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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 86)

Die beiden Flügel mit Heiligen in der 
Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe und 
die Tafeln in Stift St. Florian werden von 
Lauts und Löcher nach Beneschs Vor- 
gangV jörg Breu zugeschrieben. Stilistische 
und koloristische Unterschiede sind vor- 
handen, sie könnten durch eine Restaurie- 
rung und einen manufakturhaften Werk- 
stattbetrieb zu erklären sein. Anderseits sind 
die Tafeln den genannten Arbeiten von 
Beck so verwandt, daß eine enge Werk- 
stattgemeinschaft vermutet werden müßte. 
Diesen Überlegungen widersprechen aber 
für Breu gesicherte Werke, wie die 1519 
datierte Zeichnung eines Mädchenkopfes 
(Berlin), das Madonnenbild von 1521, 
ehemals Sammlung Kaufmann, das Ma- 
donnenbild von 1523 in Wien und auch 
Tafeln wie die Orgeltlügel in St. Annaß. 
Diese Werke zeigen Breu _ wie schon das 
Berliner Bild von 1512 - um eine aus- 
gesprochen schönheitliche Form bemüht, 
wenn sich auch in den großen Kompo- 
sitionen manieristische Tendenzen bemerk- 
bar machen. Hier stellt sich ein Problem, 
das eine gründliche kritische Untersuchung 
verlangt. Wie aber das Rätsel sich auch 
lösen mag, gewiß ist, daß die gehobene 
Prosa, die Becks Kunst während der Jahre 
im Dienste des Kaisers auszeichnete, in den 
frühen zwanziger Jahren von einer merk- 
würdig schweren, derbrealistischen Formen- 
sprache verdrängt wird. Den Gesichtern eig- 
net nun ein mürrischer Ausdruck, die 
Motive, mitunter auch die Hände sind 
auffallend groß gegriffen. Was ist danach 
noch zu erwarten? Ein gewisses Schwanken, 
eine gewisse Ungleichwertigkeit hat schon 
Büchner als Merkmal des Meisters be- 
tont. 
wahrscheinlich, daß aus den ersten beiden 
Jahrzehnten seiner Meisterschaft etwa zwan- 
zig Tafelbilder erhalten sind, aus den letzten 
zwanzig Jahren aber nicht ein einziges. 
Da tauchte völlig überraschend vor etwa 
drei Jahren im Pariser Handel ein auf- 
fallend festlich repräsentatives Bildnis auf 
(Privatbesitz), das uns wenigstens einen 
Blick in seine letzte Zeit gewährt. Das 
Bild, das einer unsicheren Tradition zu- 
folge aus Augsburg oder doch Schwaben 
stammen soll, ist leider auf Leinwand 
übertragen, aber vorzüglich erhalten und 
mißt 57x44 cm. Es zeigt eine vornehme 
Dame in klassisch stilisiertem Gewand, die 
rechte Hand aufs Herz gelegt, mit der 
Linken den Zweig einer Zitrone haltend, 
von denen zwei auf dem Tischchen vor 
oder neben ihr liegen, vor einer mit einem 
gerafften Vorhang drapierten Mauer, die 
rechts einen schmalen Ausblick auf einen 
wolkigen Himmel freilaßt (Farbtafel). Man 
möchte meinen, Beck müsse einer Kompo- 
sition von Sebastiano del Piombo begegnet 
sein, bevor er dieses Bild konzipiert hat. 
Burgkmair, Bteu und später Amberger 
waren von venezianischer Malerei beein- 
i-lußt, das kann nicht überraschen, allein 
von Augsburg führten Wege nicht nur 
zum Fondaco dei Tedeschi, sondern sorg- 
fältig gepflegte auch nach Rom. S0 ist die 
ausgesprochen römische Form, die Beck 
diesem späten, sicherlich schon nach 1530 
entstandenen Bild gegeben hat, wohl ver- 
ständlich. Daß er nach dieser, die plastische 
Form vor allem suchenden Richtung mehr 
als nach der venezianischen tendiert hat, 
lassen schon die früheren Arbeiten seiner 
Hand erkennen. Er war nicht malerisch 
begabt wie Burgkmair oder Breu, wichtiger 
war ihm stets eine feste plastische Form, 
eine kräftige Modellierung. Damit hat er 
der augsburgischen Malerei eine zweite 
Stimme gegeben, die nicht weniger als die 
von Burgkmair und Breu vertretene die 
weltläußge, festliche Gesinnung der alten 
Augusta Vindelicorum präsentiert. 
