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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

Um den wichtigsten kritischen Einwand 
gleich vorwegzunehmen: die Ausstel- 
lung litt an ihrer Überfülle. Sie war 
offensichtlich zu breit geraten. enthielt 
zahlreiche Blätter, die künstlerisch kaum 
von Bedeutung sind und für sich selbst 
nur schwer bestehen, und brachte sich 
daher um einen Teil ihrer möglichen 
Wirkung. 
Daß Wotruba viel und mit Ausdauer 
zeichnet, wüßte man auch, wenn man 
den Umfang der Ausstellung reduziert 
und dafür die Auswahl kritischer vor- 
genommen hätte. Neben wenig ge- 
glückten Skizzen und mehreren zu 
dicht geratenen. verzeichneten Blättern 
aus jüngster Zeit hätte man aber auch 
auf die einer Reihe von Kleinplastiken 
gegenübergestellten Ölbilder verzichten 
können, die für Wotrubas Gesamtwerk 
in keiner Weise von Bedeutung sind. 
Es kann aber dennoch kein Zweifel 
darüber bestehen. daß die umfassende 
Albertina-Ausstellung im großen und 
ganzen ihrer Aufgabe gerecht wurde, 
vermittelte sie doch einen informativen 
Einblick in die Arbeits- und Denkweise 
des bedeutenden Bildhauers. in die 
verschiedenen Abschnitte seines reichen 
und fruchtbaren Schaffens. Darüber 
hinaus wurde die umfangreiche Re- 
trospektive dort zum spontanen Erlebnis, 
zur erregenden Reflexion für den Be- 
sucher, wo man in ihr - was sehr oft 
vorkam - genialen Zeichnungen be- 
gegnete. die in ihrer asketischen Herb- 
heit und Strenge, in ihrer knappen 
zeichnerischen Meisterschaft als voll- 
gültige Zeugnisse künstlerischen Tuns 
in Erscheinung treten. 
,.Die menschliche Figur ist für mich nach 
wie vor Anlaß meiner Arbeit, sie steht 
am Beginn und wird am Ende stehen. 
lch sehe das Thema durch nichts be- 
schränkt und so aktuell als je." Dieses 
geradlinige Arbeitsdogma Wotrubas 
trifft für den Bildhauer genauso zu wie 
für den - anfangs von seinem Lehrer 
Hanak beeinflußten 7 Zeichner. Der 
Grad der Abstraktion und die Art der 
Artikulation unterliegen im Sinne einer 
immer stärkeren. wesenhafteren Ver- 
dichtung dem Wandel der Zeit, das 
Bekenntnis des Künstlers wurde da- 
durch allerdings nicht berührt und hat 
bis heute nichts von seiner Glaub- 
würdigkeit eingebüßt. 
Verhältnismäßig früh (Zeichnungen aus 
den Jahren 1930 bis 1932 lassen das 
schon erkennen) macht sich die für 
Wotrubas Stil typische Tendenz zur - 
anfänglich e röhrenartigen Form und 
- späteren 4 blockartigen. geschlos- 
senen, gleichsam gepanzerten Figurci- 
tion bemerkbar. 
Auch im Strich zeigt sich ein augen- 
fälliger, langsam und ohne Bruch von- 
statten gegangener Wandel. Die spar- 
same Umrißlinie. mit der Wotruba 
seine Figuren im wahrsten Sinne des 
Wortes maßvoll hinzeichnet. weicht in 
der Graphik der letzten Jahre immer 
mehr einer differenzierten spannungs- 
reichen Dynamik mit einem ausge- 
prägten Hang zum Architektonischen. 
ln der verhaltenen. herben, ja geradezu 
unauffälligen Schönheit liegt die Größe 
der Zeichnungen dieses Künstlers. 
Ihrem eingehenden Studium galt die 
zu zahllosen Vergleichen herausfor- 
dernde, an Spitzenwerken reiche Aus- 
stellung der Albertina, die in vorder- 
ster Linie mit dazu beitrug, Maßstäbe 
zu bilden und zu sehen (Abb. 3. 4). 
