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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

Gewiß. der Auftraggeber ist nicht unfehlbar, aber auch der Künstler, vor allem in seiner Selbsteinschätzung. 
ist es nicht. Für unfehlbarscheinen sich nurgewisse Kunstrichter zu halten. die immer ..ihrer Zeitso unsagbar 
voraus" sind. Leider vermag ich mich des Eindruckes nicht zu erwehren, daß es so manchem konstant 
bösartigen Kritiker nicht um Sachiichkeit, sondern einfach um die Sache geht: Diese, die Aktivität des 
anderen. und vor allem die Tatsache, daß der andere seine Möglichkeiten nützt. sind ihm ein Dorn im 
Auge. Die Objektivität wird von manchem nicht gerne gesehen. mit der gerade von seiten der Gemeinde 
Wien vorgegangen wird und wurde. Schließlich schließt der Umstand. daß der Beamte als Staatsbürger 
von Fall zu Fall aufgerufen wird, sich durch die Abgabe eines Stimmzettels für eine politische Partei zu 
entscheiden. oderdaß er sich mitunter als Privater sogar offen zu dieser bekennt, also ..ldeologiegebunden- 
heit" vorliegt, nicht aus, daß er in seinem Fache objektiv handelt, zumal es seine erste Pflicht ist. so zu 
handeln. Es ist besser. ideologisch gebunden als an eine kleine lnteressengruppe gebunden zu sein. 
.,Was die Kunstförderung tatsächlich fördert. ist die Verbildung des Charakters zu rezeptiver Biegsamkeit". 
Was meint Dr. Werner Hofmann damit? Doch nicht etwa. daß eine kleine, exklusive Galerie konstant ihre 
Maler immer wieder ausstellt, ihnen damit jedoch schlechte Dienste leistet. was man daran absehen kann. 
daß sie seit Jahren künstlerisch slilliegen? Natürlich, man versteht. der Angriffgeht nicht in diese Richtung. 
sondern immer nur gegen die "kunstfördernde" Tätigkeit der Gemeinde Wien. Wenn allen Ernstes immer 
noch behauptet wird. daß diese Gemeinde Wien Künstler. indem sie verlangt, sie hätten sich einer van der 
Architektur gegebenen Situation anzugleichen, "rezeptiv gebogen" hätte, dann erlaube ich mir Beispiele 
aus dem Ausland anzuführen: Ich frage jene. die um die Freiheit der Kunst besorgt sind, ob anderswo viel- 
leicht ei Ähnliches geschieht? Wie steht es um das Betonrelief von Pablo Picasso am „Haus der Architekten- 
kammer" in Barcelona. der Mosaikwand von Juan O'Gorman an der Zentralbibliothek in Mexiko. um 
das Relief von Henry Moore am Bauzentrum in Rotterdam oder das Wandrelief aus Messing von Zoltan 
Kemeny im Stiegenhaus der ..Hochschule für Wirtschaft und Sozialwirtschaft in St. Gallen"? Würde man 
hier auch sagen. daß jemand ,.rezeptiv verbogen" wurde, nur deshalb. weil er sich einer durch die Archi- 
tektur erforderlich gewordenen Aufgabe anpaßte? Glaubt man. daß sich Henry Moore ,.rezeptiv ver- 
biegen" ließt 
Natürlich ist es kein Geheimnis. daß manche Künstler für eine Arbeit, weiche die Verbindung mit der 
Architektur erfordert, so sehr begabt. wie andere dafür unbegabt sind. Und es haben im Laufe der Zeit 
zweifellos solche. die keine echte Begabung hatten. in der Meinung. "sie würden es schon zuwege bringen". 
sich um einen Auftrag beworben, ihn erhalten und dem eigenen Vermögen folgend dann eben schlecht 
erfüllt. Doch wer will ernsthaft dafür den Auftraggeber verantwortlich machen? Hier muß nicht unter- 
sucht werden. ob das fehlende Vermögen. sich einer gestellten Aufgabe unterordnen zu können, ein Mangel 
oder kein Mangel ist. Ich wüßte jedenfalls nicht zu erkennen, wo im Fehlen der Vorteil liegen sollte. obwohl 
dies manchmal als ein solcher hingestellt wird. 
