AUS DEM KUNSTLEBEN
ÖSTERREICHISCHE GALERIE:
Skizzen und Entwürfe Hans Canons
Ihre neue, bis 4. September 1966
dauernde Sonderausstellung widmet die
Österreichische Galerie im Wiener
Belvedere dem Werk des Malers Hans
Canon, das an Hand von über hundert
Skizzen, Entwürfen und Dokumenten
in aufschlußreicher, doch nicht immer
erste Qualität wahrender Art dem
Besucher nahegebracht wird. Eine
knappere Auswahl hätte dem Vorhaben
zweitellos mehr Protil verliehen, der
Vorteildergetroffenengrößeremgleich-
sam authentischeren Selektion besteht
jedoch gerade in der Vielfalt des Ge-
zeigten, in seinen Höhepunkten und
eher leeren Tiraden, die so recht dem
inneren Kampf und den Zweifeln ent-
sprechen, die den Künstler und Men-
schen Hans Canon zeit seines Schaffens
plagten.
Canon, mit bürgerlichem Namen Jo-
hann Baptist de Paula Wenzeslaus Stra-
schiripka, wurde am 15. März 1829 in
Wien auf der Jägerzeile, der heutigen
Praterstraße, geboren. Nach dem Unter-
gymndsium der Piaristen in Krems
besuchte er das Polytechnische Institut
in Wien. An der hiesigen Akademie
studierte er nicht länger alsein Semester,
empfing jedoch später wiederholt Privat-
unterricht bei Waldmüller.
Ausgehend von einem aquarellierten,
bereits mit dem Künstlernamen sig-
nierten Herrenporträt aus dem Jahre
1847, dem ersten überlieferten Werk
Canons überhaupt, bestimmen zahl-
reiche Bildnisse zu einem sehr wesent-
lichen Teil Wert und Bedeutung dieser
Ausstellung. Die weite Ausdrucksskala,
die uns in den durchweg grandios
gemalten Mädchen-, Frauen- und
Männerbildnissen sowie einigen Selbst-
porträts begegnet, beweist eindrucks-
voll Canons Bemühen um geistiges
Erfassen einer Persönlichkeit in Ver-
bindung mit dem Beherrschen der
Form. ln ähnlicher Weise. in der uns
heute etwa die Handzeichnungen der
Meister des Barock nahestehen, beein-
drucken auch viele der Ölskizzen,
Studien und Zeichnungen Canons durch
Spontaneität und persönliche Hand-
schrift. Sie lassen 7 in Kontrast zu den
lesteren Portrats 7 jene Fähigkeiten
und schöpferischen Impulse ihres Autors
so recht erkennen. die dem damaligen
Zeittrend nicht entsprachen und deshalb
lange hindurch abwertend eingestuft
wurden. Canon erweist sich in diesen
meist kleineren Blättern und Bildern,
wie z. B. der nach 1880 entstandenen,
zügig gemalten „Wildbretverkäuferin",
der „Marter des hl. Hippolytus" oder
der aus seiner letzten Schaffensphase
stammenden „Landschaft mit Bach" als
kraftvoller Maler und sicher zupak-
kender Zeichner, dem es bei aller
Vitalität an Sensibilität, an echtem
Gespür für feine malerische und gra-
phische Werte dennoch nicht man-
gelte.
Canon, dessen Vorliebe zu den alten
Meistern, vor allem zu Rembrandt,
nicht übersehen werden sollte, der in
seiner Karlsruher Zeit u. a. Hans
Thoma und Wilhelm Trübner zu seinen
Schülern zählte, der als Gesellschafts-
maler und angesehener Porträtist in
höchsten Kreisen Aufnahme fand, ande-
rerseits aber auch auf Ablehnung und
Unverständnis stieß, verstarb im Dezem-
ber 1885 sechsundfünfzigjührig in Wien.
SO
Es ist das Verdienst der von Zdrawka
Ebenstein und Heinz Schöny bearbei-
teten Ausstellung, diesem für die öster-
reichische Malerei des 19. Jahrhunderts
typischen und repräsentativen Künstler
zu jener gerechten Beurteilung zu ver-
helfen, die nur eine genaue Kenntnis
seines differenzierten und Schwankun-
gen unterworfenen Oeuvres ermöglicht
(Abb. 1).
