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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
Nr. 8
schaftlichen oder technischen Streitfragen, jederzeit
durch neue Bearbeiter die Ursprungsfrage aufs neue
zur Diskussion gestellt werden kann. Aus diesem
Grunde ist der Handel mit derartigen Kunstgegen
ständen begriffsmäßig sowohl für den Verkäufer als
für den Käufer stets ein gewagtes Spekulationsge
schäft. Die Entscheidung führt dann aus, es sei für
den Handel mit derartigen Antiquitäten die Haftung
des Verkäufers ohne ausärücklicne Garantie für die
Echtheit begriffsmäßig als ausgeschlossen anzusehen.
Es sei ein im Kunst- und Altertumshandel alltägli
cher Vorgang, daß ein Händler bei einem anderen
Händler einen Gegenstand von hohem Kunstwert
entdeckt und unter Verschweigung dieses Umstan
des um ebensoviele Mark erwirbt, als er tags darauf
hunderte im Weiterverkauf fordert und bezahlt er
hält. Dahinter findet niemand etwas Unrechtes.
(Diese Entscheidung wurde bei der erstgenannten
benützt.)
Vor ein französisches Berufungsgericht
gelangte ein Fall, in welchem ein Gemälde von
H o b b e m a Gegenstand des Kaufes, beziehungs
weise des Tausches gewesen war. Der Verkäufer
behielt recht. Aus den Gründen: Es lag keine Ga
rantie dafür vor, daß es sich um ein Originalwerk
des Hobbema gehandelt habe; die Parteien waren
in Zweifel über den tatsächlichen Urheber des Wer
kes. Ein Geschäft dieser Art hat notwendigerweise
einen aleatorischen Charakter. (Demzufolge liege
kein Grund vor, den vereinbarten Preis abzuändern,
oder diesen durch eine Schätzung seitens Sachver
ständiger zu unterwerfen.)
Aus diesen Entscheidungen können zweifache
Konsequenzen abgeleitet werden: Wer einen Ge
genstand, der zweifellos antik ist, kauft, kann das
Geschäft regelmäßig nicht aus dem Grunde anfech
ten, weil später etwa Sachverständige die Meinung
vertreten, das Werk sei aut einen anderen Urheber
zurückzuführen, als denjenigen, dessen Urheber
schaft seitens beider Teile vorausgesetzt worden ist.
Eine andere Entscheidung kann gewärtigt werden,
wenn der Verkäufer eine Garantieerklärung abge
geben hat. Aber auch in letzterem Belange sind
Zweifel gerechtfertigt. Inwiefern kann auf die Ga
rantie verwiesen werden, wenn ein oder zwei Sach
verständige ihrer Ueberzeugung Ausdruck geben,
das Werk stamme nicht von dem Meister, den der
garantierende Verkäufer genannt hatte? Gibt es
eine Sicherheit, daß nicht etwa andere Experten zu
einem entgegengesetzten Ergebnis gelangen? So wie
der Kauf wäre auch der bezügliche Prozeß von
aleatorischem Charakter.
Das JlpriUProgramm des Dorotheums.
Das Dorotheum in Wien hat ein reiches Auk
tionsprogramm für die zweite Hälfte des April.
Am 21. und 22. bringt es die Wohnungseinrich
tung der Frau Amelie 0 s e r, der Witwe nach dem
bekannten Universitätsprofessor Dr. Leopold O s e r,
zur Versteigerung, in der Sammler manches inter
essante Objekt finden werden. Besonders sei auf die
netten Porzellangruppen aufmerksam gemacht. Unter
den Bildern ist eine Landschaft mit Staffage von
einem spanischen Maler und ein Bild eines Vlämen
nach Van Dyck bemerkenswert, das „Jupiter und
Antiope“ darstellt.
