bestehen lediglich in der Farbgebung.
Während der Berliner Pokal Rubinüber-
fang aufweist, besteht die Lütticher Replik
aus mit blauem Kobaltglas überfangenem
Kristall; außerdem ist bei dem Lütticher
Pokal der vierkantige Ständerteil des Fußes
niedriger, auch ist er ohne das Musik-
spielwerk ausgeführt, das in dem Berliner
Pokal einmontiert wurde. Die Durch-
führung von SchliE und Porträtschnitt
(Abb. 4) ist in beiden Fällen absolut iden-
tisch und stellt auch zweifellos das Werk
ein und derselben Hand dar. Es gelang
mir, ebenso wie bei dem Pokal aus Nov?
Svet, die graphische Vorlage zu ermitteln:
Es ist ein prahlerisch der Gattin des Kron-
prinzen, der Prinzessin Elisabeth Ludovica,
gewidmeter Kupferstich von Eduard
Eichens vom Jahr 1838 (Abb. 5).
Vergleicht man nun die Beziehung der
Vorlagen zu dem geschnittenen Porträt,
so stellt man sofort den grundlegenden
Unterschied zwischen den beiden Autoren
fest. Im ersten Fall (Biemann!) hat man
es, wie ich bereits darlegte, mit der Trans-
position eines Künstlers zu tun, bei der
es sich um mehr handelte als um bloße
Wiedergabe der Züge des Porträtierten.
Der Autor hat hier nicht nur das Bildnis
in vollendeter Weise in die Gesatntgestalt
des Pokals und das eigentliche Medaillon
zu komponieren vermocht, sondern er
drückt überdies seine Beziehung zum Dar-
gestellten aus, die 7 in Übereinstimmung
mit den Gerüchten, die ihn damals um-
gaben - Friedrich Wilhelm nicht als
Kronprinzen in der üblichen konventio-
nellen Repräsentation darstellen, sondern
als Privatmann, der seine eigene Persön-
lichkeit auch noch in preußischer Generals-
uniform zu wahren weißll. Der zweite,
noch in der Handwerkstradition der nord-
böhmischen Glasschneider erzogene Autor
(Pelikan) verharrt nicht nur beim ofh-
ziellen und konventionellen Porträt _
was sich schließlich auf einen ausdrück-
lichen Wunsch des Auftraggebers zurück-
führen ließe, sondern - und dies ist
ausschlaggebend - er weiß sich mit seiner
Vorlage überhaupt keinen Rat. Er erfaßt
im großen und ganzen recht gut die
Ähnlichkeit und auch die Details der
Uniform, die er im Sinne der Glasschneider-
tradition noch durch die Hervorhebung
der Orden besser zu beleben weiß, aber
da, wo er seine Vorlage fertigkomponieren
soll, ist er sichtlich am Ende seines Könnens
angelangt.
Er vermag sie weder mit der Gestalt zu
verbinden noch in die begrenzte Fläche
der Pokalkuppe überzeugend einzugliedern,
so daß sein Bildnis ein nur nachträglich
hinzugefügtes autonomes Element bleibt.
Am schlimmsten macht sich diese Rat-
losigkeit bei der unbeholfenen Gestaltung
der Arme bemerkbar, die stummelartig
herabhängen, als wären sie amputiert. Die
Unterschiede gehen übrigens aus den
reproduzierten Photographien deutlich her-
VOI.
Abschließend möchte ich nur von neuem
an das erinnern, was übrigens sehr treffend
Dr. Vydrovä in ihrem Bericht für den
VII. internationalen Glaskongreß in Brüssel
ausgedrückt hat, und zwar daß die Rich-
tung, in der sich das Studium der Biemann-
Frage entfaltet, mehr oder weniger ein
bloßes Hin- und Hertappen ist. Der einzige
Sinn der zahlreichen Studien besteht im
emsigen und oft nicht sehr kritischen
Ausündigmachen neuer Arbeiten des Künst-
lers, und nur selten wird der Versuch
gemacht, das Material von einer anderen
Seite aus zu betrachten als unter dem
registrierend-dokumentierenden Gesichts-
winkel. Wir wissen heute von über 70 Ar-
beiten, die mehr oder weniger zu Recht
Biemann zugeschrieben werden. Dreiund-
dreißig davon sind signierte Glasgegen-
stände, zwanzig gleichfalls signierte kennen
wir nur von erhaltenen Gipsabgüssen her.
Die übrigen Arbeiten - Glasgegenstände
oder Abgüsse - sind nicht signiert. Gewiß
sind viele davon ganz zweifellos Biemanns
Werk, jedoch einzelne von ihnen geben
zu berechtigten Zweifeln Anlaß. Klarheit
kann hier nur eine eingehende Analyse
eines jeden einzelnen Stückes schaffen,
seine chronologische Einreihung, seine
Beurteilung vom Standpunkt der formalen
und technischen Durchführung sowie das
Herausfinden charakteristischer Merkmale
von Biemanns Glasschneiderhandschrift und
begreiflicherweise auch das Bestreben nach
Identinzierung der bisher unbekannten auf
den Porträts abgebildeten Personen. Als
ich den Pokal mit dem Bildnis Friedrich
Wilhelms aus dem Museum von jablonec
untersuchte, wa.t ich bemüht festzustellen,
wodurch sich die einzelnen böhmischen
Gläser voneinander unterscheiden, und
zwar nicht nur in formalen Oberflächlich-
keiten, sondern unmittelbar durch die
Technik der Arbeit und durch die Spuren,
die auf ihnen die Hände und die Instru-
mente des Glasschneiders hinterlassen ha-
ben. Dabei verließ ich mich nicht auf das
Auge oder die Lupe, sondern beriet mich
mit den besten heutigen böhmischen Glas-
Schneidern, wie C. Cejnar, P. l-llava,
A. Matura und J. Soukup. Aus diesen
Untersuchungen ergab sich, abgesehen von
einer Fülle von Erkenntnissen, auch die
Überzeugung, daß hier noch ein nicht
genutzter Weg zur Präzisierung der kunst-
geschichtlichen Identifikation besteht, ein
Weg, der sich gerade im Falle von Bie-
manns Werk als sehr nützlich und auf-
schlußreich erweisen kann.
ANMERKUNG 13
u Von neuem untentreid-ic ich die Bedeutung des nonchnlan:
übergeworfencn Mantels und Bicmanns Vorliebe rur
malerische Details diescr Art, die wir an einer Reihe
seiner bcsrcn Porträts aus den ahxen urn m0 feststellen
können. Ich erinnere nur an zs Bildnis einer russischen
Dame vom Jahr 1829 (Pazaurek, Abb. so), das der Griün
Wrangcl (Pazaurck, Abb. 91), m das Bildnis einer jungen
Frau in der Wiener Sammlung Dr. Karl Ruhmanns
34
(Peäatovä, Abb. 39) und weitere Porträts. Das Motiv
des malerisch drapicnen oder übzrgeworfcncn Mantels
ündcn wir auch in dem signicrlcn Mänucrporträ! des
vucnfdrmigcn Bechers im Düsssldorfcr Museum (Streit-
Lauer. Abb. 12). auf dem Porlrätabguß eine: nicht-
identifizierten Erzherzog in den Sammlungen des Prager
Kunstgcwcrhemuseum: und schlicßlith auf dem ge-
boxstcncn Mzdaillonabguß mit Ofüziersporträt aus dem-
selben Museum (Pcäarovä, Abb. 2a).