WIENER KÜNSTLERHAUS:
20 Jahre „Der Kreis"
Nicht weniger als 164 Malereien,
Plastiken und graphische Blätter um-
faßte der auszugsweise Rechenschafts-
bericht, mit dem sich die Wiener
Künstlergruppe „Der Kreis" anläßlich
ihres zwanzigjährigen Bestehens in
gewohnt solider Weise im Wiener
Künstlerhaus in Erinnerung brachte.
1946 wurde die Vereinigung gegründet.
Ihr erster Präsident war der Maler
Gustav Hessing. 1950 löste ihn Arnulf
Neuwirth ab, der dank seiner hervor-
ragenden Eignung in dieser Funktion
bis heute immer wieder bestätigt
wurde.
Von allem Anfang an hat sich der
„Kreis" an den beherzigenswerten
Grundsatz gehalten, auf Qualität zu
achten und seinen Mitgliederstand klein
zu halten, um nicht zu sehr künstlerische
Abstriche in Kauf nehmen zu müssen.
Dadurch unterscheidet sich diese Künst-
lergruppe nicht unwesentlich vom kon-
servativen Künstlerhaus, dem nur eine
generelle Blutauffrischung zu zeitge-
mäßerer Struktur verhelfen könnte,
und der gegenwärtig auch nicht gerade
sehr fortschrittlichen und aktiven Seces-
sion, der es ebenfalls infolge zu vieler
Mitglieder und der dadurch herauf-
beschworenen Kompromißbereitschaft
an Profil mangelt.
Von einem fesselnden Aufgreifen neuer,
wirklich diskutierenswerter bildneri-
scher Problemstellungen, wie es in den
Kunstzentren von heute zum guten Ton
gehört, ist zwar 7 wie überall in
Österreich 7 auch beim „Kreis" nicht
viel zu spüren, dafür hält man jedoch
im allgemeinen eine qualitätsvolle
Mitte, was für eine österreichische
Künstlervereinigung schon einiges heißt.
Diese Regel wurde allerdings von
einigen Ausnahmen durchbrochen, und
zwar in erster Linie von den Beiträgen
der Plastiker dieser Jubiläumsschau, die
dem in dieser Künstlervereinigung
besonders hoch veranschlagten Grund-
satz derToleranz, des friedlichen Neben-
einander unterschiedlichster künstle-
rischer Strömungen und Auffassungen
augenfällig Rechnung trug.
Auf dem Sektor der Malerei fielen auf:
zwei sehr feine, gedämpfte Aquarelle
und ein kräftiges, überaus harmonisches
Landschaftsbild (Neusiedl am See) von
Kurt Möser, Ölbilder und Gouachen
Ferdinand Stranskys, zwei der größeren,
..Gebet" betitelten Meditatiansbilder
Uta Prantls, Aquarelle Robert Schmitts,
Greta Freists sowie kleinere Tempera-
blätter von Axel Eggler. Als vorwiegend
reine Zeichner behaupteten sich neben
Ernst Paar der junge Richard Ahmad
Pechok und Luise Autzinger, die auch
mit einem streng komponierten Gobelin
vertreten war. Walter Muhammed Malli
hat sich in seinen stürzenden Wiener
Architekturen zu sehr in eine Manier
verrannt, als daß da noch viel zu er-
warten wäre. Demgegenüber besaßen
brillant gedruckte, prächtig kompo-
nierte Holzschnitte Hans Stockbauers,
Collagen Arnulf Neuwirths, einige der
Ölbilder Ernst Höffingers und mehrere
Aktdarstellungen Elisabeth Stembergers
schon mehr Qualität. Die angekün-
digten, zum Sehenswertesten der Schau
zählenden Beiträge auf dem Sektor der
Plastik, sind mit den Namen Prantl und
Schagerl rasch genannt. Diese beiden
Künstler repräsentieren zwei grund-
sätzlich verschiedenartige bildnerische
Auffassungen und Temperamente, die 7
weitestgehend auf sich selbst gestellt 7
das Bild der zeitgenössischen österrei-
chischen Bildhauerei einprägsam mit-
bestimmen.
