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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 85)

Hilde Zaloscer 
DIE RAUMSYMBOLI K BEI 
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(mm. Pznslex, 1111205) 
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philaxaphy, 5111.11 m: P0111121: mrrenlx, 1111311115 muuemenls . .  
(Panofsky, 0011111 1111111111111" aml Sdlalasticimlr) 
ANMERKUNGEN ifä 
I E. Colerus, Von Pythagoras bis Hilbert. Berlin 1942, 5.241. 
1 Pierre Francastel, Peinzure e: Sodlerä, Lyon 1951. s. 42. 
1 T. Danrzig, 1.5 Nombre, lzngage de la science. Pzris 1931. 
1 Im Jahre 1615, bei der Berechnung an; Inhaltes von wg 
fäsxcm: In "Nova stcrcometria doliorum vinoxum" weist 
Kcpler nach. daß Drehungskörpex aus unendlich vielen 
kleinen konischen Körpern gebildet werden. 
S Erwin Panofsky. Galileo n: a Crilic nr m: Arts. mn 
Haag 1954. 
 
Nirgends hat sich der Geist des Barocks 
reiner kristallisiert als in dem Konzept der 
Unendlichkeit, auf das unmittelbar die 
Erkenntnis von dem Gesetz der Mechanik 
folgte, die beide zu Beginn des 17. jahr- 
hunderts, ungefähr gleichzeitig, sowohl 
erfahrungsgemäß als auch rechnerisch 
erarbeitet wurden. Die so geschaffenen 
Grundlagen des modernen Denkens re- 
volutionierten das Weltbild und die gesamte 
Bewußtseinslage der Zeitgenossen mehr 
noch als das Aufgeben des geozentrischen 
Weltsystems, denn die Entscheidung zwi- 
schen einem helio- und einem geozentri- 
schen System i wenn auch reich an 
religiösen und dogmatischen Implikatio- 
nen - war letzten Endes spekulativ und 
blieb unberührt von jeder direkten Er- 
fahrung oder Anschauung. Die Erkenntnis 
des unendlichen Raumes aber bedeutete 
die Sprengung des bisher gültigen, meß- 
baren, in sich ruhenden und geschlossenen 
Universums und wurde daher zu einem 
unmittelbaren und zutiefst beunruhigenden 
Erlebnis. „In den lockeren Gesellschafts- 
klassen des Spätbarock und des Rokoko 
wurde nicht nur die Mathematik zum 
Tagesgespräch", sondern „jeder denkende 
Mensch mußte von den Unendlichkeits- 
analysen berührt werden"1. S0 wurde 
nicht nur das wissenschaftliche Denken, 
die Philosophie, um eine neue Kategorie 
bereichert, nicht nur wurde die Erkenntnis 
des Unendlichen die Geburtsstunde der 
modernen Mathematik und Astronomie, 
sie mußte vor allem auch die Gefiihlswelt, 
die bisher in einem gesicherten, rational 
begreif baren Weltsystem eingebettet geruht 
hatte, einer Transzendenz gegenüberstellen. 
Dieses Unbegreifliche hat nicht weniger 
zum allgemeinen Krisencharakter dieser 
Zeit - des Manierismus und des eigent- 
lichen Barocks - beigetragen als etwa 
politische Fakten, wie die Kirchenschismen, 
die Tiirkengefaht, die Pest und nicht zuletzt 
der Zusammenbruch der ganzen bisherigen 
ökonomischen Struktur Europas durch 
das Verschwinden der italienischen Städte- 
republiken. 4 Die Raumerkenntnis einer 
Epoche, die Struktur, die der Mensch 
seinem Kosmos gibt, bedingt nicht nur 
logischerweise seine Kosmologie, bestimmt 
nicht nur die Gesetze seiner Astronomie, 
sondern sie gibt auch seinem Denksystem 
die adäquaten Denkinstrumente, den Denk- 
rahmen und seine logischen Koordinaten, 
wie auch seine Gefühlswelt aus diesem 
