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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

bestehen lediglich in der Farbgebung. 
Während der Berliner Pokal Rubinüber- 
fang aufweist, besteht die Lütticher Replik 
aus mit blauem Kobaltglas überfangenem 
Kristall; außerdem ist bei dem Lütticher 
Pokal der vierkantige Ständerteil des Fußes 
niedriger, auch ist er ohne das Musik- 
spielwerk ausgeführt, das in dem Berliner 
Pokal einmontiert wurde. Die Durch- 
führung von SchliE und Porträtschnitt 
(Abb. 4) ist in beiden Fällen absolut iden- 
tisch und stellt auch zweifellos das Werk 
ein und derselben Hand dar. Es gelang 
mir, ebenso wie bei dem Pokal aus Nov? 
Svet, die graphische Vorlage zu ermitteln: 
Es ist ein prahlerisch der Gattin des Kron- 
prinzen, der Prinzessin Elisabeth Ludovica, 
gewidmeter Kupferstich von Eduard 
Eichens vom Jahr 1838 (Abb. 5). 
Vergleicht man nun die Beziehung der 
Vorlagen zu dem geschnittenen Porträt, 
so stellt man sofort den grundlegenden 
Unterschied zwischen den beiden Autoren 
fest. Im ersten Fall (Biemann!) hat man 
es, wie ich bereits darlegte, mit der Trans- 
position eines Künstlers zu tun, bei der 
es sich um mehr handelte als um bloße 
Wiedergabe der Züge des Porträtierten. 
Der Autor hat hier nicht nur das Bildnis 
in vollendeter Weise in die Gesatntgestalt 
des Pokals und das eigentliche Medaillon 
zu komponieren vermocht, sondern er 
drückt überdies seine Beziehung zum Dar- 
gestellten aus, die 7 in Übereinstimmung 
mit den Gerüchten, die ihn damals um- 
gaben - Friedrich Wilhelm nicht als 
Kronprinzen in der üblichen konventio- 
nellen Repräsentation darstellen, sondern 
als Privatmann, der seine eigene Persön- 
lichkeit auch noch in preußischer Generals- 
uniform zu wahren weißll. Der zweite, 
noch in der Handwerkstradition der nord- 
böhmischen Glasschneider erzogene Autor 
(Pelikan) verharrt nicht nur beim ofh- 
ziellen und konventionellen Porträt _ 
was sich schließlich auf einen ausdrück- 
lichen Wunsch des Auftraggebers zurück- 
führen ließe, sondern - und dies ist 
ausschlaggebend - er weiß sich mit seiner 
Vorlage überhaupt keinen Rat. Er erfaßt 
im großen und ganzen recht gut die 
Ähnlichkeit und auch die Details der 
Uniform, die er im Sinne der Glasschneider- 
tradition noch durch die Hervorhebung 
der Orden besser zu beleben weiß, aber 
da, wo er seine Vorlage fertigkomponieren 
soll, ist er sichtlich am Ende seines Könnens 
angelangt. 
Er vermag sie weder mit der Gestalt zu 
verbinden noch in die begrenzte Fläche 
der Pokalkuppe überzeugend einzugliedern, 
so daß sein Bildnis ein nur nachträglich 
hinzugefügtes autonomes Element bleibt. 
Am schlimmsten macht sich diese Rat- 
losigkeit bei der unbeholfenen Gestaltung 
der Arme bemerkbar, die stummelartig 
herabhängen, als wären sie amputiert. Die 
Unterschiede gehen übrigens aus den 
reproduzierten Photographien deutlich her- 
VOI. 
