies van der Rohes.
145 Mlllianen DM betrug der Jahresumsatz
des Londoner Auktionshauses Sotheby in der
Saison 1963m. Von dieser surnrne starnrnen
allein 45 Millianen DM aus dem Verkauf von
Kunstwerken aus amerikanischen Samm-
lungen.
(Fortsetzung s. 5st
ERFOLGE CU RT STENVERTS
in den Galerien Niepel (Dusseldorf) und
Benjamin Katz (Berlin) zeigte der Wiener
Kurt Sienvert im März und April dieses
Jahres jeweils eine Auswahl seiner neuesten
zeitkritischen Arbeiten. Beide Ausstellungen
wurden von Dr. Wieland Schmied, dem
Direktor der Kestner-Gesellschaft. Hannover.
eroffnel. Slenverls ,.Menschliche Situationen".
die in einem Artikel Dr. Kdllers im Heft 78
unserer Zeitschrift ausführliche Würdigung
fanden, stießen in Deutschland auf unge-
wöhnliches lnteresse. ln Berliner und Düssel-
dorfer Tageszeitungen erschienen nicht
weniger als siebzehn. zumeist lTitt Photos
versehene. durchweg aasitiv gehaltene
kritische Besprechungen. Rundfunk, Fern-
sehen und Wochenschau widmeten den
Ausstellungen Stenverts. die beim breiten
Publikum die unterschiedlichsten Reaktionen
hervorriefen. ausführliche Berichte. Von
privaten Sammlern. Kunslhandlern und
Museen wurden insgesamt 14 Arbeiten an-
gekauft.
Die im folgenden auszugsweise wiederge-
gebenen Pressestimmen können als reiirüsen-
tativ für das Echo der Fachwelt angesehen
werden:
,.Der Tagesspiegel", Berlin (Heinz Ohff):
..Stenvert ist der Kabarettist unter den
Pop-Artisten. Er konfrontiert seine Mitwelt
mit 39 ,Menschlichen Situationen". die schwar-
zen Humor, oder vielleicht besser: schwarzen
Witz, in einer derartigen Fülle von Einfällen
Gusbreitcn, als gelte es. dem Jungsten Ge-
rücht' Konkurrenzzu machen. Daniel Saaerri.
das ungekrdnte Oberhaupt dieser Richtung,
wirkt armselig in seiner Erfindungskraft
neben ihm. Hier tritt eine Pointe der anderen
ihm überantworieten Kultgegenstände
wieder an die lsraelltische Kultus-
gemeinde zurück: im Verein mit den
im Untergrund herübergeretteten Ge-
genständen ergab sich ein immerhin so
umfassender Bestand. daß es unmöglich
war. ihn ln den beiden zur Verfügung
stehenden Räumen ctes Museums zu
zeigen. Man denkt daher an Wechsel-
ausstellungen. die das Sammlungsgut
nach der Ordnung des jüdischen Jahres
präsentieren sollen.
Die Mehrzahl der Gegenstände stammt
aus Synagogen Wiens und Nieder-
österreichs. Es handelt sich ausschließlich
um Kultgegenstände. also um Mesusahs
(,.Haussegen"). Thorarollen mit ihren
Schmuckzutaten, den Handglocken,
Thoraschilden und Thoramänteln, um
Kiddushbecher. um Menorah- und
Chaukka-Leuchter sephardlscher und
ashkenasischer Provenlenz, um Ge-
betsmäntel und Sammelbüchsen für
fromme Vereinigungen und Begräbnis-
gesellschatten.
PERSONALIA
14. Februar: Akademieprofessor Dr. Robert
Elgenberger vollendete das 7s. Lebensjahr.
teeo iri Sedlitz bei BFUX gebaren, studierte
er in Prag. Munclien, Gatiingen und Berlin
Kunstgeschichte und erwarb den Doktorgrad
an der universitat Prag. seil 1913 geliarie
er der ZK fur Denkmalpflege in wien an,
seit 1917 wirkte er als Kustas an der Aka-
demiegalerie. deren Direktor er 1922 wurde.