neuen Raumerlebnis hervorwächst. Sehr 
deutlich hat dies Francastel formuliert: 
„Uespace est Pexperience mäme de l'hom- 
me"1. So hat die Erkenntnis von der 
Unendlichkeit, gegen die sich die abend- 
ländische Menschheit fast zwei ]ahrtausende 
gewehrt hat, der sie, wann immer sie sich 
ihr auftat, ausgewichen ist wie allen irratio- 
nellen Werten, zu Beginn des 17. jahr- 
hunderts eine geistige Umorientierung, die 
alle Lebensgebiete in Mitleidenschaft ge- 
zogen hat, mit sich gebracht, und „le 
mot infini . . . a plonge pendant des siecles 
Phumanite dans un ahurissement my- 
stique"3. 
Die Raumsttuktur der Renaissance 
auf dem ptolemäischen System geruh 
es in der Spätantike allmählich hl 
gebildet worden war. 
In Platos „Thimäus" noch mythiscl 
schrieben, in der „Physik" des Arist 
zum erstenmal wissenschaftlich f0tmv 
verband sich dieses Weltbild mit 
Grundanschauungen der Euklidischen 
metrie zu einem kohärenten System 
in seiner Einheitlichkeit als die Krü 
des antiken Geistes angesehen werden 
Der im Laufe des 13. jahrhunderts - 
der langen Nacht der „dunklen" 
hunderte - wieder aufgenommene Kc 
mit der antiken Philosophie, der im 15. 
hundert mit der Gründung der 
platonischen Akademie der Medicäer 
Konsekration erfährt, begünstigte die 
aufnahme der antiken Kosmologie 
Astronomie: In einem sphärischen, n 
matisch berechenbaren und geschloss 
also endlichen Kosmos kreisen in 
monischen Abständen die Planet: 
Bahnen, deren Intervalle mathematiscl 
musikalisch einer strengen Harmoni: 
terworfen sind. S0 entstand ein Univc: 
das in seiner Vollkommenheit gleicher 
wissenschaftlichen und ästhetischen 
setzen unterlag und zugleich das Vt 
für die moralische Welt des Men: 
abgeben konnte. 
Eine neue Phase begann rnit dem 17. 
hundert, diesem Heldenzeitalter der M 
matik und Astronomie. In knapp c 
halben Jahrhundert wurden jetzt alle 
Erkenntnisse erarbeitet und Entdecku 
gemacht, die das ptolemäische Weltsj 
sprengten und unsere moderne PhllOSl 
und Mathematik begründen sollten. 
Reihe eröffnete Kopernikus, der im 1 
1531 mit seiner Untersuchung „De 
volutionibus Orbium Coelestium" (da: 
erst 1540 erscheinen sollte) das geozenti 
System stürzte. Es folgt, 1609, in s 
„Astronomia Nova" Keplers Entdec 
von der elliptischen Bahn der Plar 
Durch diese sowohl durch Beobachtul 
auch rechnerisch gewonnene Entdec 
wird eine Grundform und zugleicl 
Prinzip des mittelalterlichen Denkens 
Primat der Sphärizität, der Glaube a 
Vollkommenheit der Kugelgestalt, f 
gelassen. Diese doppelte, von Koper 
und Kepler vorgenommene Dezer 
sierung des Universums wurde von 
tragender Bedeutung und erleichterte 
kommenden Entdeckungen den Weg. 
so mehr als Kepler mathematisch b 
zur Erkenntnis des Unendlichen v 
drungen war4. Wohl kehrte Galilei - 
die Arbeiten Tycho Brahes und K: 
bekannt sein mußten 7 aus „ästheti: 
Gründen", wie Panofsky dargelegt 
zur Vorstellung der kreisförmigen Ba 
der Planeten zurück, da er aus 
„klassischen" Grundeinstellung die Sph 
form des Kosmos nicht aufgeben ko 
Er wurde aber zum Begründer einer r 
Wissenschaft, der modernen dynamisti: 
Physik. In seinen Hauptwerken: „Nu 
sidereus" (1610) und vor allem in se
	        
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