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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 85)

AUS DEM KUNSTLEBEN 
 
HERBERT BOECKL ZUM GEDÄCHTNIS 
Nur wer ihn naher kannte oder wem 
er sich im flüchtigen Augenblick einer 
menschlichen Begegnung ciufschlofi. 
wußte. wieviel Zartheit und Feinfuhlig- 
keit in seiner Seele waren. in dieser 
mächtigen überlebensgroßen Erschei- 
nung steckten. Zuerst sah man nur den 
Feueratem, die Leidenschaft seiner 
frühen und mittleren Bilder. ihre schein- 
bare Gewaltsamkeit. die in einem un- 
aufhörlichen Ringen dem Genius ab- 
getrotzt wurden. erst später kam man 
auch dazu. hinter den manchmal fast 
brutalen Spachtel- und Pinselzügen sein 
teinnerviges. ja lyrisches Temperament 
selbst dieser Epochen seines Werkes zu 
spüren. dessen Wahrhaftigkeit immer 
unmittelbar ergriff und überzeugte. 
Diese Wahrhaftigkeit war von Jener 
Art, wie sie nur wahrer und großer 
Kunst zu eigen ist. kompromißlos und 
unbedingt. nur der menschlichen und 
künstlerischen Erkenntnis gehorchend. 
die Dinge setzend und bauend. in einer 
Verwandlung die Natur durch den 
Geist und die Seele gestaltend. Die 
Ausschließlichkeil der Malerei. der 
Kunst, hatte mit einer reinen Flamme 
sein Wesen bis in die geheimsten Fasern 
ergriffen, und seine ahnungsvolle Liebe 
galt ihren Großen. In Bildern und 
Gleichnissen ihn von ihnen sprechen 
zu hören. war immer seltsam bewegend. 
Hier sprach einer. der um ihre Ge- 
heimnisse wußte. der in sie einge- 
drungen war. ihre Leiden und ihre 
Triumphe kannte. Er gehörte ihnen 
mit heftiger Liebe an und wufite 
ebenso hettig zu verneinen. was nicht 
ihren Maßstäben entsprach. Darum 
turchteten und liebten ihn nicht nur 
seine Schüler. die seine Ansprüche an 
sich und andere ahnten. Er hat diesem 
Anspruch bis zum letzten genügt. 
Nicht umsonst reiste er noch im Herbst 
seines Lebens nach Spanien. Griechen- 
land und Ägypten. suchte die Orte auf. 
an denen wesentliche Entscheidungen 
für die abendländische Kultur gefallen 
waren. Es bedeutete ihm mehr und 
rnehnjenenvielschichtigen Bedingungen 
nachzugehen. aus denen Europa und 
auch Österreich wurde, das er wie 
seinen Glauben mit tiefer Inbrunst 
liebte. 
In seinem großen Lebenswerk. das er 
uns nun als Beispiel und Verpflichtung 
hinterlätlt. hat er der Malerei Gültiges 
und Neues gegeben. Am 3. Juni 1884 
in Klagenfurt geboren. bildete er. der 
zuerst Architekturstudent war, sich als 
Autodidakt in der Malerei aus und 
trat bereits um W10 mit Ölbildern. 
Zeichnungen und Aquarellen hervor. die 
Neues und Revolutionäres bedeuteten. 
Mit traumwandlerischer Sicherheit 
stand er mit ihnen gleichzeitig in einer 
weiteren Tradition als der österreichi- 
schen und mitten im aktuellen Kunst- 
geschehen seiner Zeit. Der nüchterne 
und doch leidenschaftliche. weil be- 
seelte Expressionismus dieser Frühzeit 
steht der ersten Epoche Cezannes 
näher als dem Fauvismus und dem 
deutschen Expressionismus. von dem 
ihn seine Tektonik und das erstrebte 
Mal] unterscheidet. Schon damals setzte 
er Meisterwerke. die zum großen Klang 
europäischer Malerei gehören. In einem 
erneuten Ansatz vertiefte er der Natur 
gegenüber sein Verhältnis zur Wirk- 
lichkeit. der immer seine zärtliche und 
leidenschaftliche Liebe galt. Damit 
tauchen auch die ersten sakralen 
Themen auf. für die der große Flügel- 
altar. der endlich seinen Platz in einer 
Kirche gefunden hat. zum Prüfstein 
wurde. Aus ihm entstand dann die 
neue. endgültige Befreiung in einem 
erneuten Ringen mit der Natur. die 
einen entschiedenen und bewußteren 
Anschluß an die zeitgenössische Malerei 
brachte. Er gipfelte in dem großartigen 
Freskenwerk von Seckau. das in seinem 
tiefgründigen und symbolischen Hymnus 
von Farbe und Form. in seinen gewuß- 
ten Beziehungen wohl das bedeutendste 
Guvre moderner religiöser Malerei 
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darstellt. In ihm wurden die vormals 
noch latenten Verknüpfungen mit dem 
Barock abgelöst durch solche zur Gatik 
seiner Heimat, zu deren internationalem 
Stil. ihrer metaphysischen Leichtigkeit 
und Poesie. Aquarelle entstanden. die 
letztes Destillat malerischer Weisheit 
darstellen. 
Durch seine Liebe und Suche nach 
Klassik.die erin seinen größten Werken 
verwirklichte. baute Herbert Boeckl 
das Europäische wieder in die österr 
reichische Kunst als absolutes Mai} ein 
und schufsa eine Verbindung. die lange 
zerbrochen Seine kraftvollen 
Synthesen gaben ihr neue Möglichkeiten 
und Ansatzpunkte. geben eine Platlr 
form. auf der sich die Jugend erst 
bewähren muß. Die österreichische 
Kunst hat durch seinen Tod. dem 
langesLeiden vorangingeinenschmerz- 
lichen und unersetzlichen Verlust cr- 
fahren. Sein Werk wird dauern und 
dauernd wachsen und strahlen (Abb. 1). 
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Claus Pack 
 