Abschließend möchte ich nur von neuem 
an das erinnern, was übrigens sehr treffend 
Dr. Vydrovä in ihrem Bericht für den 
VII. internationalen Glaskongreß in Brüssel 
ausgedrückt hat, und zwar daß die Rich- 
tung, in der sich das Studium der Biemann- 
Frage entfaltet, mehr oder weniger ein 
bloßes Hin- und Hertappen ist. Der einzige 
Sinn der zahlreichen Studien besteht im 
emsigen und oft nicht sehr kritischen 
Ausündigmachen neuer Arbeiten des Künst- 
lers, und nur selten wird der Versuch 
gemacht, das Material von einer anderen 
Seite aus zu betrachten als unter dem 
registrierend-dokumentierenden Gesichts- 
winkel. Wir wissen heute von über 70 Ar- 
beiten, die mehr oder weniger zu Recht 
Biemann zugeschrieben werden. Dreiund- 
dreißig davon sind signierte Glasgegen- 
stände, zwanzig gleichfalls signierte kennen 
wir nur von erhaltenen Gipsabgüssen her. 
Die übrigen Arbeiten - Glasgegenstände 
oder Abgüsse - sind nicht signiert. Gewiß 
sind viele davon ganz zweifellos Biemanns 
Werk, jedoch einzelne von ihnen geben 
zu berechtigten Zweifeln Anlaß. Klarheit 
kann hier nur eine eingehende Analyse 
eines jeden einzelnen Stückes schaffen, 
seine chronologische Einreihung, seine 
Beurteilung vom Standpunkt der formalen 
und technischen Durchführung sowie das 
Herausfinden charakteristischer Merkmale 
von Biemanns Glasschneiderhandschrift und 
begreiflicherweise auch das Bestreben nach 
Identinzierung der bisher unbekannten auf 
den Porträts abgebildeten Personen. Als 
ich den Pokal mit dem Bildnis Friedrich 
Wilhelms aus dem Museum von jablonec 
untersuchte, wa.t ich bemüht festzustellen, 
wodurch sich die einzelnen böhmischen 
Gläser voneinander unterscheiden, und 
zwar nicht nur in formalen Oberflächlich- 
keiten, sondern unmittelbar durch die 
Technik der Arbeit und durch die Spuren, 
die auf ihnen die Hände und die Instru- 
mente des Glasschneiders hinterlassen ha- 
ben. Dabei verließ ich mich nicht auf das 
Auge oder die Lupe, sondern beriet mich 
mit den besten heutigen böhmischen Glas- 
Schneidern, wie C. Cejnar, P. l-llava, 
A. Matura und J. Soukup. Aus diesen 
Untersuchungen ergab sich, abgesehen von 
einer Fülle von Erkenntnissen, auch die 
Überzeugung, daß hier noch ein nicht 
genutzter Weg zur Präzisierung der kunst- 
geschichtlichen Identifikation besteht, ein 
Weg, der sich gerade im Falle von Bie- 
manns Werk als sehr nützlich und auf- 
schlußreich erweisen kann. 
ANMERKUNG 13 
u Von neuem untentreid-ic ich die Bedeutung des nonchnlan: 
übergeworfencn Mantels und Bicmanns Vorliebe rur 
malerische Details diescr Art, die wir an einer Reihe 
seiner bcsrcn Porträts aus den ahxen urn m0 feststellen 
können. Ich erinnere nur an zs Bildnis einer russischen 
Dame vom Jahr 1829 (Pazaurek, Abb. so), das der Griün 
Wrangcl (Pazaurck, Abb. 91), m das Bildnis einer jungen 
Frau in der Wiener Sammlung Dr. Karl Ruhmanns 
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(Peäatovä, Abb. 39) und weitere Porträts. Das Motiv 
des malerisch drapicnen oder übzrgeworfcncn Mantels 
ündcn wir auch in dem signicrlcn Mänucrporträ! des 
vucnfdrmigcn Bechers im Düsssldorfcr Museum (Streit- 
Lauer. Abb. 12). auf dem Porlrätabguß eine: nicht- 
identifizierten Erzherzog in den Sammlungen des Prager 
Kunstgcwcrhemuseum: und schlicßlith auf dem ge- 
boxstcncn Mzdaillonabguß mit Ofüziersporträt aus dem- 
selben Museum (Pcäarovä, Abb. 2a).
	        
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