sind einerseits durch die Gesten des
Heiligen, durch den Pfeil, den Ahtstab,
die Silhouette des Felsens und durch die
Haltung des Jägers, anderseits durch den
Baum, das Kreuz und den knienden
König bestimmt. Dies ist aber nur ein
Hachiges, ordnendes Gerüst, entscheidend
sind die räumlichen Elemente: die aus
dem Dunkel ragenden sprechenden Gesten
sowie das Visionäre Licht, das die wesent-
lichen Teile beleuchtet und hervorhebt. Die
eigentliche Kraft liegt in der Farbigkeit.
Aus dem schwarzen Grund, von dem sich
der Heilige mit seiner dunklen Kutte kaum
abhebt, aus der nur der goldbraune Ton
des Kreuzes hervortritt, leuchtet das silbrig-
graue Festkleid des Jägers mit der blauen
Schärpe. Die rosigen Tönungen der Ge-
sichter und das rote Barett des Jägers
lockern die Farbskala auf. Alles ist auf
wenige Grundfarben abgestimmt. Um so
unwirklicher und magischer erscheint das
grelle Licht auf den Köpfen, Händen und
oben bei der Puttogruppe. (iiitig ist die
Erscheinung des Mönches, gebannt der
ganz realistisch erfaßte König. Und gerade
von dieser Gegenüberstellung der Realität
und der Vision geht die unerhört innere
Spannung aus. Sie verklingt in den Rand-
tiguren. Hier sieht man die ganz naiv
gemalte Hirschkuh, den romantisch wirken-
den jungen Jäger, der neugierig zusieht,
und die zwei Putten im Himmel. ln dieser
visionären Gruppe xxtird die Spannung der
Auffassung besonders deutlich, denn gerade
hier stellt der kokette Blick des linken
Engels eine direkte Beziehung zum Be-
schauer her. Der Künstler setzt sich durch
diese Unmittelbarkeit über die Legende und
die Vision einfach hinweg. Man könnte
darin einen Zug des launischen Rokokos
erblicken.
Das Gemälde, das auf Leinwand gemalt ist,
rnißt 350x187 cm. Es wurde 1964 in den
amtlichen XVerkstätten des Bundesdenk-
malamtes von Frau Prof. Franziska Jaksch
restauriert und von Ubermalungen befreit.
Ein älterer Riß, der sich in der unteren
Hälfte des Gemäldes durchzieht, wurde
retuschiert. Der Erhaltungszustand ist bis
auf geringfügige Fehlstellen gut. Das Bild
weist keine Signatur auf, doch kann man,
den Feststellungen von Frau Dr. Garas
folgend, in der Maulbeerptlanze (rechts von
der Hirschkuh) eine Art Signatur er-
blickenll. Die stilistischen Eigenheiten
lassen keinen Zweifel an der Eigenhändig-
keit des bedeutenden Gemäldes aufkom-
men.
Franz Anton Maulbertsch hat das Thema
des hl. Ägydius noch zweimal gemalt:
1759 für die Pfarrkirche in Lichtenau und
1795 als Fresko für die Gumpendorfer
Pfarrkirche in Wien. Beide Darstellungen
sind verschollen. Es kommt dem Hoch-
altarbild von Hagenberg daher besondere
Bedeutung zu. Vielleicht eröffnet die Publi-
kation des Gemäldes noch weitere interes-
sante Zusammenhänge. Ein Gewinn wäre
es auch, wenn die im Vertrag genannte
Skizze auf Grund der Abbildung identi-
Bziert werden könnte.
26
Kurt Rnssacher
CARLO CARLONES ENT-
WURFSSKIZZE FÜR DIE
DECKE DES TREPPEN-
HAUSES IN SCHLOSS
BRÜHL
Aus englischem Privatbesitz tauchte im
Auktionshaus Christie's in London (LApril
1966) ein ungewöhnlich großer Entwurf
Carlo Carlones für ein Deckenfresko auf
(Öl aufLeinwand, l4O X 125 cml). Während
der Katalog nur die allgemeine Beschrei-
bung „Triumph der Künste über die
Barbarei" gab, war es für Kenner sofort
klar, daß es sich um den Entwurf für
Carlones großartigstes Spätwerk, die Decke
des Treppensaales des Schlosses Augustus-
burg zu Brühl bei Köln, handelte 1.
Wie eine riesige Rocaille durchzieht in
diagonaler Richtung eine mächtige Sturm-
wolke den Himmel, auf der unter einem
Baldachin Kurfürst Clemens August von
Köln thront, zu seiner Rechten die Alle-
gorie der Baukunst mit den Plänen des
Schlosses Brühl; vor ihm liegen die
lnsignien seiner Würde, der Erzbischofshut
und der kölnische Kurhut. Mit seiner
Linken gebietet er den Künsten. Rechts
außen die Allegorie der Malerei, über ihm
trompetenblasende Ruhmesengel, unter ihm
in dunkler Gewitterstimmung die Mächte
der Finsternis und der Barbarei, die der
Erzengel Michael in die Tiefe stürzt.
Der Entwurf ist der Ausführung an
Dynamik weit überlegen. Der Künstler
wölbt über dem großen Festsaal des
Treppenhauses, einem der glanzvollsten
Räume des deutschen Rokoko, einen
kühnen künstlichen Himmel, in dem die
Naturgewalten, Winde und Wolken, eins
werden mit den Gestalten aus der christlich-
heidnischen Bildungswelt des Barocks.
Die Freskierung der Decke erfolgte nach
der Neugestaltung des Treppenhauses durch
Balthasar Neumann bis 1750. Carlone, der
in den Schlössern Mitteleuropas schon
bedeutende Leistungen erbracht hatte (Linz,
Landhaus, 1717, Wien, Belvedere, Ansbach,
Passau und Ludwigsburg), hat hier den
durch ihn entwickelten Typus der Huldi-
gungsallegorie zu einem besonders glanz-
vollen Höhepunkt geführtl. Wenn wir
Carlones Brühler Treppenhausdecke mit
der zweiten berühmten Treppenhausfres-
kierung in Deutschland, mit Gianbattista
Tiepolos Fresko in der Residenz zu Würz-
burg, vergleichen, fällt dieser Vergleich hin-
ANMERKUNGEN l-5
l Katzlog Christie's. i. April 1966. Nr. 89. Abbildung.
TVgI. Kurfürst Clcmcns August, Landcsherr und Mäzen
des 18. jahrhundcrts, Ausstellung in Schloß Auguslusburg
zu Brühl 1961. Katalog. Tnfcl 8. S, HBtT.
1 Vgl. die Kompusiliun a" a3 11m frühzr enlstpndcnen
Linzcr Decke des Landhzuscs. di: durch eine Olxkizz:
überliefert ist. - Klar: Garn. Carlo Caxkmcs Linux
Drckcngcmäldc, m: „Alte und Moderne Kunst" aonsas.
ÄKIIXI Garis, Cirlu Cnrlone und die Dcckcnmalerei in
Wien m Anfang des 1a. jahrhundcnx. in: "Am Historiae
Axtium". Acadcmizc scientizrunx Hungariczd, V1".
Fasc. 374. Budapest 1962. S. 26m.
5 Der Zuschlz zrfxllglc zum höchsten. bisher fur eine
Ölskizze bcm llen Preis: 3500) Guinrtn. das sind 1000117
Dollar.