Die Wiener und ihre Museen 
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Staatlichen Kunstsammlungen und Museei 
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NOLDE-AUSSTELLUNG IM MUSEUM 
DES 20. JAHRHUNDERTS 
"Ungemalte Bilder" der Kriegsiahre 
als künstlerischer Höhepunkt: guter 
Besuch 
Was Werner Hafmann im Katalog- 
vorwort reichlich zurückhaltend als 
nwechselvalle Geschichte" der ersten 
großen Nolde-Ausstellung in Österreich 
bezeichnete. ist in Wahrheit ein be- 
trübliches Beispiel dafür. welche Eng- 
pässe wichtige kulturelle Vorhaben 
hierzulande zu überwinden haben. 
ehe sie - falls es glücklicherweise 
überhaupt dazu kommt 7 verwirklicht 
werden können. 
Direktor Walter Kasten hatte bereits 
vor gut fünf Jahren die Absicht. eine 
repräsentative Nolde-Ausstellung nach 
Linz zu bringen. Da jedoch der wich- 
tigste Leihgeber. die Stiftung Ada und 
Emil Nolde in Seebüll. damals wegen 
anderer Verpflichtungen nicht in der 
Lage war, Sammlungsbestände für 
Linz freizustellen. mußte das Projekt 
zunächst zurückgestellt werden. 
Als Wiens Museum des 20. Jahrhunderts 
nach jahrzehntelangen Geburtswehen 
vor nunmehr dreieinhalb Jahren end- 
lich eröffnet wurde. lud Walter Kasten 
seinen Wiener Kollegen Dr. Hofmann 
48 
zur Mitarbeit und Mitbeteiligung an 
der Ausstellung ein. Waren es anfangs 
Schwierigkeiten technischer Natur. die 
einer raschen Realisation entgegen- 
standen. so folgten nun Finanzielle Be- 
schneidungen. die schließlich dazu 
führten. daß der Linzer Partner und 
eigentliche Initiator infolge zu hoher 
Anteilskosten für Transport und Ver- 
sicherung von dem gemeinsamen Un- 
ternehmen Abstand nehmen mußte. 
Doch nicht nur die tinanzschwüchere 
oberösterreichische Landeshauptstadt, 
sondern auch Wien selbst wäre beinahe 
um den Genuß dieser großartigen 
Schau gekommen. hätte nicht die 
Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes 
der Bundesrepublik Deutschland mit 
einem Zuschuß von 20000 DM (die 
gleiche Summe wurde auch als Sub- 
vention vam Bundesministerium für 
Unterricht gewährt) generös geholfen. 
Die Ausstellung. die mit einer der be- 
deutendsten Persönlichkeiten des deut- 
schen Expressionismus bekanntmachte. 
trug wesentlich dazu bei. den chroni- 
schen Nachholbedarf an moderner 
Kunst zu decken. der bei uns noch 
immer besteht. 
Der Künstler (sein bürgerlicher Name 
lautet Emil Hansen) wurde am 7. Au- 
gust in Nolde, einem kleinen Dorf 
unweit der dänisch-deutschen Grenze. 
geboren. Seine 7 leider nur allzuoft 
simplifizierend und tendenziös gedeu- 
tete - Heimat- und Naturliebe war 
der Beweggrund. weshalb Hansen seit 
dem Jahr 1900 seine Bilder ausschließ- 
lich mit Nolde signierte und somit den 
Namen seines Geburtsortes zu seinem 
eigenen machte. 
Von 1884 bis 1888 war Nalde Schüler 
einer Schnitzschule in Flensburg. bald 
darauf reiste er nach München und 
Berlin, später nach Paris und Kopen- 
hagen. 1906 wurde er Mitglied der 
"Brücke". der neben dem ..Bluuen 
Reiter" bedeutendsten deutschen Künst- 
lergemeinschaft dieses Jahrhunderts. 
Ein wichtiges Datum in Noldes auf- 
schlußreicher Biographie stellt schließ- 
lich das Jahr 1927 dar. in dem - nach 
eigenen Plänen des Künstlers ä mit 
dem Bau des weithin bekannten Nolde- 
Museums. des Hauses in Seebüll. be- 
gonnen wurde. Während acht Monaten 
sind dort Noldes Hauptwerke und das 
Gros seines graphischen Guvres der 
Öffentlichkeit zugänglich. 
Der nachhaltige Eindruck. den die 
Wiener Ausstellung hinterließ. lag 
gleichermaßen in ihrem Umfang wie 
in der Qualität und Beschaffenheit der 
Auswahl begründet. Unter den 64 Öl- 
 
 
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