ausgesprochene Doppelbegabung für die
beiden sich einander nahestehenden Gebiete
der Skulptur und der Graphik besaß. Über-
raschend viele gemeinsame Züge stilisti-
scher und motivischer Art verbinden den
gezeichneten Entwurf für das Sebastians-
reliquiar mit der geschnitzten und farbig
gefaßten Münchner Gruppe, die auch
darin bestehen, daß das erstgenannte Werk
kompositionsmäßig ebenfalls einem steilen,
gleichseitigen Dreieck einzubeschreiben ist,
ganz zu schweigen von der dominierenden
Rolle, welche die Anordnung des in der
zweiten Reliefschicht erscheinenden Strah-
lenkranzes bei beiden Stücken spielt. Auf-
fallend ist der bei der Figur des hl. Se-
bastian anzutreffende Körpertypus b. Er ist
unverkennbar von der Christus-lkono-
graphie des 18. Jahrhunderts mit geprägt.
Beide sind ideell von der Vorstellung des
„schönheitlichen" Leidens abhängig, das
seit dem Quarrrocento eine bedeutsame
bildkünstlerische Rolle spielt. Diese bisher
noch unbeachtet gebliebene Synthese von
der Christus- mit der Sebastian-Ikone-
graphie ist bei einer Reihe von Kruzifix-
Entwürfen und ausgeführten themenglei-
chen XVerken Günthers nachzuweisen, so
bei einem Entwurf für ein Kruzifix von
sehr edler Gestalt (Abb. 6). Er Findet sich
auf einer Werkzeichnung für ein Stand-
kreuz (München, Stadtmuseum, hiaillinger-
Sammlung, Kat. I, Nr. 12O6)7. Die beiden
Blätter entsprechen sich, abgesehen von der
Kongruenz der Morphologie ihrer ana-
tomischen Formen, völlig in der Weise,
wie sie vom Künstler mit der Feder ge-
zeichnet und anschließend aquarelliert
wurden, ein Beweis dafür, daß er seine
Werke - ob in Holz von ihm selbst oder
in Metall von anderer Hand ausgeführt w
schon bei ihrer Planung farbig vor sich
stehen sah. Aus stilistischen Gründen, die
hier nicht im einzelnen darzulegen sind,
ist die Entstehung der beiden eben ge-
nannten Zeichnungen mit Sicherheit in die
ANMERKUNGEN 6 - 7
ß Zu seiner Ablcilung von älteren Vorbildern vgL: Die
Sammlung Wilhelm RcuschcI-Kat-v München 1963.
s. 164-166. Fcmcr: G. Woeckel, Paul Troglxr und die
öslcrrzichischc Barockkilusl. Bespijechung dCf Tmgcr-
Ausstellung in siin AltenburglNO. was, in: Kunst-
Chronik, 17. 1.1., 1954, . 29m, bes. s. 33 mit Äblt. m.
1 H. Höhn. Die Hzndzcichnungen des Bildhauers lgnaz
Günther, a. a. 0., s 199 (Kam-Nr. 4a), wobei x-ancn
in den Maßangaben an: Verwechslung lhi! Kzn- f. 47
vorliegt und Nr. 4a nicht mit Wcyßrn zu idcllliflzirrrn ist.
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