1934 wurde er zurn a. a. Professor ernannt.
nach 1945 widmete er sich ganz dern Ausbau
der Meisterschule iur Technologie und
kanservierung, Eigenberger, der iri allen
einschlägigen Sparten handwerklich voll-
karnrnen ausgebildet war. wirkt auch als
freischaffender Künstler; er stellte unter dem
Namen „Karl Reigen" aus. 1930 eriiielt er
iur eine Gemaldekollektlon den Staatspreis
weltweit bekannt ist Elgenbergers Tatigkett
als Kunstexperte, Derzeit arbeitet der Ge-
lehrte an einem urntassenden werk über
(Fortsetzung s. 5a)
auf die Fuße, narrlsch-hinlergrundlge Pau-
kenschläge, eine pauscnlose intellektuelle
Bütterlrede in Pop, ganze Heerscharen von
dadaisttschcn Elferraten in verlegenlielt
setzend ab der handwerklichen Gewissen-
haitlgkeil, mit der dieses ebenso iriakabre
wie amüsante Schauspiel - halb Pose, halb
engagierte Zeitkarikatur -- in szene gesetzt,
und das heißt hier: in Kästen genagelt,
geleirni. gemalt. erdacht und gegeneinander
ausgespielt erscheint."
.,Rheinische Post": .,Stenvert gelingt es.
reale Situationen sichtbar zu machen, den
Beschauer an die rragwurdigkeit und ver-
günglichkelt aller Existenz zu erinnern."
IIDOB viele seiner Arbeiten rnonstrose
kuriasiidtenkabinetle sind, das Air nirrilseiier
Gruselkarrlmern und aueti deren Koketterie
haben, ist lediglich eine Frage des Materials
und des Geschmacks. Sie steht an zweiter
stelle hinter der Aufrichtigkeit von Stenverts
lnlentionen."
..Der Abend". Berlin: .,Der Abstand zwischen
witziger Kitschkunst van Kurt Stenvert
(Galerie Katz) und Pariser Neu-Individualis-
mus wird zur unüberbrückbaren klutt
zwischen einem souverän ironisch wirkendern
Geist und bluffertden Blendern." (Anmerkung
der Redaktion: zur selben Zeit fand in der
Berliner Galerie von iris clerl eine Aus-
stellung der "Neo-lndividuallsten", u. a.
Fantana, Klein, Kalinowski, statt, auf die der
Rezensent des "Abend" Bezug nimmt.)
Kategarische Ablehnung tanden - wie
könnte es in einem Kollektivstaat auch anders
sein - Stenverts Arbeiten lediglich in einer
ost-Berlirier Tageszeitung, die es sich riirht
nehnien liett, einen geeichten „Kunstkritiker"
in die Galerie Katz abzukammandieren.
Peter Baum
Österreichischer Geschmack - lniernatlanale Produktionsertahrung
Die Tepplchfabrik Karl Evbl mit ihren Werken in Krems und Ebergassing. Niederösterreich-
produzierte im Jahre 19641,? Millionen ml Teppiche und Teppichboden. 30V, der Produktion
wurden exportiert. Derzeitsind rund 1000 Arbeiter und Angestellte in beiden Werken beschattigt.
Der Jahresumsatz betrug 220 Millionen Schilling und liegt damit urn rund 101, uber dem des
Vorjahres. Für die Frankfurter rruiiiahrsrnesse wurden varri Werk Eborgassing insgesamt
10 neue Dessins in 11 Farbstellungen ausgemustert. Besonders zu erwahnen sind die schweren,
teinnaaaigen Hachflartepptche Amore in modernem stii. Auffallend in der neuen kallektian
von Eybl ist das Vorherrschen satter Gdldtane. sowohl bei Bordürenteppichen als auch bei
dem sgaenannlen Ushak. varn Werke Krems, das sich mit der Herstellung von l-lartfaser-
teppichcn beraitt. wurden für die Produktion 1965 insgesamt 2a neue Farbstellungen und
Dessins entwickelt. Evbl ist Mltgltcd der Blgelcw-lnternationcil-Group. einer weltweiten Orga-
ritSCltiOrt fuhrender Tepplchproduzcnten und dadurch in der Lage, stets die neuesten Ergebnisse
der Forschung und Entwicklung in seiner Erzeugung anzuwenden und auch den asterreiehiselien
Geschmack in seinen Kollektionen international zur Geltung zu bringen.
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Das Museum ist in seiner Gesamtheit
ein Welheraum; eine schlichte Nische
mit Vitrinen, die Bauschutt von War-
schauer Märtyrerstätten beherbergeni
mahnt an das grenzenlose und un-
menschliche Unrecht. dessen Opfer
unsere jüdischen Mitbürger waren.
Das Museum ist Dienstag bis Donners-
tag von 15 bis 1B Uhr und am Sonntag
von 10 bis 12 Uhr bei freiem Eintritt
geöffnet. Für sachkundige und unent-
geltliche Führung lSl gesorgt.