Peter Baum 
SECESSION: 
Malerei und Plastik aus Schweden 
Kollektiven Oskar Matullas und Jean 
de Bottons 
Die Formvollendetheit und gediegene 
Qualität skandinavischen Kunsthand- 
werks wird auf der ganzen Welt ge- 
schätzt und bewundert. Wer das 
nötige Empfinden und Einfühlungs- 
vermögen für einfache, organische 
Formgebung besitzt. greift gerne zu 
den Schöpfungen nordischer Künstler. 
und zwar auch dann, wenn der Preis, 
der dafür zu bezahlen ist, auf Grund 
hoher Zölle erheblich mehrbelastet 
wird. 
Weniger bekannt als die angewandte 
Kunst, die gediegenen Möbel und das 
schöne Kunsthandwerk ist hierzulande 
die freie bildende Kunst der skandinavi- 
schen Länder. Es war daher besonders 
begrüßenswert, daß vom Schwedischen 
Institut für kulturellen Austausch die 
Initiative zu einer großen Querschnitts- 
ausstellung zeitgenössischer schwedi- 
scher Malerei und Plastik in der Wiener 
Secession ergriffen wurde. Die locker 
und übersichtlich arrangierte Expo- 
sition wirkte dank der knappen Aus- 
wahl durchaus respektabel - manche 
der in Wien gezeigten Beiträge be- 
sitzen sogar europäisches Format. 
Der Hang zum Abstrakten ist auch bei 
den Schweden dominierend, die per- 
sönlichen Varianten und mit neuesten 
Tendenzen sympathisierenden Misch- 
formen, in denen er zum Ausdruck 
kommt, zeigen allerdings überraschend 
viel Eigenständigkeit. 
Die großen, skizzenhaften und doch 
alles eher denn unfertig wirkenden 
Abstraktionen des 1920 geborenen Lage 
Lindell sind qualitätsvolle. spannungs- 
geladene Beispiele formalen Gestaltens. 
das auf einem soliden. verschieden 
deutbaren geistigen Fundament ruht. 
Die Temperabilder von Olle Angkvist 
haben etwas vom psychographischen 
Automatismus eines Twombly und den 
Strukturbildern des Deutschen Schu- 
macher an sich. Es sind feinnervige. 
detailreiche und stellenweise in Col- 
lagetechnik gehaltene Kompositionen 
in hellen Tönen von gleichermaßen 
grophischem wie malerischem Reiz. 
Bei Sten Duner verbinden sich ab- 
straktive Komponenten mit realistisch 
inspirierter Darstellung und deutlichen 
Pop-Art-Einflüssen zu einer überaus 
eigenwilligen Synthese. Die ganz und 
gar malerische Handschrift, ein Schuß 
Humor und die daraus resultierende 
Zeitkritik machen den Charakter dieser 
Bilder aus. 
Rune Janssons großflächige, mitwenigen 
Wischern und Bleistiftstrichen aufge- 
lockerte Formate mit ihrem Hang zum 
Landschaftlichen, zum Naturhaften in 
einem allgemeineren Sinn übertreffen 
die konventionelleren, expressionisti- 
schen Malereien von Evert Lundquist 
genauso wie die eigenartigen, doch 
recht oberflächlichen Tachismen von 
Karl Marin und manches andere. was 
sonst noch auf dem Sektor der Malerei 
zu sehen war, 
Wenig beeindruckt zeigte man sich 
hingegen von der schwedischen Plastik, 
wo neben Spielerischem (Per Olaf 
Ultvedts ,.Bildzerstörer") und ästheti- 
schen .,Optochromis" Eric H. Olsons 
die amorph wirkenden Gebilde Tony 
Ernilsons als diskussionswürdiger Bei- 
trag figurierten (Abb. 5-8). 
