Kremsierer Freskos, und es ist kein Wun-
der, daß es sogar zum Vergleich mit dem
künftigen Pleinairismus anregt.
Es wäre aber grundsätzlich falsch, diese
Seite von Maulbertschs Deckengemälde
aus der Sicht des 19. Jahrhunderts zu
beurteilen. Das bezeugt bereits die Tat-
sache, daß das Licht in den Fresken des
18. Jahrhunderts mit Rembrandt in Zu-
sammenhang gebracht werden konnte. Wir
dürfen nicht vergessen, daß dieses Licht,
sosehr es auch manchmal an die natürliche
Tageshelle denken läßt, noch von ziemlich
idealisiertem Charakter ist, daß es die
physische Energie immer noch sehr wesent-
lich mit der geistigen verknüpft. Man darf
die grundsätzliche Doppeldeutigkeit der
Barockkunst nicht außer acht lassen, die
selbst gegen Ende dieser Epoche, insbe-
sondere beim Fresko, nichts von ihrer
Gültigkeit eingebüßt hat. Die gesamte
materielle Welt konnte im Sinne der
universalen Analogie neben ihrer „wört-
lichen" Bedeutung noch in einer über-
tragenen, metaphorischen, allegorischen Be-
deutung als Symbol der geistigen Realität
aufgefaßt werden". Auch das Licht trug
zweifellos diesen Dualismus der physischen
und geistigen Funktion in sich und konnte
also neben der rein physischen „Beleuch-
tung" auch eine geistige „Erleuchtungf
repräsentieren. Dabei trat wohl die uralte
Tradition der Lichtmetaphysik in Erschei-
nung, deren Anfänge bis zum hl. Augustinus
zurückgehen („. . . Deus lux est"), ja bis
zum Neuplatonismus und sogar zu Platon,
die erst von der Auf klätung zurückgedrängt
wurdeä.
Trotz diesem traditionellen Zug enthält die
Lichtstruktur des Kremsierer Freskos doch
bereits gewisse Emanzipationselemente.
Eine gewisse Selhstherrlichkeit des Lichts
kann man wohl bereits in W. Schönes
Feststellung entdecken, daß nämlich das
Licht, das seit dem 15. Jahrhundert als
„BeleuchtungslichW fungierte und die Bild-
welt „zeigte", im 18. Jahrhundert und
insbesondere im Luminismus Tiepolos
„sich selbst zeigtm). Eine solche Inter-
pretation der Ergebnisse Schönes wäre
freilich nur mit größter Vorsicht auszu-
sprechen. Mit mehr Berechtigung lassen
sich Symptome der neuen Auffassung des
Lichtprinzips anderswo entdecken, nämlich
in jenen farbig betonten Details. Wenn
bereits gesagt wurde, daß darin die ko-
loristische Phantasie des Malers konzen-
triert wird, so läßt sich feststellen, daß sie
auch die Stellen des intensivsten Lichts
sind.
Diese lichtbetonten Motive stehen mit der
zeitgenössischen Vorliebe für Rembrandt
in engstem Zusammenhang (im Rahmen
der sogenannten „holländernden Mode"
in der damals geläufigen Terminologießß.
Dies gilt insbesondere für die Gruppe des
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Pagen. Ihre Bedeutung für die in diesem
Beitrag gelöste Problematik wird offen-
sichtlicher, wenn wir sie mit jenen Mo-
tiven von Rembrandts Bildern vergleichen,
deren Weiterführung sie darstellt. Wenn
schon W. Schöne eine grundlegende Be-
ziehung der Malerei des 18. Jahrhunderts
zu Rembrandt feststellt, so sei hier noch-
mals auf eine nicht unbedeutende "leil-
iibereinstimmung der nordeuropäischen Ro-
kokomalerei mit dem großen holländischen
Meister des 17. Jahrhunderts hingewiesen.
Die Gruppe des Pagen ist nämlich ein
Nachklang jener Rembrandfschen Figuren,
die durch ihre radikale Durchleuchtung
den übrigen Gestalten übergeordnet wur-
den, als ob sie irgendein Eigenlicht aus-
strahlten. Die Reihe dieser Gestalten wird
durch die bekannte, von Tizian angeregte
Mädchengestalt aus der „Nachtwache" er-
öffnet, die jedoch unter den lichterfüllten
Gestalten Rembrandts gewissermaßen eine
Ausnahme bildet. In seinen späteren Ge-
mälden bediente sich Rembrandt der licht-
mäßigen Betonung im Sinne einer immer
durchgreifenderen Vergeistigung. Es han-
delt sich also um ein ausgesprochenes
Sakrallicht. Darum waren es meistens die
Gestalten der Engel, die auf diese Weise
hervorgehoben wurden. Wenn wir bei
Maulbcrtsch (und anderen Rokokomalern)
auch Beispiele religiöser Interpretation des
betonten Lichtes Finden (z. B. der aufer-
standene Christus auf Maulbertschs Fresko
in Sümeg, 1768), so geschieht es doch weit
häufiger, daß die lichtmäßige Betonung
malerisch Interessante eines bestirni
Motivs in den Vordergrund rücken
Dies ist zweifellos bei der leuchtend
bigen Page-Höfling-Gruppe der Fall, d
ausschließlich malerische Bedeutung
schon dadurch verrät, daß in ihr
Hilfe des betonten Lichts handlungsm
unwesentliche Gestalten hervorgem
werden. Der Faktor des Lichts wird
zweifellos zum Selbstzweck. Schönes T
von dem Licht in den Fresken des 18. j
hunderts, das „sich selbst zeigt", erscl
wenigstens in dieser beschränkten Gü
keit in einer neuen Bedeutung, d. h. i
etwa im Sinne der Artistik eines Spätstil
Obwohl diese suggestiven Lichtträge
der Lichtstruktur des Freskos zweif
eine wichtige Rolle spielen, sind sie t
letzten Endes der ideal-religiösen Grv
stimmung des gesamten Bildlichts ui
geordnet. Sein festlicher und zugl
lieblich-milder Charakter unterscheidet
Wesentlich von dem fast naturwissenscl
lich nüchternen Lichtgehalt des Pleii
des 19. Jahrhunderts (wozu gewiß z
der beträchtliche Anteil strahlender
dener und goldgelber Töne in dem K0
des Freskos beiträgt). Wir hörten übril
bereits bei der Beschreibung der S
mit Kaiser Ferdinand, daß es der leben
Hauch des Lichtes war, der ihre koloristi
Exklusivität wesentlich mäßigte. Es
ja in Maulbertschs Fresko um eine f
liche Schilderung der altertümlichen