Die beiden Flügel mit Heiligen in der
Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe und
die Tafeln in Stift St. Florian werden von
Lauts und Löcher nach Beneschs Vor-
gangV jörg Breu zugeschrieben. Stilistische
und koloristische Unterschiede sind vor-
handen, sie könnten durch eine Restaurie-
rung und einen manufakturhaften Werk-
stattbetrieb zu erklären sein. Anderseits sind
die Tafeln den genannten Arbeiten von
Beck so verwandt, daß eine enge Werk-
stattgemeinschaft vermutet werden müßte.
Diesen Überlegungen widersprechen aber
für Breu gesicherte Werke, wie die 1519
datierte Zeichnung eines Mädchenkopfes
(Berlin), das Madonnenbild von 1521,
ehemals Sammlung Kaufmann, das Ma-
donnenbild von 1523 in Wien und auch
Tafeln wie die Orgeltlügel in St. Annaß.
Diese Werke zeigen Breu _ wie schon das
Berliner Bild von 1512 - um eine aus-
gesprochen schönheitliche Form bemüht,
wenn sich auch in den großen Kompo-
sitionen manieristische Tendenzen bemerk-
bar machen. Hier stellt sich ein Problem,
das eine gründliche kritische Untersuchung
verlangt. Wie aber das Rätsel sich auch
lösen mag, gewiß ist, daß die gehobene
Prosa, die Becks Kunst während der Jahre
im Dienste des Kaisers auszeichnete, in den
frühen zwanziger Jahren von einer merk-
würdig schweren, derbrealistischen Formen-
sprache verdrängt wird. Den Gesichtern eig-
net nun ein mürrischer Ausdruck, die
Motive, mitunter auch die Hände sind
auffallend groß gegriffen. Was ist danach
noch zu erwarten? Ein gewisses Schwanken,
eine gewisse Ungleichwertigkeit hat schon
Büchner als Merkmal des Meisters be-
tont.
wahrscheinlich, daß aus den ersten beiden
Jahrzehnten seiner Meisterschaft etwa zwan-
zig Tafelbilder erhalten sind, aus den letzten
zwanzig Jahren aber nicht ein einziges.
Da tauchte völlig überraschend vor etwa
drei Jahren im Pariser Handel ein auf-
fallend festlich repräsentatives Bildnis auf
(Privatbesitz), das uns wenigstens einen
Blick in seine letzte Zeit gewährt. Das
Bild, das einer unsicheren Tradition zu-
folge aus Augsburg oder doch Schwaben
stammen soll, ist leider auf Leinwand
übertragen, aber vorzüglich erhalten und
mißt 57x44 cm. Es zeigt eine vornehme
Dame in klassisch stilisiertem Gewand, die
rechte Hand aufs Herz gelegt, mit der
Linken den Zweig einer Zitrone haltend,
von denen zwei auf dem Tischchen vor
oder neben ihr liegen, vor einer mit einem
gerafften Vorhang drapierten Mauer, die
rechts einen schmalen Ausblick auf einen
wolkigen Himmel freilaßt (Farbtafel). Man
möchte meinen, Beck müsse einer Kompo-
sition von Sebastiano del Piombo begegnet
sein, bevor er dieses Bild konzipiert hat.
Burgkmair, Bteu und später Amberger
waren von venezianischer Malerei beein-
i-lußt, das kann nicht überraschen, allein
von Augsburg führten Wege nicht nur
zum Fondaco dei Tedeschi, sondern sorg-
fältig gepflegte auch nach Rom. S0 ist die
ausgesprochen römische Form, die Beck
diesem späten, sicherlich schon nach 1530
entstandenen Bild gegeben hat, wohl ver-
ständlich. Daß er nach dieser, die plastische
Form vor allem suchenden Richtung mehr
als nach der venezianischen tendiert hat,
lassen schon die früheren Arbeiten seiner
Hand erkennen. Er war nicht malerisch
begabt wie Burgkmair oder Breu, wichtiger
war ihm stets eine feste plastische Form,
eine kräftige Modellierung. Damit hat er
der augsburgischen Malerei eine zweite
Stimme gegeben, die nicht weniger als die
von Burgkmair und Breu vertretene die
weltläußge, festliche Gesinnung der alten
Augusta Vindelicorum präsentiert.
