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Volltext: Alte und Moderne Kunst X (1965 / Heft 81)

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Kwan Yin. Holz. Hohe 52cm. China. 
Zweite Ilalfte 13. Jahrhundert, WIEN. 
sarnniiuna Alfred Czuczka 
Kopf der Kwan Yin (Abb. 13) 
Trude Diener, Musizierende FUmtllE. 
192.4. Kuriststeinrelief mit Freskofarbe 
am Haus der Jungen Generation" in 
WlCn xx. 
 
EIN CHINESISCHES HOLZBILDWERK DER SUNG-ZEIT IN WIENER PRIVATBESITZ 
Der Urbuddhismus. wie er von Gau- 
tama Buddha aus dem Geschlecht der 
Sakya (etwa 580-460 v. Chr.) gepredigt 
wurde. ist nicht als Religion im eigent- 
lichen Sinne des Wortes anzusehen. 
sondern als eine letztlich atheistische 
(da auch die Götter relativierende). 
sich an den Einzelmenschen richtende 
Erlösungslehre. die praktische Hinweise 
gab. wie man aus dem Kreislauf der 
Wiedergeburten. aus den Sechs Exi- 
stenzbereichen der Samsara-Welt aus- 
brechen känne. um zur völligen Ich- 
Auflösung ins Nirwana einzugehen. 
Diese an sich pessimistisch-materia- 
listische Lehre konnte in dieser Form 
allein schon deshalb nicht zur Religion 
werden. weil es ihr an Universalität. 
an Allgemeingültigkeit gebrach. 
In den Jahrhunderten um Christi Geburt 
bildet sich in Nordwestindien aus dem 
„Hinayana". dem ..Kleinen Fahrzeug". 
das ..Mahayana" (..Großes Fahrzeug"). 
das. wie allein schon sein Name besagt, 
ein Glaubensvehikel für viele, für alle 
bildete. Die Idee des Erlöstwerdens 
..von oben" (also vorwiegend nicht 
mehr durch die eigene moralische 
Kraft) steht nun ganz im Mittelpunkt: 
buddhaähnliche Wesen. sogenannte 
Bodhisattvas, nßuddha-Anwärter", die 
aus Liebe zur leidenden, irrenden 
Menschheit aufden Eingang ins Nirwana 
verzichtet haben, steigen zur Erde 
hinab. um als Heilande den Menschen 
bei ihrem Streben nach Erlösung 
behilflich zu sein. Und das Nirwana 
selbst wandelt sich immer stärker vom 
Nichts zum Paradies mit allen Attributen 
eines solchen. 
Die Erläsungslehre des Mahayana wird 
in Übereinstimmung mit der indischen 
Anschauung von der historischen und 
kosmischen Struktur der Welt gebracht; 
es wird eine Existenz von fünf ..Kalpas" 
(Äonen) angenommen. von denen drei 
bereits längst vergangen sind. das vierte. 
in dem wir leben. sich dem Ende zu- 
neigt. während das fünfte. das Endzeit- 
alter. vor der Tür steht. Den fünf 
Kalpas entsprechen die fünf Himmels- 
richtungen: Zenith. Süden. Osten. We- 
sten, Norden. Dieser Fünfheit ist je ein 
materialisierter Buddha (Manushi- 
buddha), ein nabstrakter" Buddha 
(Dhyanibuddha) und als dessen aktiv 
wirkende geistige Emanation ein 
Dhyanibodhisattva zugeordnet. Für die 
fünf Himmelsrichtungen sind dies: 
Zenith: Krakucchanda I Vairocana I 
Samantabhadra 
Süden: Kanakamuni I Akshobya I 
Vajrasattva 
Osten: Kacyapa I Ratnasambhava I 
Pcldmapani 
Westen: Sakyomuni I Amitabha I 
Avolokitesvara (Gegenwart) 
Norden: Mctitreya (der kommende 
Buddha) I Amoghasiddhi I Vishvapani. 
