Nr. 13
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Internationale S a m ni 1 e r - Z e i t u n g.
Chronik.
Ansichtskarten.
(Das vierzigjährige Jubiläum der An
sichtskarte.) Zu Beginn der Reisezeit im Jahre 1872 er
schienen die ersten Ansichtskarten. Wer ihr Erfinder war,
läßt sich nicht mehr feststellen. Die ersten Bilderkarten haben
jedenfalls Zeichenkünstler angefertigt) indem sie Korrespon
denzkarten statt mit Text, mit Zeichnungen versehen, an ihre
guten Bekannten abfertigten. Nachdem so die Idee gegeben
war, bemächtigte sich gar bald die Industrie der dankbaren
Aufgabe, Bilder auf Karten zu drucken. Der kolossale Auf
schwung, den die Verbreitung der Ansichtskarte nahm, läßt
sich nur nach der Statistik der Postkarten schätzen. Es wer
den bei den Postanstalten die Ansichtskarten nicht separat,
sondern mit den Korrespondenzkarten zugleich ausgewiesen.
Für 1909 wurden 500 Millionen, um 30 Millionen mehr als für
1908, und für das Jahr 1910, das letzte Jahr, für das voll
ständige Zählungen vorliegen, um 10 Millionen mehr, also 570
Millionen Postkarten gezählt (gegen 11 Millionen im Jahre
1871). Vergleicht man damit die. Steigerung des Briefver
kehres, so bleibt die Verhältniszahl weit zurück, da die Ge
samtzahl aller Briefsendungen vom Jahre 1870 mit 130 Mil
lionen nur auf 1800 Millionen : m Jahre 1910, also nur um etwa
das Zwölffache gestiegen ist. Man wird nicht fehlgehen,
wenn man die unverhältnismäßige Steigerung des Postkarten
verkehres, die mehr als das Fünfziglache beträgt, auf Rech
nung der Ansichtskarte setzt.
Bilder.
(Auflösung der Galerie Crespi.) Aus Mai
land wird uns geschrieben: Die berühmte Galerie Crespi
wird aufgelöst. Der Besitzer erhielt die Erlaubnis, seine Bilder
auch nach dem Auslande zu verkaufen. Er überließ dafür ge
schenkweise der staatlichen Sammlung de Brera das Gemälde
»Christi Geburt« von C o r e g g i o im Werte von rund einer
Million. Lire.
(Ein neuer Lionardo?) In den Verkaufsräumen
eines Antiquitätenhändlers in der St. Martins Lane in Lon
don hängt in einem wundervoll geschnitzten Rahmen ein Bild
der »Maria mit Kind«, das Lionardo da Vinci zuge
schrieben wird. Die Malerei, die sich tadellos erhalten hat,
wurde in der vorigen Woche von zahlreichen Kennern unter
sucht, die sich bis jetzt aber noch weigern, ein Urteil für oder
gegen die Authentizität des Gemäldes abzugeben. Ein Doku
ment, das ebenfalls itn Besitze des Händlers ist, bestätigt,
daß das Bild 1492 von Lionardo gemalt wurde und der Familie
Montmorencj gehörte, in deren Besitz es auch bis zur
Zeit der französischen Revolution verblieb. Später ging das
Bild dann in die Hände von Robespierre über und nach
dessen Tode gelangte es in den Besitz der »Academie Royale
des Sciences«, deren Stempel auf der Rückseite des Gemäldes
mit Leichtigkeit noch zu erkennen sind. Einige Jahre später
wurde dann Marschall N c y glücklicher Besitzer des »alten
Meisters«, der ihn aber dann gegen Zahlung einer großen
Summe »einem Gentleman« überließ, von dem aus das Bild
später in den Besitz des verstorbenen Dr. Mackie tiberging.
(Eine vermeintliche Rembrandt-Kopie als
Original festgestellt.) Im Berliner Kaiser Friedrich-
Museum ist von Prof. Hauser ein neuaufgefunden-es Jugend
werk R embrandt s, das man bislang für eine Wieder
holung des Bildnisses des sogenannten Vaters Rembrandts
hielt, von entstellenden Uebermalungen befreit worden. Wie
nun Bode in der Zeitschrift für bildende Kunst schreibt, ist
das Bild im Kaiser Friedrich-Museum Original. Das Werk,
das das Monogramm des Künstlers trägt, zeigt die Halbfigur
jenes Mannes, den Rembrandt um 1630 so oft gemalt hat,
daß mau den alten Müller Hannen van Rhyn darin sehen
wollte. Das Londoner Exemplar, das als Original galt, ist nach
Bodes Ausführungen eine tüchtige Wiederholung in der
Art seiner Schüler.