Eine gelungene kleinere Ausstellung 
widmete die Wiener Secession ihrem 
Mitglied Oskar Matulla. Sie umfaßte 
Ölbilder, Aquarelle. Forbholzschnitte, 
Hochätzungen, Radierungen und eine 
Reihe anderer Drucke, die die Viel- 
seitigkeit des Malers und Graphikers 
einmal mehr bewiesen. Die eigentliche 
Entdeckung der Schau waren vor 
allem sechs weitestgehend abstrahiene 
Aquarelle, deren gestalterische Kon- 
sequenz und künstlerische Qualität 
beeindruckten. 
Matulla. der in seinen durch den Ex- 
pressionismus und Kubismus inspirierten 
Ölbildern kälter und nüchterner wirkt, 
erreicht hier eine formale Prägnanz 
und farbige Sensibilität wie selten. 
Dichte, spannungsreiche Radierungen 
ZU Georg Brittings „Die Lebensge- 
schichte des dicken Mannes, der Hamlet 
hieß" und illustrative Hochätzungen zu 
jüngsten Werken der Dichter Alois 
Vogel, Alfred Gesswein und Siegfried 
Freiberg zählten ebenfalls zu den 
Aktivposten der Ausstellung. 
Geistige Verbundenheit und stilistische 
Abhängigkeit zur Ecole de Paris doku- 
mentierte der Maler. Bildhauer und 
Schriftsteller Jean de Botton mit einer 
Kollektive neuerer Ölmalereien. 
Botton ist fasziniert von der Vielfalt 
und Buntheit der Farben, Er besitzt 
viel Sinn für harmonisches Komponie- 
ren, für delikates Arrangement. Botton 
ist dem Heiteren, Ungezwungenen ver- 
haftet und nicht dem Grüblerischen, 
Problematischen und Intellektuellen. 
Wer das Dekorative sucht, kommt bei 
ihm voll auf die Rechnung. Stilleben a 
la Georges Braaue und geschickt 
abstrahierte Landschaften zeigen allent- 
halben großes handwerkliches Können 
und eine erstaunliche Virtuosität in der 
Handhabung formaler Elemente. 
KUNSTLERHAUS: 
Ausstellung Carlos W. Aliseris 
Dcr Geschäftsträger der Republik Uru- 
guay in Wien. Carlos W. Aliseris, ist 
nicht nur Maler, sondern auch Diplo- 
mat. Diese Umkehrung mag zwar etwas 
verwirren, besitzt aber gerade bei 
demjenigen Berechtigung, der in ähn- 
licher Weise wie Aliseris in erster Linie 
zum Künstler berufen ist und dabei 
dennoch einen verantwortungsvollen, 
viel Geschick erforderlichen ..Brot- 
beruf" ausübt. lm Französischen Saal 
des Wiener Künstlerhauses konnte sich 
jeder Interessierte davon überzeugen, 
wie sehr Carlos W. Aliseris Maler ist 
und von welcher spezifischen Eigenart 
seine Bilder sind, Der kleinkalibrig- 
rhythmische Bildkosmos, der sich in 
ihnen auftut, erinnert an Pflanzen- 
haftes. Vegetatives, an die reiche 
Blumen- und Tierwelt des südameri- 
kanischen Kontinents, Kraftvolle Far- 
ben, gegenständliche und abstrakte 
Elemente verbinden und verdichten 
sich insbesondere in den drei großen 
Triptychen zu eigenwilligen Schöpfun- 
gen. die einerseits an Hieronymus 
Bosch erinnern. anderseits aber auch 
etwas vom Heute. von der Zeitkritik 
unserer Tage in sich tragen. Man 
braucht viel Geduld. um die Bilder 
dieses Künstlers geistig zu durchwan- 
dern und ihren Symbolgehalt aufzu- 
decken (Abb. 9). 
GALERIE WÜRTHLE: 
Ehrung für Alfred Wickenburg 
Sowohl die Graphische Sammlung 
Albertina als auch die Gaterie Würthle 
nahmen den achtzigsten Geburtstag 
Alfred Wickenburgs zum Anlaß von 
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