Völlig neu und anders begegnet uns Beck 
in diesem Bildnis also nicht. Faltenstil, 
Modellierung und auch das Kolorit sind 
in den Werken der frühen zwanziger Jahre 
vorbereitet. Die hl. Afra der Tafel in 
Philadelphia trägt schon ein sehr modisches 
Kleid; ihre Gesichtszüge sind haßlich und 
derb, eine gewisse Verwandtschaft ist 
dennoch nicht zu verkennen. Vor allem 
aber ist zu bedenken, daß diese Form des 
Halbügurenbildnisses mit einem Stück 
Mauer hinter der Figur und einem Ausblick 
seit langem auch in der zisalpinen Malerei 
vorbereitet gewesen ist. In der süddeutschen 
Malerei hat schon Zeitbloms vor einen 
neutralen Grund gestelltes Bildnis der 
Ursula Greck (Rheinischer PrivatbesitzHZ 
Beck hat es vermocht, sich nochmals zu 
wandeln und wiederum eine recht respek- 
table Höhe zu ersteigen. Bislang war seine 
Spätzeit uns völlig unbekannt; auch kein 
Bildnis half weiter9 f die ihm von Baldass 
zugeschriebenen bleiben zum größeren Teil 
fragwürdig f, auch keine Zeichnung bot 
einen Hinweis. Die _ apokryph - BB 
signierten Bildniszeichnungen, die Winkler 
für Beck in Anspruch genommen hatlß, 
sind offenbar nur zum kleineren Teil 
originale Porträts, einige gehen auf ältere 
Bildnisse zurück, andere scheinen Arbeiten 
von Holbein dem Älteren, Breu und Apt 
zu übertragen. So bieten sie, bis sie im 
einzelnen kritisch durchleuchtet sind, einen 
unsicheren Boden, und ebenso gilt dies 
für die beiden Zeichnungen des Berliner 
Kupferstichkabinettsll, die überhaupt in 
andere Zusammenhänge zu weisen schei- 
nen. Was aber läßt sich sonst noch mit 
ihm in Verbindung bringen? Leonhard Beck 
ist erst 1542 gestorben; es ist durchaus un- 
eine verwandte Haltung. Sodann hat Strigel 
hochgeborene Personen, wie die kaiser- 
lichen Gemahlinnen Maria von Burgund 
(Innsbruck) und Bianca Maria Sforza 
(Privatbesirz) sowie die beiden Freiinnen 
von Freyberg (München und Schaffhau- 
sen)13, gern so groß ausgeschnitten dar- 
gestellt. Die Tapisserien hinter den Figuren 
sind straff gespannt, und vorn läuft eine 
Mauerbank durch, im übrigen sind die 
Motive sehr ähnlich gegriffen, auch Früchte 
liegen schon da. Hans Maler hat diese 
Komposition 1523 in dem Bildnis der 
Anna von Ungarn (Sammlung Schloß 
Rohoncz, Castagnola) aufgenommen". In 
Augsburg selbst gab es eine Bildnistradition 
wenigstens seit dem Meister der Ulrichs- 
legenden-Tafeln, also seit der Mitte des 
15. Jahrhunderts. Hans Burgkmair hat zur 
Entwicklung des Porträts nichts beige- 
tragen; man weiß, es war nicht die stärkste, 
nicht die liebste Seite seiner Begabung. 
Anders Jörg Breu. Schon in dem 1503 
datierten Bildnis des Jeronlmus Teden- 
hamer (Wien), das alle Merkmale seiner 
frühen, 1500 und 1501 für Zwettl, Her- 
zogenburg und Melk geschaffenen Altar- 
tafeln zeigt, hat er die Figur überraschend 
groß und frei in die Bildfläche gestellt. 
