Realitötsgrad zu blicken scheint. Das Bild ..Dos
rote Doch" (Abb. 3) scheint uns für diese Art des
Darstellens besonders typisch zu sein.
Die eigenartige ..Realitöt des irrealen" bezieht
sich naturgemäß nicht nur auf die Raumauffassung.
sondern auch auf die Farbe. Der Künstler ist in
dieser seiner jetzigen Entwicklungsphase stets be-
müht. ihr jene Eigenschaft des ..Leuchtens von
innen" her zu geben, die wiederum bei den
Kathedrolfenstern der Gotik anzutreffen ist und
das Kunstwerk von oußerbildlichen Lichtquellen
unabhängig zu machen scheint. Die kolaristische
Grundhaltung seinertypischesten und besten Werke
wird also von dem bestimmt, was Wolfgang Schöne
als ..Leuchtlicht" bezeichnet hat. -
Ein weiterer Faktor unterstreicht das Gesamtbild,
das wir uns von Oberhubers Schaffen bereits
machen konnten: Es ist das von Haftmann postu-
lierte Moment der Ordnung und Ent-Chaotisierung.
Es gibt keine klareren. einleuchtenderen Bild-
kompositionen als die Oberhubers. Sie sind in
vielen Füllen zutiefst vom Geiste der Rektangu-
laritöt bestimmt. ohne doch je vom Terror des
Richtscheites und des Zirkelschlags beherrscht zu
werden. Oberhuber baut seine Bilder wie ein
Architekt aus einfachen Grundelementen. Selbst
bei den am stärksten naturalistischen Arbeiten wie
etwa dem schönen Hafenbild ..Masten" (Abb. 4)
wird die Bildkomposition vom Drange nach größt-
möglicher Vereinfachung beherrscht. lst in dieser
Schöpfung der Grundgedanke des "reinen" rech-
ten Winkels bestimmend, so herrscht in einer
seiner neuesten Kompositionen. der "Theater-
szene 7 Lulu" (Abb. 2. Linz, Neue Galerie - Wolf-
gong-GurIitt-Museum) das Prinzip des Kreisens und
der Durchdringung verschiedener Kompositions-
elemente. Architektur -- auch die der Schiffe f.
das ist Ruhe. Ordnung, Gesetztheit; aber das Leben
ist Bewegung und Begegnung, Sichdurchdringen
und Sichabstoßen. Kreisen und Verweilen in einem.
Und so wird das Bild der münnerverschlingenden.
zum Opfer ihrer eigenen Schicksalhaftigkeit wer-
denden Dramenfigur Wedekinds zum Gleichnis
des Lebens schlechthin.
Entscheidend scheint uns zweierlei zu sein - zum
ersten die Tatsache. daß Oberhuber seine Prin-
zipien niemals so verabsolutiert. daß dadurch die
lebendige. direkte Anschaulichkeit seiner Arbeiten
bedroht werden wurde. zum anderen aber auch
das Ergebnis seiner Bemühungen. das 7 ob ge-
wollt oder ungewollt. ist primär nicht entschei-
dend 7 eine Steigerung des Motlvlichen ins Sym-
bolhafte,Typische. Übersubiektive zum Ziele hat.
Eine der Leittypen seines Schaffensistimmer wieder
der Clown, der innerlich wic äußerlich Moskierte.
Das beweist schon der Clown in der vorhin be-
sprochenen Theaterszene aus ..Lulu". Er trügt
ohne Zweifel selbstportröthafte. aber auch gleich-
nishafte Züge und bezieht sich auf das "Große
Spiel" zwischen den Geschlechtern. das Auf und
Ab des Sichanziehens - und Sichabstoßens, auf Ko-
mik und Tragik des Liebeswerbens. aufden Zwang
des Sichkostumierenmüssens. das mit jeder Begeg-
nung zwischen den Geschlechtern verbunden ist.
Sind diesem wichtigen Bilde noch stark expressive
Züge zu eigen. so bringen andere Schöpfungen
in Steigerung der vorerwühnten Tendenzen eine
Betonung des Puppenhaftcn. ia eine Art von
marionettenhafter Vertotung und Entwirklichung
aufs Tapet.
Die ..Drei Könige" (Abb. 6) wirken in ihrer
kompositorischen Strenge noch maskenhatter und
..vertormelter". als dies rein vom Motiv her zu
erwarten gewesen wäre. Und die Menschen in
der "Pariser Straßenszene" (Abb. 1) gleichen nun
in der Tat schemenhaften. hölzernen und dennoch
körperlosen Puppen. die sich in beklemmender
Lautlosigkeit aneinander vorbeibewegen. Im ..Erz-
berg" (Abb. 5) schließlich ist kaum noch eine Spur
von organischem Leben wahrzunehmen: Hier
stehen wir gleichzeitig vor dem wohl am kon-
sequenlesten von geometrischen Elementen be-
stimmten Bildbau des Künstlers. In dieser Welt, die
uns hier vorgeführt wird. hat die Technik einen
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totalen Sieg über die Natur errungen. Aber dieser
Sieg der Technik über die Natur liegt gewisser-
maßen in der Natur selbst vorbereitet. Es gibt
nicht wenige anorganisch wirkende Blumen und
zahllose maschinenartige. apparothaftc Insekten.
und gerade diesen Wesen begegnen wir immer
wieder in Oberhubers Schaffen. Das Insekt ist das
külteste aller Lebewesen. und Blumen wie die
..Kalla" haben etwas Artilizielles an sich. das die
Idee der Vertotung des Organischen noch stärker
beinhaltet als die Welt der Insekten.
Dieses Vertotungserlebnis aber gehört zu den
Grundsymptomen unserer Zeit. es ist zutiefst ver-
wandt mit dem. was heute mit einem Modewort
ols..Vertremdung" bezcichnetwird. SolcheWesens-
züge W von denen aus sich eine Brücke zum Sur-
realen schlagen lößt - hat es in der Kunstge-
schichte immer wieder gegeben, vor allem in der
Periode des historischen Monierismus. also vor und
in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie sind
stets Zeichen einer fundamental gestörten gesell-
schaftlichen. weltanschaulichen und psychischen
Struktur und bezeugen damit einen Zeitgeist. der
mit sich selbst und der Welt nicht fertig wird.
Aber gerade das. nämlich der leidenschaftliche
Wille. sich einen neuen geistigen Standort zu er-
obern. ist Oberhubers Lebensonliegen. Unser
Künstler ist ein Mann der Tat, eine Persönlichkeit
von klarer Energie und zielgerichtetem Willen.
Soziales Verantwortungsbewußtsein ist einer der
Grundzüge seines Wesens, die Sorge um den
Menschen ..an sich" ist das Grundthema, das hinter
all den formalen und thematischen Problemen auf-
gefunden werden kann. die Oberhuber behandelt.
wobei jedoch immer nur zu Formulierungen aus
der Welt der Gleichnisse und Symbole gegriffen
wird, um jegliches Abgleiten ins Illustrative,
Literarische zu vermeiden.
Ein langer Lebens- und Entwicklungsweg war not-
wendig. ehe der Künstler zu seinem heutigen
Standort gelangte. 1906 in Zeltweg geboren.
studierte er an der Wiener Kunstgewerbeschule
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