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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 85)

Josef Cibulka 
DIE FRÜHE CHRISTLICHE 
ARCHITEKTUR IN MÄHREN 
Als das Archäologische Institut der 
Tschechoslowakischen Akademie der Wis- 
senschaften von 1948 an in großem Aus- 
maße altslawische Siedlungen auszugraben 
begann, kamen dabei wider alles Erwarten 
die Reste von ungefähr 20 Steinbauten, 
zumeist von Kirchen, zutage, die man nach 
zugehörigen Grabfunclen dem 9. Jahr- 
hundert, also der Zeit des sogenannten 
großmährischen Reiches zuschreiben konnte. 
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Kirche Mikuleicc VIII 
Die Hauptfundorte sind in Mähren an der 
March gelegen: im Norden Star! Älärta 
(Altrladl) mit Alodrd und Xagly, wo V. Hrubj 
die Ausgrabungen unternahm, und im 
Süden der große Burgwall von Älikulrvire, 
wo  Paulik zahlreiche Kirchenreste ent- 
decken konnte. Auch an der Thaya, in 
Pnlmnsleo, legte Fr. Kalaurek in einem 
Burgwall die Reste einer großmährischen 
Kirche frei. In letzter Zeit wurden auf der 
Burg in Bratislava ebenfalls Fundamente 
einer solchen Kirche gefunden. 
Leider ist keiner von diesen Bauten ganz 
 
erhalten geblieben. Da. die Bewohner der 
benachbarten Ortschaften im Laufe der 
Zeit die Mauern der bereits verfallenen 
Kirchen bis auf den Grund ausgruben, um 
sich geeignetes Material für ihre eigenen 
Zwecke zu beschaffen, ist nur mehr wenig 
vom alten Bestand in ritu vorhanden. Die 
fehlenden oder durch die Aushebung der 
Mauern teilweise erweiterten Fundamente 
wurden mit übriggebliebenen Steintrüm- 
mern, Mörtelstücken und Humus neu 
aufgefüllt; alles das verband sich im Laufe 
der Zeit zu einer kompakten Masse und 
gibt heute eine Vorstellung der ursprüng- 
lich angelegten Grundmauern, ohne ihre 
exakten Formen und genauen Ausmaße zu 
wahren (Abb. 1). Die so verunstalteten 
Grundrisse bieten die einzige Voraus- 
setzung, um die bisher gefundenen Kirchen- 
reste nach ihren Typen in drei Gruppen 
und vier Einzelfälle zu ordnen und mit 
Hilfe dieser Gliederung ihre formale Her- 
kunft zu ermitteln. 
Die Mauern dieser Kirchen bestanden aus 
mörtelgebundenen und Hachgeschichteten 
Bruchsteinen. Diese Bautechnik war in 
Mähren früher unbekannt und entsprach 
auch nicht der Bauweise der eingewan- 
derten Westslawen. Dagegen war sie in den 
nördlichen Provinzen des römischen Reiches 
vielfach verbreitet und erhielt sich dort 
stellenweise bis in das frühe Mittelalter. 
Man kann also annehmen, daß diese spät- 
römische Bautradition aus den benach- 
barten, südlich der Donau gelegenen ehe- 
maligen Reichsprovinzen durch Bauleute 
nach Mähren verpflanzt wurde. 
I. KIRCHEN MIT LANGGESTRECK- 
TEN, RECHTWINKELIGEN PRESBY- 
TERIEN (Abb. 2, Tafel I) 
Die oblongen SchiHe der meisten bisher 
bekannten großmahrischen Kirchen laufen 
nicht wie gewöhnlich in kurze und halb- 
kreisförmige Apsiden aus, die folglich 
doppelt so breit als lang sind, sondern in 
rechtwinkelige Presbyterien, die schmäler 
als das Schilf, zugleich langgestreckt, d. h. 
merklich langer als breit sind. Von dieser 
Art war die Kirzbe mm Mndrd (T. III, Abb. 3), 
in der vor einem solchen langgestreckten 
und rechtwinkeligen Presbyterium eine 
(heute durch Ausgrabung verunstaltete) 
Querwand verlief, die an den Seiten- 
wänden des Schiffes Durchgänge freiließ. 
In der Mitte des SchiHes standen zwei 
nahegerückte Paare von Pfeilern. Eine 
ähnliche Querwand befand sich auch vor 
dem langgestreckten Presbyterium der 
II. B. Kirrbe in Älikultica (T. II}, Abb. 4), 
deren Schiff pfeilerlos war, aber ein Ehren- 
grab enthielt. Dieses läßt ebenso wie 
einige andere, gleichorientierte Gräber der- 
selben Schicht zu, den Bau der Kirche in 
das erste Viertel des 9. jahrhunderts an- 
zusetzen. Ebenso alt ist die bereits erwähnte 
Kirche von Modra, die auch durch awarische 
Grabfunde zu datieren ist. In den Kirchen 
dieserArt wurden dann derartige Querwände 
nicht mehr wiederholt, und die Presby- 
terien unterlagen unbedeutenden formalen 
Änderungen (II. A., V. und VIII. Kirche, 
Abb. 1, in Mikulcice, T. IIZ, 4, 5). 
Langgestreckte und rechtwinkelige Presby- 
terien waren seit dem frühen Mittelalter 
eine Eigenart der Kirchenbauten des kelti- 
schen Christentums auf den britischen 
Inseln. Sie kommen vom 8. Jahrhundert 
an gelegentlich auch auf dem Festlande 
vor, wenn bei Errichtung einer Kirche 
die Teilnahme insularer iroschottischer 
Priester oder Mönche belegt ist, weshalb 
man dort von Import sprechen kann. Aus 
historischen Quellen ist bekannt, daß nach 
796 und besonders nach der Auflösung 
des Awarenreiches (798) auf Befehl Karls 
des Großen das Christentum von Bayern 
aus in den ehemals awarischen Gebieten, 
zu denen auch Pannonien und Südmähren 
gehörten, durch Missionare, besonders 
unter den Slawen, verbreitet wurde. So 
weihte der Salzburger Erzbischof um 828 
eine Kirche in der Slowakei, woraus her-
	        
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