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die von den mährischen Archäologen schon
für die Zeit vor 700 festgestellten ausgedehn-
ten Burganlagen im Marchgebiet bestätigt
wird.
Die vernichtende Niederlage, die die Awa-
ren 626 vor Konstantinopel erlitten, hin-
derte sie daran, ihre slawischen Nachbarn
weiterhin zu bedrohen. Erst als ihr Reich
gegen das Jahr 700 wieder erstarkte,
wurden sie den Nachbarvölkern neuerdings
gefährlich. Aber die Slawen hatten diese
Gefahr vorausgesehen. Dem Namen nach
unbekannte, aber sicherlich außerordentlich
befähigte Stammesfürsten im Marchgebiet
hatten ihre Gefolgschaften straff militärisch
organisiert und insbesondere starke be-
rittene Truppen zur Abwehr der awarischen
Steppenreiter aufgestellt. Nirgends in
Europa fand man so viele Reitersporen
beisammen als in den älteren Schichten
der siidmährischen Burgen, welch letztere
bereits damals mit holzgefütterten XWall-
mauern großen Umfanges geschützt wa-
ren. _
Im donaunahen Gebiet der Slowakei und
des niederösterreichischen Weinviertels las-
sen sich im Laufe des 8. Jahrhunderts
militärische Sicherungsposten der Awaren
nachweisen, die zeigen, daß das slawische
Land bis etwa in die Höhe des Thayalaufes
in klienrelmäßiger Abhängigkeit vom pan-
nonischen Nomadenreich gehalten wurde.
Die Zentren der mährischen Stämme nörd-
lich davon konnten sich jedoch anscheinend
ihre Freiheit voll erhalten.
Als dann ab 791 die Heere Karls des Großen
die Macht der Awaren zerschlugen, begann
für die nun von der Gefahr aus dem Süd-
osten befreiten slawischen Völkerschaften
die große Zeit. Städte, Burgen und Märkte
blühten im March- und Neutragebiet auf,
die baierische und die oberitalische Kirche
sandten ihre Missionare, die im Einver-
nehmen mit den lokalen Teilfürsten ihre
erfolgreiche Tätigkeit eröffneten. 822 wird
erstmals der Stamm der Mährer in den
fränkischen Annalen erwähnt. Und 830
hören wird, daß der Miihrerfürst Moimir
das Gebiet des Fürstentums Neutra seinem
mährischen Machtzentrum angliederte, nach-
dem er den dortigen Herrscher Pribina
vertrieben hatte. Dieser letztere mußte ins
Karolingerreich fliehen, wo er die Taufe
nahm und bald darauf von König Ludwig
mit der Hut eines slawischen Herzogtums
in Pannonien betraut wurde. War Moimir
vorerst noch geneigt, die Oberhoheit des
fränkischen Reiches anzuerkennen, so ver-
suchte er bald schon sich dieser zu ent-
ziehen. König Ludwig der Deutsche unter-
nahm 846 eine Heerfahrt gegen ihn, setzte
ihn ab und machte an seiner Stelle dessen
Nelfen Rostislav zum Herzog. Aber auch
dieser strebte, gestützt auf seine blühende
Wirtschaft, seine Städte, Märkte und Bur-
gen _ deren ansehnliche Reste die neuen
Ausgrabungen der tschechoslowakischen
Archäologen ans Licht gebracht haben _
und sein wohldiszipliniertes Heer, nach
völliger politischer Freiheit. 853 erhob er
sich wieder und konspirierte zeitweilig mit
dem Königssohn Karlmann gegen Ludwig.
Kriegszüge gegen ihn führten 864 und 869
zu keinem Erfolg, woran, wie die Annalen
vermelden, vorwiegend die äußerst starken
mährischen Festungen die Schuld trugen.
Seine politische Freiheit suchte Rostislav
durch Selbständigkeitsbestrebungen auch
auf kirchlichem Gebiet zu untermauern.