In dieser Form. aus der sich wenig 
später der esoterische Buddhismus ent- 
wickelte. gelangte die nun zur echten 
Religion gewordene Lehre Sakyamunis 
während der späteren Han-Zeit (Ende 
des 1.. Anfang des 2. Jahrhunderts nach 
Christus) nach China und konnte sich 
dort mit durchschlagendem Erfolg fest- 
setzen. war die trockene Staatsmoral 
Kung Fu-tses (Konfuzius) doch nicht in 
der Lage. den Nöten und metaphysi- 
schen Bedürfnissen glaubenssehnsüch- 
tiger Menschen gerecht zu werden. 
während sich anderseits die Lehren 
Lao-Tses längst in gefährliche Nähe zu 
banaler Magie begeben hatten. 
Es nimmt nicht wunder. daß in Ostasien 
die Trias der auf dieses unser Weltzeit- 
alter bezogenen Gottheiten sich beson- 
derer Verehrung erfreute. Sakyamuni 
hatte die Erlösungslehre auf Erden ver- 
kündigt, diese Welt aber längst ver- 
lassen. Sein Dhyanibuddha Amitabha 
thronte im fernen westlichen Paradies 
und erschloß sich erst dem Sterbenden. 
dem man das Bild des Himmlischen in 
der Todesstunde vorhtelt. Der Dhyani- 
boddhisattva Avalokitesvara (chines. 
Kwan-Yin) aber ist der praktische 
Mittler und Brückenschläger zwischen 
Dies- und Jenseits. zwischen Erde und 
Himmel. Immer stärker wird Avalo- 
kttesvara zur lieblichen. milden Figur. 
die ob ihres Gefühlsinhaltes und ihrer 
holdseligen Menschlichkeit im Laufe 
der Zeit sogar indirekt feminisiert 
wird. 
In der Tang-Zeit (618-906). den 
Übergangsperioden (907-951). der 
Sung-Zeit (4360-1280) und auch noch 
in der Yüan-Zeit (1280-1368). also in 
jenem Geschichtsabschnitt. der sich 
mit unserem Mittelalter zeitlich fast 
völlig deckt. erlebt der Kult Kwan-Yins 
in China seinen Klimax und dement- 
sprechend entstanden zahlreiche Bild- 
werke m zumeist aus Holz i in denen 
die liebenswerte Gottheit dargestellt 
wurde. Das ikonographische Schema 
ist stets das gleiche: Kwan-Yin sitzt in 
"KÖHIQIICIWEFH Haltung. dem ,.Maharaja- 
Lila" leger auf einem Thronsockel. 
wobei sich das linke Bein in euro- 
päischer Sitzart auf dem Boden ab- 
stützt. während sein rechtes Bein auf 
den Thronsitz emporgezogen und daher 
scharf abgewinkelt ist. Kwan-Yin ist 
auch in China nach indischer Fürsten- 
art. also mit gefaltetem Untergewand 
bekleidet, der Oberkörper ist nackt 
und nur von reichern Juwelenschmuck 
und schwingenden Draperien bedeckt. 
Das Haupt ist mit einem Diadem be- 
krönt. das entweder aus fünf Blättern 
gebildet ist oder aber eine kleine 
Statuette des Dhyanibuddha Amitabha 
zeigt. 
