Dieter Koepplin
ALTDORFER UND DIE
SCHWEIZER
Im Bestreben, die weite Ausstrahlung der
Donaukunst zu demonstrieren, hat man in
die Ausstellung des Stiftes St. Florian (der
das 80. Heft dieser Zeitschrift gewidmet
war) auch einige Zeichnungen der Schweizer
Hans Leu, Urs Graf und Niklaus Manuel
aufgenommen (KaL-Nr. 3404343, 347-
352). Ihre Situierung in den „Umkreis
XVolf Hubers" rnuß als eine Verlegenheits-
lösung gelten. Im Geleitwort (Kat. S. llOf.)
wird sie freilich mit der Beziehung des
Feldkircher Meisters Hans Huber, der ver-
mutlich ein Verwandter, wenn nicht der
Vater von Wolf Huber gewesen ist, zu
Graubünden gestützt. Dieser Hinweis
scheint uns von den primären kunstge-
schichtlichen Beziehungen zwischen den
Donaumeistem und den Schweizern abzua
lenken. Die Schweizer Zeichnungen standen
in St. Florian darum so isoliert da, weil
die Brücke zu Altdorfer weggelassen wurde:
der Künstlerkreis um Albrecht Dürer. Man
hat auf Yiferke dieses Kreises vielleicht
darum Verzichtet, weil sie 1961 in einer
Nürnberger Ausstellung studiert werden
konntenl. Wenn sie aber im Katalog gar
nicht erwähnt werden, so dürfte der fol-
gende „Lageplan" und Diskussionsbeitrag,
der nicht mehr als dieses sein will, nicht
ganz überflüssig sein.
Die Verwandtschaft zwischen den führen-
den Donaumeistern und einzelnen Schwei-
zer Künstlern ist immer empfunden, noch
nie aber sorgfältig analysiert wordenl.
Wenn einmal erkannt ist, daß zwischen
der „Alpenkunst" von Österreich-Tirol
und derjenigen der Schweiz in der ent-
scheidenden ersten Zeit der Ausbildung
des Donaustils eine Kluft bestanden hat -
Poeschel3 wies nach, daß Graubünden im
frühen 16. Jahrhundert künstlerisch eine
Provinz Schwabcns gewesen ist -, so
engt sich das Problem im Wesentlichen
vielleicht auf die folgenden Fragen ein:
1. wann und wie haben sich Hans Baldung
und die Künstler seines Umkreises (vor
allem Leu und der Meister des Obersten-
felder Altares von 1512) mit Altdorferischer
Kunst auseinandergesetzt (auf Baldung und
Leu scheinen die Donaukunstelemente in
den Werken von Graf und Manuel zurück-
zugeben); 2. welche kunstgeschichtliche
Auswirkung hat die Präsenz des Kaisers
Maximilian rings um das eben erst er-
weiterte und konsolidierte Schweizer Terri-
torium gehabt?
Für die zweite Frage, die sich mit der
ersten vielfach berührt, war in St. Florian
die Kam-Nr. 426 bemerkenswert: Minia-
turen mit teilweise ausgeprägtem Donau-
stilcharakter, die 1518 anscheinend in
Freiburg im Breisgau (das habsburgisches
Untertanengebiet war!) für Maximilian ge-