Er wandte sich an den byzantinischen
Kaiser Michael mit der Bitte, ihm Priester
zu senden, die der slawischen Landes-
sprache mächtig wären. Die Brüder Kon-
stantin und Method aus Saloniki zogen
hierauf (863) nach Mähren und fanden,
wie überliefert ist, das Land bereits von
Bayern aus christianisiert und - wie die
neuen Ausgrabungen zeigen _ mit zahl-
reichen, aus Stein erbauten Kirchen übersät
vor. Sie übersetzten die Bibel und litur-
gische Schriften ins Slawische, erfanden
eine eigene Schrift und erhielten für ihre
Tätigkeit auch die volle Anerkennung der
Päpste. Method, der auch im pannonischen
Reich des Pribina, das nun nach dessen
Tod sein Sohn Kozel beherrschte, Fuß
gefaßt hatte, wurde nach Konstantins
(Cyrills) Tod 869 von Papst Hadrian zum
Erzbischof von Pannonien und Mahren
ernannt.
Rostislav wurde 870 von seinem Neffen
Svatopluk gestürzt und König Ludwig
ausgeliefert. Nach heftigen inneren Kämp-
fen wechselte Svatopluk 871 wieder zur
mährischen Nationalpartei über und ver-
nichtete das in Ivlähren unter den Grafen
Wilhelm und Engelschalk stehende Heer.
Von da ab blieb sein Reich vom Westen
unabhängig, der Fürst vermochte auch die
benachbarten Stämme (Böhmen, Sorben,
Slowaken etc.) unter seinen Einiluß zu
bringen.
Nachdem inzwischen Erzbischof Adalwin
von Salzburg die Ernennung Methods zum
Erzbischof von Pannonien als Eingreifen
in seine Sphäre bekämpft und Älethorl auf
einer S} node gefangengesetzt hatte, stellte
sich jedoch auch Papst Hadrians Nach-
folger, Johann VIII., auf Methods Seite
und zwang Adalwin, jenen 873 wieder aus
der Haft zu entlassen. In Mähren wurde
er von Svatopluk mit offenen Armen
aufgenommen, doch verschlechterte sich
später das Verhältnis zwischen Fürst und
Erzbischof aus uns unbekannten Gründen
immer mehr und mehr.
Um das Jahr 884 gelang es Svatopluk
auch, die zum Karolingerreich gehörigen
pannonischen Gebiete östlich des Wiener-
waldes seiner Machtsphäre einzugliedern.
In einer Zusammenkunft zwischen ihm
und König Karl III. „nahe dem Flusse
Tulln" mußte der letztere die gegebenen
Verhältnisse hinnehmen. Auch die Unter-
redung zwischen Svatopluk und König
Arnulf in „Omuntesperch" (wohl St. Mar-
tin-Klosterneuburg) fand an der neuen
Grenze beider Herrschaftsgebiete statt. 892
und 893 kam es neuerlich zu heftigen
Kämpfen, die jedoch keine dauernden Er-
folge für die Deutschen brachten. Auf-
fällig ist, daß nach Methods Tod (885)
Svatopluk, der nach Quellennachrichten
eine nahezu königliche Stellung einnahm,
sich von der slawischen Liturgie lossagte
und kirchlich wieder dem Westen an-
schloß.
Nach Svatopluks Tod (894) begann der
rasche Verfall seines Reiches. Seine Söhne,
Svatopluk der Jüngere und Moimir II.,
konspirierten und intrigierten abwechselnd
mit den ltarolingischen Grenzgrafen und
gegeneinander und machten ihr Reich so
zum Untergang reif. Obgleich wir über
das Ende nicht ausdrücklich unterrichtet
sind, ist wohl anzunehmen, daß die Ungarn,
die 907 durch ihren Sieg über den baieri-
schen Heerbann bei Preßburg den karo-
lingischen Ostgebieten den Untergang
brachten, auch das rnahrische Reich zer-
störten.
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