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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 80)

NoelJ reelztgeiilg vor Beginn der großen Anstellung im Slifl XI. Florian „Die Kunst der Danauxelxule 1490- 1540" 
errelzien im Bruekmann- Verlag, Müneben, van Prof. Dr. Alfred Slange da: grundlegende Werk hierzu unter 
dem Titel „Die Malerei der Donamrbule". Da wir Prof. Xtange reif jabren {u unreren prominenten Mit- 
arbeitern {äblen dürfen, haben er und der Verlag Jirll hereii erklärt, einige Parragen au: diexem Buch a]: Einfüll- 
rung zum Tbemenkrei: de: vorliegenden Hefie: zur Verfügung zu xlellen. Die Redaktion in hierfür dem Autor 
und dem Brurkmann- Verlag zu großem Dank oerpfiiebtel. 
DIE DONAUSCHULF. 
Die Donauschule - so werden die Maler 
genannt, die im ersten Viertel des 16. Jahr- 
hunderts in Regensburg und Passau, in Krems 
und Wien und wohl auch in einigen anderen, 
noch auszumachenden Städten tätig gewesen 
sind: Albrecht Altdorfer und sein Bruder 
Erhard, Wolf Huber, der Meister des Pulkauer 
Altars, der nach einer von ihm mit höchst 
eigenwilligen Federzeichnungen ausgestatteten 
Handschrift neuerlich auch als Meister der 
Historia Friderici et Maximiliani angesprochen 
vaird, der temperamentvolle Reißer der Holz- 
schnittfolge der Wunder von Mariazell, der 
auch ein begabter Maler gewesen ist, daneben 
zahlreiche kleinere Talente, wie Michael 
Ostendorfer, Nikolaus Kirberger, der Mono- 
grammist J., Hans Pruckendorfer, der eigen- 
willige Maler der Kremsmünsterer Katharinen- 
legende, der Meister des Weiser Scheibell- 
Epitaphs. Es mag der Hinweise genug sein. 
Aber sogleich sind noch einige ältere Meister 
zu nennen, die man als die Patres bezeichnen 
darf: Lucas Cranach der Ältere, der während 
seiner Wiener Jahre den Donaurnalern die 
Ausdrucksmittel geprägt hat, Jörg Breu, der 
etwa gleichzeitig einige erregend kompo- 
nierte Altäre in Niederösterreich gemalt hat, 
und Rueland Frueauf der Jüngere, den man 
den letzten Legendenmaler nennen möchte. 
DIE DONAUMALER 
Die Donaumaler waren die Landschafter im 
Kreise der deutschen Künstler. Wohl ist das 
Landschaftsbild auch anderwärts gepflegt wor- 
den, es braucht nur an die Aquarelle und 
Zeichnungen Dürers erinnert zu werden, aber 
für sie war die Landschaftsmalerei das Herz- 
stück ihrer künstlerischen Bemühungen. Alt- 
dorfer hat die ersten autonomen Landschafts- 
bilder gemalt, er und Wolf Huber haben 
mehr Landschaftszeichnungen hinterlassen i 
wenn sie zum Teil auch nur als Kopien zu 
uns gekommen sind i als alle anderen 
deutschen Meister und Schulen, und ihre 
Zeichnungen müssen früh schon begehrte 
Objekte für Sammler und Liebhaber gewesen 
sein. Nur so lassen sich wohl die vielen 
Kopien erklären. Mehr noch, sie sahen, was 
immer sie zeichneten oder malten, wie eine 
Landschaft. Sie sahen die Dinge, mag es ein 
Baum, eine Burg oder ein Gesicht gewesen 
sein, so, weil sie alles wie ein Gewächs be- 
griffen, weil ihnen das Kleine und das Große, 
das Gewachsene und das Gebaute Teile des 
allumfassenden Kosmos waren. Nur im Zu- 
sammenhang des Alls vermochten sie das 
einzelne zu verstehen. 
2 
DIE ZEIT 
Die Zeit war dennoch nichts weniger als 
geruhsam. Das Reich war von je in der Krise. 
Im Widerstreit mit den landschaftlich-dynasti- 
schen wie den städtisch-demokratischen Mäch- 
ten wurde es nun auch innenpolitisch zer- 
schlagen, nachdem es seinen Führungsanspruch 
in Europa und in der Ecclesia langst verloren 
hatte. Die Kirche ihrerseits büßte durch die 
Schismen, Avignon, die Konzilien, Wiklif 
und Hus erschreckend an Autorität ein. Nicht 
weniger wirkten die neuen Wirtschaftsformen 
des Friihkapitalismus, nicht weniger die neuen 
Denkformen des Voluntarismus und des 
Empirismus als Sprengstoffe. Der alte Ordo- 
Gedanke hat seine Allgemeingültigkeit ver- 
loren, wie kein mittelalterliches zuvor war 
das 15. Jahrhundert vielgestaltig und wider- 
spruchsvoll. 