Fast sämtliche bekannten Bildwerke 
sind bei: Osvald Siren. Chinese Sculp- 
ture. London 1925 (franz. Ausgabe: 
Paris 1925I26) veröffentlicht. Die popu- 
lärsten Beispiele befinden sich in der 
Mill Buckingham Coilection in the Art 
Institute of Chicago. im Louvre. im 
British Museum sowie dem Boston 
Museum of Fine Arts. Sie alle zeigen 
die eben beschriebenen Merkmale auf 
und sind in sehr großem. ja lebens- 
großem Format gehalten. Ihre Ent- 
stehungszeit ist in die 2. r 
12. Jahrhunderts und in de 
des 13. Jahrhunderts anzuset 
Der Wiener Sammler Alfred 
ist nun Besitzer einer Statuet 
Yins. deren Höhe bloß 52 cn 
Sie ist aus Ktefernholz voll 
schnitzt. reichliche Reste c 
chromierung sind vorhanden 
Während es sich bei den 0 
benen Werken sicherlich un 
für den öffentlichen Kultgebri 
delt, läßt allein schon d 
Format der Wiener Arbeit 
Wendung in der Privatsphi 
Haushaltes schließen. Ein ähnl 
Bildwerk. 16V, lnches hoch 
sich im Denver Art Museum u 
1949 in der Viertehahressch 
Instituts abgebildet und be 
Auch dieses Werk zeigt di 
orthodoxe Haltung. wenng 
infolge seiner relativen Kle 
Detail reicher und freier aus 
ist als die ..heroischen" Spez 
Das Einzigartige der Wiener 
nun in der extremen Frs 
Sitzmottvs gegeben: hier ist i 
Bein schräg über das linke gi 
beide Arme umschlingen d 
Knie. In den ..klassischen" 
hingegen stützt der linke 
streckte Arm den Körper 
Thronsitz ab. während der ri 
auf das spitz abgewinkelte K 
ist. so dai] nur die Hand ft 
hängen kann. 
Die Art der Sitzdarstellung 
Wiener Arbeit stellt gewii 
eine Vermischung das I 
Schemas mit dem für die W 
des ..kommenden Buddha" 
kennzeichnenden Sttztyps dat 
Wetters ist bei der Wiener . 
sonst übliche Frontalität d 
haltung aufgegeben. das 
nach rechts leicht abgewinki 
klassischer Weise nach innen 
Blick hebt sich dennoch dem 
entgegen. ein neuer gefür 
Bezug ist hergestellt. Und dl( 
züge selbst zeigen einen Chi 
dem europäischen Auge 
entgegenkommt, ist die Gestc 
der orthodoxen Werke d 
ganz frei von Zügen einei 
fremdlichen Verfettung (Abb 
Die zahlreichen Abweichui 
der Norm unterstreichen zvi 
einmal die Tatsache. daß d 
ArbeitdasProdukteinerechtr 
bürgerlichen Gesinnung ist. 
..devotio moderna" unseres ' 
atters entspricht. zum anderr 
Wiener Werk zeitlich w: 
später anzusetzen ist als di 
schert" Exemplare. Es hai 
hier. wenn man so Will. um e 
eines ..Herbstes des chinesiscl 
alters". also einer sehr sub 
feinerten. nervösen Spätzeit. 
ist wohl in die zweite Hälfte de 
hunderts zu datieren. 
Er 
ZUR KÜNSTLERISCHEN AUSSTATTUNG VON ÖFFENTLICHEN WOHNBAUTEN 
Von Frau Trude Diener. akademische Bildhauerin. erhalten wir das hier raaraduziarta Phnta ainar Ausgestaltung airias t-lousc 
Reliefs. Das Haus. von der Jungen Generation" arrirntat. aanndat sich in Wich. xx. Leystraflc 71. Dia kurtsllcrtsche Lasuna des I 
gestellten Problems kann als duranaus gelungen betrachtet werden. Frau Dianar stellte aina miisizicrertde Familie dar und aadia 
Technik des fluchgeschntttenen Kurtststelrtreliefs in Verbindung rnit Freskofurbe. Einige Momente mussert Ieclßch als storend ethpluttc 
so etwa das Aufschetrten des Entlutiunasaiiters in der Vcrltkctlochse der "für. Hier hatte die Kunstlcrirt ursprunglictt das riausnurnrne. 
gesehen. dessen Beleuchtung am clußersten rechten Relicfrand zu denken ist. Auch der Ansatr das Reliefs irlder Sockelzorieislwenig b 
Die Kunstlerin weist clusdriicklich auf die Tatsache des völligen Mangets einer Zusammenarbeit zwischen Arahiiakt lind Bildhauer hii 
eintarh ein Raum freigelassen, im Plarlungsstadiiirn wird der mit Ausstatiungsautgaben bcfaßtc Kunstler gar nlchl erst eirlgESchQW 
Das wenig befriedigende Endresultat ist auch für viele kctrniunale Bauten typisch. eine Losung des DllerrirriClS wäre lCSi guicrnl 
Finanziellen Mehraufwand möglich.
	        
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