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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 87)

usmv Gurschner. Türklopfzr, Bronze, bez; 
DCCCXCVII Gurschner Paris. H. 32 cm 
uäbuv Gurschner. Aschenschule. Bronze, 1899. 
cm 
Franz Windisch-Graetz 
LEBEN UND WERK DES 
BlLDHAUERS GUSTAV 
GURSCHNER 
Das Atelier befindet sich im siebenten Wiener 
Gemeindebezirk. Die Türe. durch die man es 
betritt. ist mit einem bronzenen Klopfer (Abb.1) 
in den typischen Formen der Kunst um 1900 
geschmückt. Dieser Türklopfer ist wie ein Sesam- 
öffne-dich. mit dessen Hilfe dem Eintretenden ein 
Blick in die Vergangenheit gewährt wird. Hier. 
in diesen vier Wänden. hat sich die Zeit, eine 
mehr als ein halbes Jahrhundert. genauer, sieben 
Jahrzehnte zählende Epoche. im Lebenswerk eines 
Künstlers. in Bildern. Fotografien. Dokumenten 
und Erinnerungsstücken, konkretisiert. Aber nichts 
Museales haftet diesem Raum an. dessen Tische. 
Abstellvorrichlungen und Wände bis hoch hinauf 
zum Bersten angefüllt sind mit zahllosen Dingen. 
die auf Personen und Ereignisse hinweisen. die 
für uns längst Geschichte wurden; denn inmitten 
aller dieser Zeugen seiner langjährigen Arbeit 
steht der Künstler selbst. Gustav Gurschner, drei- 
undneunzigjührig. die unvermeidliche Virginier 
zwischen den Fingern. und wenn er. durch die 
Fragen des Besuchers angeregt. lebhaft erzählt. 
auf eine Portrötplastik, einen Denkmalentwurf 
hinweist oder einen kunstgewerblichen Gegen- 
stand im Stil der Jahrhundertwende zur Hand 
nimmt. dann werden Namen. Fakten und Kunst- 
strömungen. die für ihn erlebte Wirklichkeit be- 
deuten. auch für uns, die Spütergeborenen, ver- 
gegenwürtigt. Etwas von der einstigen Weite des 
alten Österreich und von der zentralen Bedeutung 
des damaligen Wien ist in diesem Atelier noch 
spürbar. von dern aus die Werke Gurschners einst 
in die entlegensten Kronldnder gelangten. ganz 
abgesehen von Österreichischen Städten und aus- 
ländischen Auftraggebern. 
Angesichts des weltweiten Interesses. das bereits 
seit mehr als einem Jahrzehnt demJugendstil.ganZ 
allgemein der Kunst um 1900. entgegengebracht 
wird. erscheint es wohl gerechtfertigt. sich näher 
mit dem Leben und Werk eines Künstlers zu 
befassen. der gerade zur Zeit der Jahrhundert- 
wende nicht nur in Wien. sondern auch im Aus- 
land seine ersten Erfolge verzeichnen konnte. 
Gustav Gurschner erlebt somit. dank seines hohen 
Alters. daß jene Kunstrichtung, der seine Jugend- 
werke verpflichtet waren. von den nachfolgenden 
Generationen der Söhne und mehr noch der 
Enkel eine neue Bewertung erfährt. wobei das 
Positive der Zielsetzung und des Bemühens nach 
Jahrzehnten der Ablehnung oder des Vergessens 
wiedererkannt wird. 
Der Künstler stammt aus Tirol i. DafJ er im Jahre 
1873 im bayerischen Mühldorfzur Welt kam. hing 
mit dem Beruf seines Vaters zusammen, der dort 
als Vermessungsingenieur bei Flußregulierungen 
beschäftigt war. Nach Abschluß dieser Tätigkeit 
übersiedelte die Familie wieder nach Bozen. wo 
Gurschner von 1885 bis 1888 die Fachschule für 
Holzindustrie besuchte. Nach drei Jahren riet ihm 
jedoch sein Lehrer. an die Kunstgewerbeschule 
nach Wien zu gehen: für ein so starkes Talent 
hatte Bozen nichts mehr zu bieten. An der Kunst- 
gewerbeschule des Österreichischen Museums für 
Kunst und Industrie arbeitete er zunächst bei 
Professor August Kühne (1888-1891) und wech- 
selte dann zu Professor Otto König (1891-1894). 
von dem er als Plastiker ausgebildet wurde. 
Bereits während dieser Zeit konnte der junge 
Kunslschiiler seinen ersten Erfolg in der Öffent- 
lichkeit verzeichnen. Um das Studium und den 
Aufenthalt in Wien bestreiten zu können. war 
Gurschner gezwungen. als Zeichenlehrer Geld zu 
verdienen. was aber für ihn keine Schwierigkeit 
bedeutete; denn die Nachfrage war verhältnis- 
mäßig groß. gehörte es doch zum damaligen 
Bildungsideal der gehobenen Kreise, daß Mädchen 
und junge Damen aus gutem Hause in der Musik 
und in der Malerei dilettierten. Diese privaten 
Verbindungen brachten Gurschner seinen ersten 
Auftrag. eine Portrötbüste des Schauspielers 
ANMERKUNGEN 175 
' Die biographischen Angaben beruhen zum Großteil 
auf persönlichen lnformulionen des Künsllers. Die 
Bekanntschaft mil Professor G. Gurschner vermilielfe 
Prinz Emanuel Liechlensiein, dem ich dalür auch an 
dieser Sielle uufrichligen Dank sage. 
' Kululog der XXlVJuhresausslellung in Wien. Künsller- 
haus, Z1. März 1896. Nr. 521. "Gurschner Gusluv in 
Wien. Gypsbüsäe. Poriräi des verstorbenen Komikers 
Wilhelm Knack. Privalbesitz." 
' Kurz vcrher halle sich Gurschner mil Alice Polluk vern 
mühll. die unier dem Pseudonym Paul Nidcrl schrift- 
sielierusch Iülig wur. 
Folgerichlig gab er daher vielen seiner figural nur- 
gelaßien kunsigewerblichen Erleugnisse. den Lampen. 
Leuchiern usw" Namen, wie LB. Flui, der Wind. 
Krafi, Lichkgeheimnis, Wahrheit u. dgl, m. 
' Rupert Curubin (1862-1921), Alexandra Charpenlier 
(185671901), Jeun-Augusl Dampf (1854-1946), Henri 
Nocq (geb. 126a). Villä Vuilgreen 08554949). 7 
Werke dieser Künsiler in: Maurice Rheims. Kunst um 
1900. Schroll. Wien 1965.
	        
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