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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

schetten mit den weiß aufgesetzten Falten- 
stegen, die unauffällig eingefügte und sehr 
hoch hinaufgeschobene Inschrift, selbst 
noch die Verschattung der Schulter, sind 
unmittelbar verwandt. Unter der abgerie- 
benen Oberfläche weist der Kopf eine 
entsprechende unruhige und kurz abset- 
zende Vorzeichnung auf, die auch in Am- 
bergers Entwürfen zum Maximiliansgrab- 
mal wiederkehrt 15. 
Die lnnsbrucker Mädchenbildnisse sind 
farbenfroher als das Böhlerßche Frauenbild 
und in ihrer Flächigkeit dekorativer. Das 
mag nicht zuletzt mit dem Auftrage des 
Kinderbildes zusammenhängen, das von 
sich aus eine frischere und freundlichere 
Behandlung des Kolorits erforderte als das 
Patrizierporträt. Amberger hat sich der 
Aufgabe mit einem sicheren Gefühl für 
die Tradition und einem der Augsburger 
Kunst eigenen Sinn für das Modische 
unterzogen. 
Nicht von derselben Hand sind die Or- 
namentfüllungen auf den Rückseiten der 
Tafeln (Abb. 8, 9). Sie zeigen in sym- 
metrischer Anordnung - jeweils um eine 
Vase gruppiert - Akanthusblätter und 
Hgürliche Motive: speiende Einhörner und 
halbmenschliche Wesen, die in Esch- 
schwanzähnlichen Voluten enden. Die in 
Grün und Ockergelb gehaltenen Schmuck- 
motive stehen vor einem pompejanisch 
roten Grunde und werden von schwarzen 
Schatten begleitet. Nächstverwandt nach 
Auswahl und Anordnung sind ornamentale 
Vorlageblätter der Jahre um 1530, hinter 
denen die Hau gezeichneten und lustlos 
gemalten Ornamentfüllungen der Inns- 
brucker Tafeln allerdings weit zurück- 
bleiben. Ob man mit ihrer Entstehung über 
das Jahr 1530 wesentlich hinausgehen muß, 
ist schwer zu entscheiden. Im Verhältnis 
zu den Bildnissen auf den Vorderseiten 
stehen die Ornamentfelder auf dem Kopf, 
nicht so das in beide eingetragene Mono- 
gramm AS. Wer dieser Monograrnmist ist, 
bleibt ungewiß. Wie geistreich und zeich- 
nerisch sicher Amberger auch dieseratt 
Aufgaben zu lösen wußte, wird an der 
Wappenseite der Merz-Bildnisse von 1533 
(Stadt. Kunstsammlungen, Augsburg) deut- 
lich. 
Die Innsbrucker Bildnisse sind schon 
darum eine willkommene Bereicherung des 
Ambergefschen Gluvre, weil sie mehr als 
das Böhlefsche Frauenporträt oder das 
Bildnis des Jörg Hermann von 1530 
(Gräflich Harrach'sche Gemäldegalerie, 
Wien) über die noch ungeklärte Frühzeit 
des Künstlers Auskunft geben 17. Christoph 
Amberger wurde im Jahre 1530 in Augs- 
burg Meister. ln den Bildnissen dieses 
Jahres sind alle experimentierenden Züge 
überwunden. Sie stehen am Ende einer 
Entwicklung, die gekennzeichnet ist durch 
die Aneignung und Einschmelzung italie- 
nischen Formgutes. Wer mit solchen Wer- 
ken auf den Plan tritt, ist auch vorher schon 
„Meister", das heißt fertig ausgebildeter 
Künstler. Frühwerke Ambergers sind folg- 
lich nicht unter ängstlichen und mittel- 
mäßigen Schülerarbeiten zu suchen, nicht 
einmal im kleinen Format, beherrscht er 
doch das große in den genannten Porträts 
vollkommen. Wo sich Werke anbieten, die 
den Bedingungen genügen, die wir an ein 
Frühwerk stellen dürfen, sollte nicht allein 
das Datum der Aufnahme in die Zunft 
den Ausschlag fiir eine mögliche Zuweisung 
geben. Hans Holbein d.  porträtierte, drei 
Jahre bevor er zünftig wurde, den Basler 
Bürgermeister Meyer und dessen Frau und 
signierte die Bildnisse; Hans Burgkmair 
malte, unzünftig, den Geiler von Kaysers- 
berg und den Augsburger Bischof Fried- 
rich von Zollern, Jörg Breu auf der Wan- 
derschaft den Altar der Stiftskirche von 
Zwettl. 