Es folgen das männliche Bildnis in Hanno- 
ver und ein anderes, das 1965 auf der 
Frühjahrsausstellung bei P. de Boer in 
Amsterdam zu sehen war's, endlich 1533 
das distinguierte Bildnis eines Herren mit 
Handschuhen in der Lee Collection (Court- 
auld Institute of Art) in London 16, das 
nun auch das Motiv des locker hängenden 
Vorhanges bietet. Etwa in denselben Jahren, 
um die Mitte des vierten Jahrzehntes, wird 
Beck das weibliche Bildnis gemalt haben. 
Im weiteren Kreis der deutschen Malerei 
kann noch auf Bartholomäus Bruyns Bild- 
nis einer jungen Frau mit enrblößtem 
Oberkörper hingewiesen werden, das, eben- 
falls in diesen Jahren entstanden, Bruyn 
wie Beck von mittelitalienischer Kunst 
angeregt zeigt, darf auch an Pencz und 
Baldung erinnert werden. So ist dieses 
Porträt, das heute als des Malers reifste 
Arbeit erscheint und gewiß seine schönste 
genannt werden darf, gar nicht so exzeptio- 
nell, wenn es auch zuerst etwas befremdlich 
anmutet. Ob der junge Geselle, als er 
Mitte der neunziger Jahre in der Werkstatt 
des Vaters Georg bei der Illuminierung 
zweier Psalterien half, sich die Vollendung 
seines Weges so gedacht hat? Immerhin 
hat er schon damals, wie Steingräber 
betont hatl7, gegenüber der etwas blut- 
leeren Art des Vaters, dem das Widmungs- 
bild zuzuschreiben ist, eine unmittelbare, 
vielleicht auch derbere Form gesucht. Die 
Forschung hat allen Grund, Beck mehr 
Beachtung als bisher zu schenken. 
ANMERKUNGEN 8_17 
3 Abbildungen der genannten Bilder in den Aufsätzen von 
Benesch und Buchner, in: Beiträge zur Geschichte der 
deutschen Kunst, 2, 1928, S. 229d". und 273i. 
9 Baldass, Studien zur Augsburger Purträmnlerei des 
16. jahrhunderfs. II: Bildnisse von Leonhard Beck. in: 
Pantheon, 6, 1930, S. 395. - Baldass hat Beck zu viele 
Bildnise zugeschrieben, eine durchaus heterogene Reihe. ä 
Neuerlich Zimmermann, Ein Gemälde vorn Meister der 
Augsburger Malerbildniwe, in: Zeitschrift des Deutschen 
18 
Vereins für Kunslwisseuschaft. 1B. 1964, S. 73. 
1" Fr. Winklcr, Augsburgcr Malexbildnisc der Dürcr- 
zeit. 1948. 
U A. a. 0., S. 23 und Abb. 4 und 5. 
17 Deutsch: Malerei der Gotik. 8, 1957, S. 58. - Budmcr, 
Das deutsche Bildnis der Spät dk, 1953, Nr. 77. 
13 G. Otto, Bernhard Slrigel, 19 , Abb. 130, 131. 140. 141. 
1' Vgl. die verschiedenen Kataloge der Sammlung Rohoncz, 
auch Mackowitz. Hans Maler, 1960, Abb. 23. 
15 Collection Spxing, 1965, Nr. 26. 
19 Das Porträt ist von Wcscher - Pznthccm, 18, 1936, 
s. zsz - Pcncz mit Fragezeichen zugeschrieben werden. 
Es bleibt aber. wie man es auch betrachtet, ein Fremd- 
körpcr im Werk von Pencz. Dagc an Fügt es um zu 
den anderen bekannt gewordenen Bgildnisun von Breu, 
auch zu Zeichnun cn wie dem Mädchenkopf in Berlin 
usw. vorzüglich. er Bestimmung von Lord Lee ist 
zuzuatimmcn. 
17 Erich Stcingräber, Die kirchliche Buchmalerei Aupburgs 
um 1500. Augsburg-Basel 1957, S. 25.
	        
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