DIE FRÖMMIGKEIT 
Zum anderen war das 15. Jahrhundert eine 
fromme Zeit. Aus überzeugtem Glauben ver- 
anlaßte Stiftungen wohltätiger Art begegnen 
in großer Zahl, Stiftungen von Altarwerken, 
Epitaphien und vielem anderen füllten die 
Kirchen. Kaum abschätzbar war die Zahl der 
Bruderschaften, die alle ihre Ordnungen, Tage, 
Häuser, Kapellen und Altäre hatten. Welt- 
liches und Kirchliches waren unlösbar ver- 
knüpft. Freilich darf nicht übersehen werden, 
daß diesem kraftvollen Gebets- und Tat- 
glauben als dunkle Kulisse Hexenwahn und 
seltsame Ausbrüche der Angst gegenüber- 
standen. ln den Kirchen wurden blutschwitzen- 
de Hostien gefunden. Juden wurden der 
Hostienschandung verdächtigt, am Himmel 
wurden blutige Kreuze und Lanzen gesehen, 
Flagellanten durchzogen das Land, falsche 
Propheten tauchten auf. Es gab mancherlei, 
was erschrecken laßt. 
DIE APOKALYPSE 
Das edelste Zeugnis der Stimmung dieser 
Jahrzehnte hat uns Albrecht Dürer in den 
Holzschnitten der Apokalypse geschenkt. 
Dürer leitete mit der Apokalypse eine Epoche 
deutscher Kunst ein. Sie war eine Aussage, 
die weit über Nürnbergs Mauern gültig, sie 
war eine Aufforderung, die alle Künstler zu 
einem neuen Schaffen aufrütteln mußte. Schon 
das Thema war bedeutsam. Er gab mit ihm, 
was der Zeit not tat, indem er die Visionen 
des Johannes veranschaulichte, wie ihm der 
Herr das Ende der Welt kundtut und das 
Gericht und die Zeichen, die ihm voran- 
gehen. Nicht minder bedeutsam waren, sind 
noch heute das ungewöhnliche Format und 
die volkstümliche Technik, die vielfache Ver- 
vielfältigung erlaubte. Und dazu die glühende 
Sprache der Linienführung, so daß es oft 
den Anschein hat, als ob die Zeichnung koche 
und Walle. Dürer respektierte die Wirklichkeit 
mehr als jeder Maler zuvor. 
DIE DEVOTIO MODERNA 
Neben dieser apokalyptischen gab es um 1500 
aber auch eine stillere Stimmung in Deutsch- 
land. Sie kam sehr unmittelbar aus der welt- 
flüchtigen Mystik, obwohl sie mitunter wie 
deren Umkehr erscheint. lis ist die Devotio 
moderna. 
Ihre edelste Blüte fand die Devotio moderna 
im frühen 15. Jahrhundert in der „Irnitatio 
Christi" des Thomas von Kempen (1379 bis 
1471). Wie die „Theologia deutsch" wollte 
auch die „lmitatio Christi" keine tiefgrün- 
digen Spekulationen vermitteln, sondern eine 
schlichte Innerlichkeit und heilige Freude 
ehren. Man sollte nicht zu hoch von sich 
denken und sich nicht wegen seiner Kunst 
oder Wissenschaft erheben, sich vielmehr 
wegen der verliehenen Einsicht fürchten und 
sein Unwissen bekennen. Man sei nicht 
stolz auf die guten Werke; wohin man auch 
immer läuft, Ruhe wird man nur im demütigen 
Gehorsam finden. - Viel wirkt, wer es aus 
Liebe wirkt; rechte Liebe vereinigt mit Gott. 
-- Man kann nicht immer auf den höheren 
Stufen der Beschauung leben, muß auch 
niedrige Dinge und die Last des gebrechlichen 
Lebens tragen. ; Die Natur, die Heilige 
Schrift und alle Kreaturen soll der Mensch 
studieren und aus ihnen Nutzen ziehen, aber 
nicht mehr, das heißt, er soll in geistiger 
Mäßigkeit leben. 
DER REALISMUS UM 1500 
So kam es, daß das, was man gemeinhin als 
Mittelalter bezeichnet, in Deutschland länger 
als in Italien lebendig geblieben ist und das 
Kunstschaffen einen religiösen Charakter noch 
bis ins 16. Jahrhundert bewahren konnte. 
Selbst Dürers Bildnisse machen sichtbar, daß 
das Stifterbild ihr Ahne gewesen ist. Wie 
dieses bergen sie weniger Geheimnis des 
menschlichen Charakters und des irdischen 
Schicksals als das des metaphysischen Ur- 
grundes. Realismus bedeutet in Deutschland 
auch noch um 1500 etwas anderes als in 
Italien. Um es auf eine knappe Formel zu 
bringen, er, der Realismus, begriifin Deutsch- 
land die Welt als eine Äußerung Gottes in 
Raum und Zeit, vielleicht als ein ewiges, 
gewaltiges Schöpfungsereignis, vielleicht als 
ein ewiges Werden der Ultima materia aus der 
Prima materia. Dies war das besondere An- 
liegen der Donaumalerei.
	        
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