Völlig neu und anders begegnet uns Beck
in diesem Bildnis also nicht. Faltenstil,
Modellierung und auch das Kolorit sind
in den Werken der frühen zwanziger Jahre
vorbereitet. Die hl. Afra der Tafel in
Philadelphia trägt schon ein sehr modisches
Kleid; ihre Gesichtszüge sind haßlich und
derb, eine gewisse Verwandtschaft ist
dennoch nicht zu verkennen. Vor allem
aber ist zu bedenken, daß diese Form des
Halbügurenbildnisses mit einem Stück
Mauer hinter der Figur und einem Ausblick
seit langem auch in der zisalpinen Malerei
vorbereitet gewesen ist. In der süddeutschen
Malerei hat schon Zeitbloms vor einen
neutralen Grund gestelltes Bildnis der
Ursula Greck (Rheinischer PrivatbesitzHZ
Beck hat es vermocht, sich nochmals zu
wandeln und wiederum eine recht respek-
table Höhe zu ersteigen. Bislang war seine
Spätzeit uns völlig unbekannt; auch kein
Bildnis half weiter9 f die ihm von Baldass
zugeschriebenen bleiben zum größeren Teil
fragwürdig f, auch keine Zeichnung bot
einen Hinweis. Die _ apokryph - BB
signierten Bildniszeichnungen, die Winkler
für Beck in Anspruch genommen hatlß,
sind offenbar nur zum kleineren Teil
originale Porträts, einige gehen auf ältere
Bildnisse zurück, andere scheinen Arbeiten
von Holbein dem Älteren, Breu und Apt
zu übertragen. So bieten sie, bis sie im
einzelnen kritisch durchleuchtet sind, einen
unsicheren Boden, und ebenso gilt dies
für die beiden Zeichnungen des Berliner
Kupferstichkabinettsll, die überhaupt in
andere Zusammenhänge zu weisen schei-
nen. Was aber läßt sich sonst noch mit
ihm in Verbindung bringen? Leonhard Beck
ist erst 1542 gestorben; es ist durchaus un-
eine verwandte Haltung. Sodann hat Strigel
hochgeborene Personen, wie die kaiser-
lichen Gemahlinnen Maria von Burgund
(Innsbruck) und Bianca Maria Sforza
(Privatbesirz) sowie die beiden Freiinnen
von Freyberg (München und Schaffhau-
sen)13, gern so groß ausgeschnitten dar-
gestellt. Die Tapisserien hinter den Figuren
sind straff gespannt, und vorn läuft eine
Mauerbank durch, im übrigen sind die
Motive sehr ähnlich gegriffen, auch Früchte
liegen schon da. Hans Maler hat diese
Komposition 1523 in dem Bildnis der
Anna von Ungarn (Sammlung Schloß
Rohoncz, Castagnola) aufgenommen". In
Augsburg selbst gab es eine Bildnistradition
wenigstens seit dem Meister der Ulrichs-
legenden-Tafeln, also seit der Mitte des
15. Jahrhunderts. Hans Burgkmair hat zur
Entwicklung des Porträts nichts beige-
tragen; man weiß, es war nicht die stärkste,
nicht die liebste Seite seiner Begabung.
Anders Jörg Breu. Schon in dem 1503
datierten Bildnis des Jeronlmus Teden-
hamer (Wien), das alle Merkmale seiner
frühen, 1500 und 1501 für Zwettl, Her-
zogenburg und Melk geschaffenen Altar-
tafeln zeigt, hat er die Figur überraschend
groß und frei in die Bildfläche gestellt.