In den Tagen. da diese Zeilen ge-
schrieben wurden (Ende März). erregte
der Skandal um den H0chschulpro-
fessor Tarcls Borodaikjewicz und seine
antisemitischen Gefolgsleute die Gemü-
ter. Den nicht wenigen Studenten, die
den lrrlehren dieses merkwürdigen Päd-
agogen auf den Leim gegangen sind.
wäre ein Besuch des jüdischen Museums
nicht weniger zu empfehlen als ein
Rundgang durch die Auschwitz-Aus-
stellung.
Ernst Köller
DR. ALOIS ROTTENSTEINER m PROFESSOR
Der verewigte Bundespräsident Dr, Adolf
Scharf hat - in einer seiner letzten Amts-
handlungen m dem Produktionsleiter des
Osterreieiiisehen Bundesverlages. Dr. Aiais
F. Rottenstelner. in Würdigung seiner Ver-
dienste den Berufstitel Professor verliehen.
Professor Dr. Rottensteiner hat sich nicht nur
als Verlags- und Druckfachmann. sondern
auch als Autor um das österreichische Kinder-
und Jugendbuch verdient gemacht: Er schrieb
zahlreiche Kinderbücher, darunter die mehr-
lach preisgekrönten "Krikl-Bücher" und das
mit dem osterreichischen Staatspreis für
Kinderliteratur ausgezeichnete ,._Dle stille.
die heilige Nacht". Auch als Uberselzer.
Herausgeber und Bearbeiter hat sich Professor
Rotiensteiner einen Namen gemacht. Als
Buchgestalter trat er irn letzten Jahr be-
sonders mit den beiden vom Österreichischen
olvrnaisehen carnite herausgegebenen Wer-
ken ,.olvniaia lnnsbruck 1964" und „Olym-
aid Tdkia 1964" hervor.
ALFRED HRDLICKA IN ROM UND
DEUTSCHLAND
Der 37iährige österreichische Bildhauer und
Graphiker Alfred Hrdlicka. der zuletzt auf
der Biennale von Venedig Aufsehen erregte,
stellte im Mai dieses Jahres in der Galerie
Penelope in Rom aus.
In München wird Hrdlicka von Juli bis
September mit einer großen Schau von
Blldhauerwerken im Haus der Kunst vor-
gestellt. Zur gleichen Zeit zeigt die Münchner
Seccssion in einer Graphik-Sonderschau das
graphische Werk. Von August bis September
präsentiert die Münchner Neue Galerie
Klelnplastiken und Graphik l-lrdlickas.
lrri Kunstverein in Stuttgart, wo im ver-
gangenen Jahr Rudolf Hoflehners werk zu
sehen war, wird im Jännor oder Marz 1966
eine Ausstellung veranstaltet werden, die das
Material der drei verschiedenen Münchner
Ausstellungen uintattt.
MICHAEL OSTWALD
Im lahre 19s2 kam wien uin eine inter-
essante Ausstellung: der 1926 geborene
Berliner Maler hatte geaiant, in der Galerie
Fuchs eine Auswahl seiner Ecderzelchnungen
und Ölgemälde zu zeigen. Während des
Hangens drangen kampfesluslige Elemente
in die Räumlichkeiten, richteten Unfug an
und brachten den Künstler so weit. seine
Ausstellung buchstabllch irn letzten Nloment
abzusagen. lm Oktober 1951i hatte er wieder
Gelegenheit, sich dem Wiener Publikum
in der Galerie Junge Generaiian zu steilen.
Er zeigte Dichlerporträts. die zum Teil in
der von ihrn entwickelten Technik des
"Anatomismus" (also in der Art der „Muskel-
mönner" der Renaissance und der ana-
lamischen Sludlentafeln) gezeichnet worden
waren und halte insofern großen crteig,
als die Albertina zwei Arbeiten und das
Historische Museum der Stadt Wien ein
Blatt erwarben.
oslwaids stil ist hart, direkt, zupackend,
nüchtern und sorade. Elnflussc von Kokoschka
und Kubin. vielleicht auch von Weber. sind
unverkennbar. werden aber in ganz per-
sönlicher Weise verwertet. Das. was wir
Wiener als „berllnerlsch" empfinden, eben
die Rasanz des Zugreifens. lsl bei Ostwald
ganz evident.
Zu seinen oriqinellsten Leistungen zahlt der
Band "Dichterbosuche". der bei Orell fussli
in Zürich erschien und ein Frage-Antwort-
Spiel mit zeichnerischen Deutungen ver-
bindet. Ernst Koller
Abbildungen e-tn
(Bildtexte siehe s. so)