Die Beispiele ließen sich beliebig ver- 
mehren. Sie zeigen nur, daß die Zunft- 
bestimmungen zu umgehen waren, wenn 
es galt, sich eines frühreifen Talentes zu 
versichern. In unserem Falle heißt das, 
daß wir Ambergers bis in die zwanziger 
Jahre unseres Jahrhunderts geltendes 
„Frühwerk" wieder in seine Rechte ein- 
setzen möchten. Dazu gehören, von Ludwig 
Scheibler dem Meister zugewiesen, die 
ganzf-igurigen Bildnisse eines Ehepaares 
von 1525 in Wien und das Porträt des 
Anton Weiser von 1527 im Freiherrlich 
von Welsefschen Familienbesitz. Ernst 
Buchner schien die „stilistisch nicht schlecht 
begründete Zuweisung" der Wiener Tafeln 
an Amberger „durch den Umstand frag- 
lich gemacht, daß dieser erst 1530 die 
Augsburger Malergerechtigkeit erworben 
hat und die Übertragung eines so statt- 
lichen Auftrags an einen unziinftigen 
jungen Maler nicht Wahrscheinlich ist"13.„ 
Stilkritische Argumente für die Abschrei- 
bung werden weder von ihm noch von 
Ludwig Baldass geltend gemacht"). Wo 
eine nähere Einordnung in das (Euvre 
Becks versucht wird, sperren sich die 
Tafeln, oder es werden Becks Kunst Eigen- 
schaften untergeschoben, die sie nicht 
besitzt, so die „bunte, kräftige Farbgebung" 
(Baldass). Das gewichtigste Argument für 
die Zuschreibung an Amberger ist wohl 
die ungewöhnliche Qualität der Tafeln, 
deren Modernität in einer eigenständigen 
Auseinandersetzung mit der Kunst des 
Südens begründet ist. Sie sind nicht das 
Werk einer „wenig ursprünglichen, an- 
lehnungsbedürfrigen Persönlichkeit", eines 
„oft unter dem Mittelmaß bleibenden, mitun- 
ter schwächlichen und banausischen Künst- 
lers" (Buchner). Es genügt, Becks Stifter 
auf den Weiß'schen Votivtafeln mit dem Wie- 
ner Paar zu vergleichen 4 ängstlich den 
Heiligen beigesellte, körperlose Figürchen 
mit leicht schematisierten holbeinischen 
Charakterköpfen -, um den anderen Geist 
und die andere Hand zu erkennen Z9. 
Mehr noch ist man heute geneigt, Amberger 
für den Schöpfer des Porträts des Anton 
Welser zu halten. Es entstand 1527, drei 
Jahre, bevor der Künstler Meister wurde. 
Von Scheibler als ein Werk Ambergers 
genannt, später der Öffentlichkeit und 
damit der Forschung entzogen, trat das 
Bild in jüngster Zeit wieder in das Blick- 
feld kunsthistorischen Interesses. Seitdem 
hat es einige Benennungen erfahren, so 
durch Wilhelm Suida auf Palma vecchio Z1. 
Gerade der von Suida durchgeführte Ver- 
gleich mit dem originalitalienischen Män- 
nerbildnis in Bordeaux zeigt die Anders- 
artigkeit des deutschen Bildes. Es fehlt ihm 
die innere und äußere Bewegtheit der 
kontrapostisch aufgefaßten italienischen 
Figur. Die Nische ist addiert, nicht um- 
gebender Raum. Die Hände verselbstän- 
digen sich gegenüber der ruhigen Büste. 
