erfuhr die mittelalterliche Burg eine tief-
greifende Umgestaltung durch die Architekten
P. 1. Bayer und A. E. Martinelli. Den ge-
hobenen Ansprüchen des 19. Jahrhunderts
konnte der alte Bau nicht mehr entsprechen.
Dem fürstlichen Ehepaar, welches an Reichtum
und Grundbesitz Souveränen in nichts nach-
stand, schwebte ein repräsentativer Sitz in der
Art des königlichen Schlosses Windsor vor
Augen. Es sollte der „herrschaft und ganzen
Gegend zur Zier" gereichen.
Mit den Entwurfsarbeiten und der Leitung
des ganzen Unternehmens wurde vom 1. Ja-
nuar 1840 an der Architekt und Wiener
Stadtbaumeister Franz Beer (geboren 1804 auf
der Wieden, gestorben 2. Juni 1861 im eigenen
Haus auf der Wieden, Favoritenstraße 303)
als fürstlich Schwarzenbergischer „Bauconsu-
lent" für ein Jahresgehalt von 1.600 Gulden
C. M. betraut. Beer versah diesen Dienst bis
Ende 1857, wobei er als Architekt sowohl
in Hluboka wie auch bei den fürstlichen
Palais in Wien und Dornbach tätig war.
Gleichzeitig mit dem Antritt Beers wurde auch
die freigewordene herrschaftliche Baudirektor-
stelle mit dem bisherigen Bauadjunkten Wil-
helm Nevenhorst besetzt, der jedoch die
Bauaufsicht über den Schloßbau Hluboka
schon 1843 an Beet abtrat. Seit 1840 wirkte
am Schloßbau als Bauamtspraktikant auch
Damasus Deworetzkv aus T febofi (Wittingau)
(geboren 25. November 1816, gestorben
Ceskv Krumlov [Böhm. Krumau] 1. Juni
1891), welcher schließlich nach dem Aus-
scheiden Beers vom Beginn des Jahres 1858
an als Bau-Oberinspizient die Leitung und
Durchführung aller baulichen Aufgaben in
Hluboka, Wien und Dornbach übernahm und
1870 zum fürstlichen Baudirektor ernannt
wurde.
Beer arbeitete einige Gesamtentwürfe aus;
nach dem ersten Projekt wurde 1841 vom
Wiener Tischlermeister Johann Renner ein
leider nicht erhaltenes Modell angefertigt.
Die um drei Innenhöfe gruppierte Langs-
anlage des alten Schlosses wurde im Grunde
beibehalten. Die Bauarbeiten wurden rasch
gefördert; schon 1844 war der Umbau des
Ostteiles mit dem dritten Hof und dem alten
Rundturm fertig. Dann kam es zu einer zwei-
jährigen Unterbrechung der Bauarbeiten, da es
sich als nötig erwies, die bisher als Pfarrkirche
dienende Schloßkapelle durch einen Neubau zu
ersetzen und auch für die obrigkeitlichen
Ämter Raum zu schaffen. Dies geschah in
den Jahren 1844 bis 1846 durch Erbauung
der Dekanatskirche St. Johann von Nepomuk
und des herrschaftlichen Amtshauses im
Städtchen, wiederum nach den Plänen F. Beers.
In den Weiteren Jahren nehmen die Arbeiten
am Schloß ihren nur durch die Ereignisse des
Jahres 1848 etwas gehemmten Fortgang bis
zur baulichen Vollendung 1857. An Einzel-
heiten wurde dann bis zum Jahre 1871 unter
der Leitung D. Deworetzkvs gearbeitet.
F. Beer entwarf auch die Cottage-Anlage im
alten Tierpark. Die Hänge des langgestreckten
ehemaligen Burghügels wurden in einen über
50 ha messenden englischen Garten umge-
staltet, an dessen Anlage der fürstliche Gärtner
Gervasius Immelin, ferner Theodor Rehder,
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der Sohn des fürstlich Pücklefschcn Gärtners
aus Muskau (bis 1854), und der ehemalige
Thun'sche Gärtner R. Wächa tätig waren.
Die Errichtung der überaus monumentalen
Schloßanlage erforderte von einer ganzen
Generation Millionenbeträge und beschäftigte
eine Unzahl von Arbeitern, Handwerkern und
Künstlern, die zum größten Teil aus den
Dörfern und Städten der Herrschaft kamen
und an dieser Stelle nicht aufgezählt werden
können, obwohl sie verdienten, der Ver-
gessenheit entrissen zu werden. Erwähnen wir
hier nur den fähigen Schnitzer Jan Ftak aus
Cesky Krumlov (B. Krumau) (1808-1860),
der vom wandernden Musikanten zum fürst-
lichen Leibgardisten und nach kurzer Schulung
bei Professor Rösner in Wien zum Leiter der
Schnilzerwerkstätte auf Hluboka aufrückte, in
welcher neben Jakob Zeiner zeitweise bis zu
fünfzig Mitarbeiter, Tischler, Zimmerleute,
aber auch ehemalige Weber und Taglöhner
arbeiteten. Die Tischlerarbeiten leitete der
herrschaftliche Tischler Jan Vondruska (ge-
storben 1859); als Maler erscheint von 1851
bis 1861 Bartholomäus Öurn aus Hluboka,
später in Budejovice (Budweis) und
die Prager Jan (1806-1868) und Vaclav Gott-
lieb (1829-1911). Die Modelle für die Schnitz-
arbeiten fertigte zum Teil der Wiener Schnitzer
Fr. Schroth nach Zeichnungen Beers; das
geschnitzte Wappen im Vestibül lieferte 1856
Fr. Schonthaler aus Wien. Die Eisenarbeiten
des Wintergartens fertigte 1853 Andreas
Kirchmayer, ebenfalls aus Wien; die Gußeisen-
konstruktion der Veranda stammt aus der
Eisengießerei Peter Steffens in Adolfstal bei
Zlata Koruna (Goldenkron) 1867-1868.