(Streit um ein spanisches G e m ii 1 d e.) Das
Berliner Kaiser Friedreh Museurn erwarb vor etwa zwei
Jahren in öffentlicher Versteigerung das in dem spanischen
Kloster Mo n forte aufbewahrte Hauptwerk des frühnieder-
ländischen Malers Hugo van der Goes (geb. 1482) »Die An
betung der heiligen drei Könige« für rund eine Million Franken.
Doch stellten sich alsbald bisher nicht behobene Ausfuhr-
Schwierigkeiten ein, wobei die Eigentumsrechte des Museums
unbestritten blieben. Die Hälfte des Erstehungspreises- wurde
sofort erlegt, die andere wird bei der Uebernähme fällig sein.
Nun will das Berliner Museum entweder auf diplomatischem
oder prozessualem Wege versuchen, in den faktischen Besitz
des Kunstwerkes zu gelangen. Die Entscheidung des spanischen
Ministerrates in dieser Angelegenheit wird für die nächste Zeit
erwartet. Das Gemälde kam seinerzeit mit Bewilligung der
staatlichen Behörden zur Versteigerung, und der dafür er
zielte Erlös war zu längst nötig gewordenen Restaurierungs
arbeiten des Klosters Monforte. bestimmt.
Handschriften.
(Photographische Aufnahme von Hand
schriften.) im Aufträge der Berliner Akademie der Wissen
schaften hat kürzlich Theodor Kluge eine achtmonatliche
Reise in Transkaukasien unternommen, über die er jetzt im
»Zentralblatt für Bibliothekswesen« berichtet. Der Zweck der
Reise war, nach Maßgabe einer in Tiflis begonnenen photo
graphischen Aufnahme von wichtigen Handschriften für paläo-
graphische Zwecke, weitere Handschriften, die sich an schwer
ei reichbaren Orten im Gebirge befinden, leichter zugänglich zu
machen. Und zwar sollten in erster Reihe für philologische
Zwecke einwandfreie Denkmäler der altgeorgischen Sprache
beschafft werden. Ferner war für theologische Zwecke die
Frage zu untersuchen, aus welchen Quellen die georgische
Uebersetzung des Neuen Testaments geflossen ist. Da nicht
jeder neutestamentliche Kodex vollständig aufgenommen wor
den konnte, blieb die Aufnahme bei jeder Handschrift auf das
Markus-Evangelium beschränkt, wovon nur in zwei Fällen Ab
stand genommen wurde.
Numismatik.
(M ii n z e n f u n d.) In A g r o di Quarto bei Cagliari
auf Sardinien fand ein Maurer beim Abbruch eines Hauses ein
großes Gefäß, das bis zum Rande mit Goldmünzen angefüllt
war. Die Münzen stammen aus der Zeit Konstantins des
Großen (4. Jahrhundert) und tragen auf der Prägung das Bild
des Papstes Silvester I. und der heil. H e le na, der Mutter
Konstantins.
(Die Münzversteigerung bei D r. Hirsch.)
Aus München wird uns geschrieben: Die jüngste bei
Dr. Jakob Hirsch abgehaltene große Versteigerung griechi
scher, römischer und byzantinischer Münzen aus zwei eng-
bschen und den deutschen Sammlungen (G u t e k u n s t u n d
N i e ß) hat wiederum sehr bemerkenswerte Ergebnisse ge
liefert. Noch immer ist eine außerordentlich starke Nach
frage nach diesen Denkmälern des Altertums vorhanden und
noch immer wird die künstlerische Schönheit erheblich höher
c-ingeschätzt als d : e numismatische Seltenheit. Das ist ja aucli
erklärlich: bei der fast schon zur Unmöglichkeit gewachsenen
Schwierigkeit, gute antike Bildwerke der großen Kunst zu
erhalten, muß die Kleinkunst in um so stärkerem Maße das
Bedürfnis decken. Wo sich aber Schönheit, Seltenheit und
namentlich gute Erhaltung vereinigen, da kennt die Zahlungs-