Erstaunlich bleibt, wie weit sich der Künst- 
ler in das südliche Vorbild eingefühlt und 
eingesehen hat. 
Die wenigen Jahre zwischen 1525 und 1530, 
in denen Christoph Amberger seinen 
klassischen Bildnisstil auspragt, sind die 
fesselndste Phase seines Schaffens. Ange- 
sichts der großgeplanten und phantasie- 
vollen Wiener Tafeln ist man versucht, 
zu bedauern, daß er sich durch die Bildnis- 
aufträge der Folgezeit so einseitig auf 
einen kaum mehr zu variierenden Bildnis- 
typus festlegen ließ und daß er über dem 
Problem der malerischen Erscheinung des 
Gegenstandes nur zu leicht die Forderungen 
nach der geistigen Durchdringung des 
Modelles außer acht ließ. Die besondere 
Wirkung der Wiener Porträts liegt nicht 
zuletzt darin, daß sie noch alle Möglich- 
keiten enthalten. ImWelserbildnis brichtAm- 
berger mit der altdeutschen Malerei, schafft 
er ein zum Verwechseln ähnliches „italie- 
nisches" Porträt. Der breit angelegte und 
ruhige Jörg Hermann ist dann schon auf 
deutsches Maß zugeschnitten, unverkenn- 
bar augsburgisch, bürgerlich im Habitus. 
Amberger löste sich ebenso folgerichtig 
von der Tradition, wie er auf einer neuen 
Basis zu ihr zurückfindet _ eine erstaun- 
liche Leistung, wenn man bedenkt, daß 
sie zum Teil noch zu Lebzeiten Albrecht 
Diirers sich vollzieht. Noch in den vier- 
ziger Jahren kommen die Lokalfarben 
wieder stärker zur Geltung. liin Porträt 
wie das des Kosmographen Sebastian 
Münster von 1551 (Gemäldegalerie Berlin- 
Dahlem) schlägt die Brücke zu den farben- 
frohen Bildern der Frühzeitll. Darüber 
hinaus Weist es auch im Aufbau auf die 
dürerzeitliche Malerei zurück. Die deutsche 
Kunst, müde geworden und kaum noch 
aus Eigenem lebend, besinnt sich auf ihre 
Quellen. 
ANMERKUNGEN 16-22 
15 Vinccnz Oberhmnmcr. Die Bmnlcstaudbildvr des Maxi- 
miliangrabmalcs in der Hofkirchc zu Innsbruck, Innsbruck- 
Wien-München 1935, Abb, 96H". 
17 Karl Fcuchtmayr, Christoph Amberger und Jörg Her- 
mann, in: Münchncr Jahrbuch der bildznden Kunst, 
20 
NF, XIII. l938I39, S. 7B, Abb. 1. 
I! Ernst Uuchncr. Lcunlmnl Bcck als Maler und Zeichncr, 
in: 13uClmcr-Fcuchlxnayr. Beiträge. a. a. (1, S. 413. 
I9 Ludwig lhIdass, Studien zur Augsburger Portriunalcrci 
des 16. Jahrhunderts, ll. Bildnisse von Leonhard Beck, in: 
Panlhcon, VI, 1930, S. 402, Abb. S. 400, 401. 
i" Bnchnur, Lconhard Back. a. a. 0.. Abb. 299, 300. 
1' Wilhelm Snida, Un rilrallo di Anton Wr: in: Arte 
Vencla, xv, 19m, 5.23011. mit Abb. 219. xm Feucht- 
mayr sprach sich mündlich m: Ambvrgßr m1,. 
v1 Baldnss, Christoph Ambcrgcx als Bildnismalcr, a.a. 0„ 
Farbtafel grgcnüber 5.177. 

	        
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