Der Architekt des neugotischen Schloßbaues
stützte sich bei seiner Lösung nur im allge-
meinen auf die gegebene Längsdisposition
des alten Schlosses, gestaltete sie jedoch tief-
greifend um. Der Eingangstrakt wird als
dreiteilige Stirnseite mit einem mächtigen
Mjttelturm ausgebildet und mit achtseitigen
zinnenbekrönten Ecktiirmen bewehrt. Im
Hintergrund erhebt sich der alte Berchfrit,
umgebaut und mit Umgang und Zinnenkrone
versehen. Eine Fülle gotischer Details, nur zum
Teil Steinwctk, Pfeiler, Erker, Kragsteine,
Wasserspeier und Fialen, wahllos früh- und
spätgotischen Ursprungs, versuchen den Ein-
druck einer gotischen Ritterburg hervorzu-
rufen und bringen überall das dem Bauherrn
und Architekten vor Augen schwebende
englische Vorbild in Erinnerung. Die nach
dem zweiten Beefschen Entwurf nach 1845
erbaute, heute in pietätvoller Weise kulturellen
Zwecken (Südböhrnische Galerie) dienende
Reithalle und das in Gußeisenkonstruktion
errichtete Glashaus ergänzen das Bild einer
charakteristisch neugotischen Schloßanlage,
deren Bauherr nicht nur durch seine wieder-
holten Reisen nach England (1825-1838),
sondern sicherlich auch durch die einschlägige
Literatur, nicht zuletzt durch J. Nash's
„Mansions of England in the olden Time"
(1839) beeindruckt war.
Mehr der Rundung unseres Bildes halber
denn einer eingehenderen Würdigung wegen
können wir uns nicht versagen, zum Schluß
noch einige andere neugotische Bauwerke
Böhmens und ihre Schöpfer anzuführen, d
dazu beitragen, die ausgesprochen zutai
tretende englische Orientierung eines Gro
teiles der frühen historisierenden Baukur
Böhmens zu bezeugen. Gleichzeitig mit di
neugotischen Schloßbauten in Lednice (E
grub) und Hluboka (Frauenberg) entstand
Böhmen noch ein dritter Schloßneubau, ui
zwar unmittelbar nach Plänen eines englisch:
Architekten. Es ist das Schloß in Hrad
unweit von Hradec Kralove (Königgrätz
Der Bauherr, Franz Ernst Graf Harrac
beauftragte den englischen Architekten Lan
mit dem Entwurf des neuen Schlosses, welch
dann in den Jahren 1839-1854 ausgefüh
wurde. Von einem bisher unbekannten Arcl
tekten stammt auch die interessante Grui
kirche derselben Familie in llorni Breinn
ein neugotischer achteckiger Zentralbau a
den Jahren 1844-1848.
Auch nach der Jahrhundertmitte trat z
nächst keine grundsätzliche Änderung
dieser Ausrichtung der böhmischen Neugot
ein. lm Gegenteil, die Londoner Wleltau
stellung des Jahres 1851 brachte in dies
Hinsicht manche neuen Anregungen. So vr
stehen wir auch die interessante Baugrup]
von Kirche, Pfarrhaus und Schule, die d
uns bereits bekannte Fürst Alois Josef 1
Liechtenstein vor 1857 durch den Wien
Architekten Josef Hieser, den Mitarbeit
Rudolf Eitelbergers, im Stile der englischi
Gotik erbauen ließ.
S0 ist auch zu verstehen, daß der fürstlii
Kinskfsche Architekt Friedrich Stache a
Wien, „der der englischen Sprache mächt
ist", 1851 von der Herrschaft zur Weltau
stellung nach London geschickt wird ui
daraufhin die Güterdirektion auffordert, ih
alle „Projekte von Neubauten zur Einsic
einzusenden, damit auf diese Art seine die
fälligen Erfahrungen, welche er auf der dufl
die fürstliche Muniiizenz im Jahre 18
unternommenen Kunstreise in Deutschlan
Belgien, England und Holland gesamme
durch practische Anwendung ins Leben treti
mögen"! Stache selbst rühmt sich, zusammi
mit seinem Neffen, Schüler und Mitarbeit
Heinrich Ferstel das Schloß in Trmice (Ti
mitz) in Nordböhmen „im sogenannten Elis
bethstile" erbaut zu haben (1856-1863) ui
bedauert, daß durch die seit 1848 bedingti
Zeitläufe zwei andere große Schloßprojek
nicht mehr Verwirklichung Enden konnte
ein „auf einem schönen Punkte" (bei Ges
Kamenice [Böhmisch Kamnitz]) freistehend
Schloß der Kinskvs und ein an der Elbe I:
Hrensko (Herrnskretschen) geplantes Schlr
des Fürsten Clary, „auf einer Felskuppe, C11
Strom mit herrlicher Aussicht beherrschend
Diese durch den unerbitterlichen Lauf d
Geschichte zur Fata morgana gewotdeni
Luftschlösser zeigen mit symbolischer Übt
zeugungskraft, wie der sich stets treu bleiben
Gedanke der Romantik schließlich zum unt
füllbaren Wunschtraum werden mußte, wä
tend die nicht von ihrem Geiste erfüllte Ric
tung schließlich zu akademischer Erstarrui
führen und in mehr Schaden als Nutzi
bringendem kunstlosem Epigonentum v:
sinken mußte.