Wenn jemand eine Sache zuwider ist. weil sie nicht in sein Konzept paßt. so ist es seit eh und je die einfachste 
Taktik, sie lächerlich zu machen oder zu sagen. sie sei an und für sich schlecht. Doch daß es heute nicht 
mehr möglich sei. Kunst und Architektur in Verbindung zu bringen. was. um die Sache ein für allemal 
negativ zu erledigen, von manchen Kritikern aus "kunstpolitischen" Erwägungen behauptet wird. stimmt 
nicht! Es gäbe sonst nicht überall aufder Welt Beispiele: gute. weniger gute und schlechte. wie im kleinen 
Rahmen in Wien auch. Jedenfalls ist es unnötig. immer an die Substanz zu gehen. die Sache gleich an der 
Wurzel zu erledigen. damit sie nur ja nicht mehr gut wird. Doch allzusehr strebt man nach der Monopol- 
stellung, und nur wenige Privilegierte will man haben. denen man das Prädikat „Kunst" verleiht. Das geht 
seit neuestem so weit, daß man nicht nur einzelne Künstler und ihre Erfolge totschweigt. man verdächtigt 
bereits ganze Gruppen: Man verdächtigt sie politisch. als politischen Gegner. und das nur. um einen „kunst- 
politischen" Rivalen. der einem unbequem werden könnte. aus der Arena zu schaffen. Daß .,von der um- 
stündlich-ausführlichen Feinmalerei" der „phantastischen Realisten" im besonderen .,die sogenannte 
Linke" in Österreich eingenommen sein soll. ist wohl sehr einfach gedacht. Oder soll man daraus schließen, 
daß die andere große Gruppe der in Wien wirksam werdenden Maler. die Abstrakten. um so mehr von 
der "Rechten" akzeptiert wird? Es ist neu. zu hören. daß die Österreichische Innenpolitik so weit in das 
Kunstleben eingedrungen sein soll. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen. daß die Künstlerschaft eine 
solche Zweiteilung gutheißen würde. Ungewöhnlich erscheint mir vor allem. und das will ich besonders 
betonen, daß in die Debatten um die Kunst seit neuestem solche Töne getragen werden. Ich lehne das ab. 
In kulturellen Dingen ist weitgehend sogar der Weltfriede gewahrt. 
"Geistige Beweglichkeit hat dem Künstler in unserem Jahrhundert noch nie geschadet" w das ist. richtig 
verstanden. ein richtiger Satz. Nun wird diese Beweglichkeit zumeist so ausgelegt. daß man jeder modischen 
Neuerung nachlaufen soll. Leider gibt es für eine solche Haltung zu viele Beispiele. Und wer setzt die 
Wertungen fest. ob jemand beweglich ist oder nicht? Der Kritiker? Der Künstler als Kritiker? "Glauben 
Sie niemals unser Urteil über andere Künstler". sagte einmal ein Maler zu mir. Aus dem gleichen Grunde 
glaube ich keiner Gruppe. die. um bestehen zu können. ein Exklusivrecht beansprucht. Freilich ist es das 
gute Recht des Künstlers, sein Interesse im Verband einer Gruppe zu vertreten. Zwar erfordert die Härte 
des Konkurrenzkampfes von ihm dieses Verhalten, weil er. um sich behaupten zu können. als einzelner 
zu schwach ist: doch ebenso ist es für den Chronisten (daß man für die Leistungen seiner Gegenwart sachlich 
mehr sein kann. bestreite ich nämlich) eine Pflicht. über diesen Gruppen zu stehen und zu Wort kommen 
zu lassen. was Anspruch darauf, ernstgenommen zu werden. erheben kann. Freilich ist Herr Baum über 
meine Wendung: ..Die einzige Möglichkeit. Fehlern aus dem Weg zu gehen. besteht darin. nach keiner 
Seite hin zu beschränkt auszuwählen". gestrauchelt. Aber ich kann ihm leider nicht helfen, dabei muß 
ich bleiben! Dieser Satz umschreibt nömlich nur das Wort ..Verantwortungsbewußtsein". und das gehört 
nun einmal zu den wichtigsten Kriterien. die den "Chronisten" überhaupt zu seinem Amt befähigen. Ob 
der Kritiker ein solches Verantwortungsbewußtsein besitzen muß. beziehungsweise ab er es mit seinem 
Eintreten für eine bestimmte Gruppe erschöpfen darf, wird er letzten Endes bei sich selbst entscheiden. 
Durchaus ist es aber nicht so, wie Dr. Werner Hofmann sagt: .,Wer zu allem sein Plazet gibt. zeigt damit 
nur. daß ihm alles gleich gültig, also gleichgültig ist." Diese Behauptung vereinfacht die Situation in 
unzulässiger Weise. Hier scheiden sich die Geister! Abgesehen davon. daß zu .,olIem" sein Plazet zu geben 
heißen würde. es auch zum Minderwertigen zu geben. Das geschieht nicht. Das Plazet nur den Bemühungen 
einer kleinen Gruppe zu geben. würde dem, der es ausspricht, die Bedingung auferlegen. unfehlbar zu 
sein. Diese Unfehlbarkeit nehmen zwar manche Menschen für sich in Anspruch, aber ernsthaft ist daran 
nicht zu glauben. 
Es giltfür den Künstler wie für den Beobachter, zwischen einem echten Erkennen der Gegenwart und der 
Verherrlichung all dessen. was die Gazetten als moderne Kunst anpreisen. die richtige Position zu ünden. 
Zu reden und sogar noch zu schreiben. ist leichter. als richtig zu handeln. Ich höre aus vielen Kritiken 
immer nur die Verneinung heraus. Wir warten auf konstruktive Vorschlage! Ich weiß aber. daß dies 
Anstrengung erfordert. 
Sehr geehrter Herr Doktor Mrazek. ich möchte wünschen. daß Sie sich von meinen Ausführungen nicht 
persönlich betroffen fühlen. lch danke Ihnen. daß Sie mir zu einer Entgegnung Raum gegeben haben. 
Sie werden verstehen, daß die beiden eingangs zitierten Artikel Anlaß genug zu einer Erwiderung waren. 
Mit den besten Empfehlungen 
Ihr sehr ergebener 
Ruberl Waiumberger
	        
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