Am 26. April versteigert das Dorotheum
Schmuck erlesener Qualität, der teils aus dem Be
sitze des Grafen Thomas Eszterhäzy, teils aus
anderem Adelsbesitz stammt. Aus Eszterhdzy'schem
Besitz ist u. a. ein prächtiges, kronenartiges, in acht
Teilen verlaufendes Diadem, das bei einem
Schätzungswert von etwa 40.000 S mit 15.000 S aus-
geboten werden wird. Zum gleichen Besitz gehören
zwei goldene Ohrringe mit je einem großen Brillant
solitär, ein goldenes Diadem mit schleifenartig ge
wundenem Muster, das in der Mitte einen großen
Brillantsolitär trägt und auch sonst von größeren und
kleineren Brillanten reich besetzt ist (Ausrufspreis
7700 S), ein überaus schöner Platin-Damenring mit
großem Brillantsolitär in Krabbenfassung u, a. Aber
auch unter den Gegenständen, die aus anderem Be
sitze herrühren, finden sich Stücke von außerordent
lich hoher Qualität. So eine hochmoderne, breite
Platingliederarmkette, die aus drei gleichen Haupt
gliedern und drei ovalen, ringförmigen Verbindungs
gliedern besteht; als Mittelstem ist je ein großer,
achteckiger Brillantsolitär in Treppenschliff ange
bracht. Der äußere Rand sowie die Verbindungs
glieder sind von kleineren Brillanten reich besetzt.
Der Rufpreis dieses Stückes beträgt 13.000 S. Eine
aparte goldene Damennadel in modern durchbroche
ner Fasson, die mit Brillanten reich ausgefaßt ist
und einen größeren Brillant als Mittelstein trägt,
wird mit 1500 S ausgeboten. Eine schöne, hoch
moderne, weißgoldene Gliederarmkette mit Brillan
ten in Platinfassung wird mit 1600 S unter den Ham
mer kommen. Von zwei losen Brillanten, von denen
der eine 3.9 und der andere 9.11 Karat hat, betragen
die Rufpreise 2200 S und 5720 S. Sehr gefällig ist
eine goldene Damen-Handtasche mit geschweiftem,
auf einer Seite mit Brillanten ausgefaßtem Bügel;
ihr Rufpreis ist 2000 S. Eine überaus feine Arbeit
ist ein goldener Anhänger, ornamentales Phantasie
muster, mit größeren und kleineren Brillanten reich
ausgefaßt, der einen größeren Brillanten in beweg
lichem, tropfenähnlichem Gehänge trägt (Rufpreis
1400 S). Zwei schöne, goldene Ohrschrauben mit je
einem großen Brillantsolitär in Platinfassung gelan
gen mit einem Rufpreis von 4200 S zur Ausbietung.
Auch Perlenschnüre sind in dieser Auktion in vor
züglicher Qualität vertreten.
An die Juwelenauktion schließt sich vom 27. bis
29. April eine Versteigerung von Objekten aus dem
Nachlasse der Witwe des Kaiserlichen Rates Alexan
der Tritsch in Wien. Die Sammlung Tritsch be
stand außer einer Kollektion von Wiener Porzellan
und einigen Bildern des 19. Jahrhunderts hauptsäch
lich aus mit Geschmack gewählten, niederländischen
Gemälden des 16. und 17. Jahrhunderts. Nur schwer
und nur durch die Verhältnisse gezwungen, hat sich
die Witwe von einem Teil dieser Schätze getrennt.
Unter dem noch Vorhandenen, das jetzt zur Ver
steigerung gelangt, finden sich gleichwohl manche
hervorragende Stücke, darunter in erster Linie das
wirkungsvolle Familienbild von Gonzales Coques,
das bei einer Schätzung von 12.000 S mit 3500 S
ausgerufen werden wird. Von Albert Cuyp ist die
prächtige Darstellung des Prinzen Friedrich Heinrich
von Oranien bei Heusden vorhanden, das unsere
Abbildung (Fig. 1) vorführt. Das Bild zeigt in ganz
bezeichnender Weise den Stil der mittleren Schaf-