Es folgen das männliche Bildnis in Hanno-
ver und ein anderes, das 1965 auf der
Frühjahrsausstellung bei P. de Boer in
Amsterdam zu sehen war's, endlich 1533
das distinguierte Bildnis eines Herren mit
Handschuhen in der Lee Collection (Court-
auld Institute of Art) in London 16, das
nun auch das Motiv des locker hängenden
Vorhanges bietet. Etwa in denselben Jahren,
um die Mitte des vierten Jahrzehntes, wird
Beck das weibliche Bildnis gemalt haben.
Im weiteren Kreis der deutschen Malerei
kann noch auf Bartholomäus Bruyns Bild-
nis einer jungen Frau mit enrblößtem
Oberkörper hingewiesen werden, das, eben-
falls in diesen Jahren entstanden, Bruyn
wie Beck von mittelitalienischer Kunst
angeregt zeigt, darf auch an Pencz und
Baldung erinnert werden. So ist dieses
Porträt, das heute als des Malers reifste
Arbeit erscheint und gewiß seine schönste
genannt werden darf, gar nicht so exzeptio-
nell, wenn es auch zuerst etwas befremdlich
anmutet. Ob der junge Geselle, als er
Mitte der neunziger Jahre in der Werkstatt
des Vaters Georg bei der Illuminierung
zweier Psalterien half, sich die Vollendung
seines Weges so gedacht hat? Immerhin
hat er schon damals, wie Steingräber
betont hatl7, gegenüber der etwas blut-
leeren Art des Vaters, dem das Widmungs-
bild zuzuschreiben ist, eine unmittelbare,
vielleicht auch derbere Form gesucht. Die
Forschung hat allen Grund, Beck mehr
Beachtung als bisher zu schenken.
ANMERKUNGEN 8_17
3 Abbildungen der genannten Bilder in den Aufsätzen von
Benesch und Buchner, in: Beiträge zur Geschichte der
deutschen Kunst, 2, 1928, S. 229d". und 273i.
9 Baldass, Studien zur Augsburger Purträmnlerei des
16. jahrhunderfs. II: Bildnisse von Leonhard Beck. in:
Pantheon, 6, 1930, S. 395. - Baldass hat Beck zu viele
Bildnise zugeschrieben, eine durchaus heterogene Reihe. ä
Neuerlich Zimmermann, Ein Gemälde vorn Meister der
Augsburger Malerbildniwe, in: Zeitschrift des Deutschen
18
Vereins für Kunslwisseuschaft. 1B. 1964, S. 73.
1" Fr. Winklcr, Augsburgcr Malexbildnisc der Dürcr-
zeit. 1948.
U A. a. 0., S. 23 und Abb. 4 und 5.
17 Deutsch: Malerei der Gotik. 8, 1957, S. 58. - Budmcr,
Das deutsche Bildnis der Spät dk, 1953, Nr. 77.
13 G. Otto, Bernhard Slrigel, 19 , Abb. 130, 131. 140. 141.
1' Vgl. die verschiedenen Kataloge der Sammlung Rohoncz,
auch Mackowitz. Hans Maler, 1960, Abb. 23.
15 Collection Spxing, 1965, Nr. 26.
19 Das Porträt ist von Wcscher - Pznthccm, 18, 1936,
s. zsz - Pcncz mit Fragezeichen zugeschrieben werden.
Es bleibt aber. wie man es auch betrachtet, ein Fremd-
körpcr im Werk von Pencz. Dagc an Fügt es um zu
den anderen bekannt gewordenen Bgildnisun von Breu,
auch zu Zeichnun cn wie dem Mädchenkopf in Berlin
usw. vorzüglich. er Bestimmung von Lord Lee ist
zuzuatimmcn.
17 Erich Stcingräber, Die kirchliche Buchmalerei Aupburgs
um 1500. Augsburg-Basel 1957, S. 25.