Hilde Zaloscer
DIE RAUMSYMBOLI K BEI
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(Panofsky, 0011111 1111111111111" aml Sdlalasticimlr)
ANMERKUNGEN ifä
I E. Colerus, Von Pythagoras bis Hilbert. Berlin 1942, 5.241.
1 Pierre Francastel, Peinzure e: Sodlerä, Lyon 1951. s. 42.
1 T. Danrzig, 1.5 Nombre, lzngage de la science. Pzris 1931.
1 Im Jahre 1615, bei der Berechnung an; Inhaltes von wg
fäsxcm: In "Nova stcrcometria doliorum vinoxum" weist
Kcpler nach. daß Drehungskörpex aus unendlich vielen
kleinen konischen Körpern gebildet werden.
S Erwin Panofsky. Galileo n: a Crilic nr m: Arts. mn
Haag 1954.
Nirgends hat sich der Geist des Barocks
reiner kristallisiert als in dem Konzept der
Unendlichkeit, auf das unmittelbar die
Erkenntnis von dem Gesetz der Mechanik
folgte, die beide zu Beginn des 17. jahr-
hunderts, ungefähr gleichzeitig, sowohl
erfahrungsgemäß als auch rechnerisch
erarbeitet wurden. Die so geschaffenen
Grundlagen des modernen Denkens re-
volutionierten das Weltbild und die gesamte
Bewußtseinslage der Zeitgenossen mehr
noch als das Aufgeben des geozentrischen
Weltsystems, denn die Entscheidung zwi-
schen einem helio- und einem geozentri-
schen System i wenn auch reich an
religiösen und dogmatischen Implikatio-
nen - war letzten Endes spekulativ und
blieb unberührt von jeder direkten Er-
fahrung oder Anschauung. Die Erkenntnis
des unendlichen Raumes aber bedeutete
die Sprengung des bisher gültigen, meß-
baren, in sich ruhenden und geschlossenen
Universums und wurde daher zu einem
unmittelbaren und zutiefst beunruhigenden
Erlebnis. „In den lockeren Gesellschafts-
klassen des Spätbarock und des Rokoko
wurde nicht nur die Mathematik zum
Tagesgespräch", sondern „jeder denkende
Mensch mußte von den Unendlichkeits-
analysen berührt werden"1. S0 wurde
nicht nur das wissenschaftliche Denken,
die Philosophie, um eine neue Kategorie
bereichert, nicht nur wurde die Erkenntnis
des Unendlichen die Geburtsstunde der
modernen Mathematik und Astronomie,
sie mußte vor allem auch die Gefiihlswelt,
die bisher in einem gesicherten, rational
begreif baren Weltsystem eingebettet geruht
hatte, einer Transzendenz gegenüberstellen.
Dieses Unbegreifliche hat nicht weniger
zum allgemeinen Krisencharakter dieser
Zeit - des Manierismus und des eigent-
lichen Barocks - beigetragen als etwa
politische Fakten, wie die Kirchenschismen,
die Tiirkengefaht, die Pest und nicht zuletzt
der Zusammenbruch der ganzen bisherigen
ökonomischen Struktur Europas durch
das Verschwinden der italienischen Städte-
republiken. 4 Die Raumerkenntnis einer
Epoche, die Struktur, die der Mensch
seinem Kosmos gibt, bedingt nicht nur
logischerweise seine Kosmologie, bestimmt
nicht nur die Gesetze seiner Astronomie,
sondern sie gibt auch seinem Denksystem
die adäquaten Denkinstrumente, den Denk-
rahmen und seine logischen Koordinaten,
wie auch seine Gefühlswelt aus diesem
neuen Raumerlebnis hervorwächst. Sehr
deutlich hat dies Francastel formuliert:
„Uespace est Pexperience mäme de l'hom-
me"1. So hat die Erkenntnis von der
Unendlichkeit, gegen die sich die abend-
ländische Menschheit fast zwei ]ahrtausende
gewehrt hat, der sie, wann immer sie sich
ihr auftat, ausgewichen ist wie allen irratio-
nellen Werten, zu Beginn des 17. jahr-
hunderts eine geistige Umorientierung, die
alle Lebensgebiete in Mitleidenschaft ge-
zogen hat, mit sich gebracht, und „le
mot infini . . . a plonge pendant des siecles
Phumanite dans un ahurissement my-
stique"3.
Die Raumsttuktur der Renaissance
auf dem ptolemäischen System geruh
es in der Spätantike allmählich hl
gebildet worden war.
In Platos „Thimäus" noch mythiscl
schrieben, in der „Physik" des Arist
zum erstenmal wissenschaftlich f0tmv
verband sich dieses Weltbild mit
Grundanschauungen der Euklidischen
metrie zu einem kohärenten System
in seiner Einheitlichkeit als die Krü
des antiken Geistes angesehen werden
Der im Laufe des 13. jahrhunderts -
der langen Nacht der „dunklen"
hunderte - wieder aufgenommene Kc
mit der antiken Philosophie, der im 15.
hundert mit der Gründung der
platonischen Akademie der Medicäer
Konsekration erfährt, begünstigte die
aufnahme der antiken Kosmologie
Astronomie: In einem sphärischen, n
matisch berechenbaren und geschloss
also endlichen Kosmos kreisen in
monischen Abständen die Planet:
Bahnen, deren Intervalle mathematiscl
musikalisch einer strengen Harmoni:
terworfen sind. S0 entstand ein Univc:
das in seiner Vollkommenheit gleicher
wissenschaftlichen und ästhetischen
setzen unterlag und zugleich das Vt
für die moralische Welt des Men:
abgeben konnte.
Eine neue Phase begann rnit dem 17.
hundert, diesem Heldenzeitalter der M
matik und Astronomie. In knapp c
halben Jahrhundert wurden jetzt alle
Erkenntnisse erarbeitet und Entdecku
gemacht, die das ptolemäische Weltsj
sprengten und unsere moderne PhllOSl
und Mathematik begründen sollten.
Reihe eröffnete Kopernikus, der im 1
1531 mit seiner Untersuchung „De
volutionibus Orbium Coelestium" (da:
erst 1540 erscheinen sollte) das geozenti
System stürzte. Es folgt, 1609, in s
„Astronomia Nova" Keplers Entdec
von der elliptischen Bahn der Plar
Durch diese sowohl durch Beobachtul
auch rechnerisch gewonnene Entdec
wird eine Grundform und zugleicl
Prinzip des mittelalterlichen Denkens
Primat der Sphärizität, der Glaube a
Vollkommenheit der Kugelgestalt, f
gelassen. Diese doppelte, von Koper
und Kepler vorgenommene Dezer
sierung des Universums wurde von
tragender Bedeutung und erleichterte
kommenden Entdeckungen den Weg.
so mehr als Kepler mathematisch b
zur Erkenntnis des Unendlichen v
drungen war4. Wohl kehrte Galilei -
die Arbeiten Tycho Brahes und K:
bekannt sein mußten 7 aus „ästheti:
Gründen", wie Panofsky dargelegt
zur Vorstellung der kreisförmigen Ba
der Planeten zurück, da er aus
„klassischen" Grundeinstellung die Sph
form des Kosmos nicht aufgeben ko
Er wurde aber zum Begründer einer r
Wissenschaft, der modernen dynamisti:
Physik. In seinen Hauptwerken: „Nu
sidereus" (1610) und vor allem in se