Neigt Josef Schagerl mehr dem archi-
tektonischen Prinzip zu. einem rhyth-
misch-seriellen. oft reliefartigen An-
ordnen von Messingzellen und Kuben,
so bleibt Karl Prantl in seinen Medita-
tionsskulpturen sakralen Charakters
nach wie vor in typischer Weise dem
Zeichen und Symbol treu. Die besinn-
liche Ruhe und Strahlkraft in den
Arbeiten des burgenländischen Sympo-
siongründers (St. Margarethen) findet
in der Materialgerechtheit und archi-
tektonischen Musikalität der einfalls-
reichen Plastiken Schagerls ein ähnlich
schätzenswertes Gegenstück.
So erfreulich auch der Gesamteindruck
dieser vielfältigen, abwechslungsreichen
Ausstellung war, so wenig sollte jedoch
dabei übersehen werden, daß auch
dem „Kreis" ein Verjüngungsprozeß
not täte. Für die Zukunft heißt die
Devise daher Ausschau nach jungen
Talenten, Aufnahme und Förderung
junger Begabungen und folglich auch
mehr Mut zum Experiment! (Abb. 274)
WIENER SECESSION:
Frohner, K. A. Wolf und M. L. Motesiczky
Mit Montagen, Collagen, Zeichnungen.
Radierungen und Lithographien wurde
7 ineiner der interessantesten kleineren
Ausstellungen der Secessionsgalerie 7
der Wiener Adolf Frohner kollektiv
vorgestellt. ein dem Experiment, dem
Ausnützen autonomer bildnerischer
Mittel und Methoden verständnisvoll und
mit Konsequenz zugetaner Künstler.
Frohner ist alles eher denn ein bloßer
Ästhet oder geschickter Arrangeur, der
nur den schönen Schein der Dinge im
Auge hat und dem Dekorativen zuliebe
dasjenige unterdrückt, was ihn in
Wahrheit interessiert. Als ein Mensch,
der ständig auf der Suche ist, aufnimmt
und wieder verwirft, liebt er schonungs-
lose, oft provokante Offenheit, vor
allem im Hinblick auf das verwendete
Material seiner Montagen und Collagen
(alte Matratzen, aus denen Roßhaar
hervorquillt, Abfälle, Fotomontagen
etc.). Sensible, dynamische Bleistift-
zeichnungen, deren hingeschriebene
Rhythmik sich zu spannungsreicher
Harmonie entlädt, veranschaulichen die
Grundhaltung rrohners ebenso klar
wie eine Reihe von Radierungen und
Lithos, die sich gelegentlich durch das
Einbeziehen pop-artistischer Elemente
in Richtung handfester Zeitkritik be-
wegen.
Der 1908 geborene Autodidakt Karl
Anton Wolf malt seit nunmehr gut zehn
Jahren. Seit dieser Zeit stellt er auch
regelmäßig im ln- und Ausland aus.
Wolf ist aber auch als Erzeuger höchst
eigenwilliger Plastiken hervorgetreten;
sein mystisch anmutendes, aus sehr ver-
Die Wiener und ihre Museen
Das Biindesiviinislerium für Unterricht gi
bekannt, duli in den ihm unterstehendi
Staatlichen Kunstsammlungen und Nliisei
in den NlanalenApril1966 7B.5S1undMai19
89.766 Besucher gezahlt wurden.
Die Wildbretverküuferi
t Hans Canon.
um issa. Ol üUf Lwd. (Aus der ÄLISSIE
lultf] Ift der Österreichischen Galerie)
2 tCFdIttGftCl siriiiisky. Zwei Figuren, 195
Oi. so x 90cm
lJtG l'I'(1l1ll, Gebet, 1964 Öl, 14ÜXEOC
au)
Robert Silltfftllt, Dampfer, Aqucire
Jl X44 cm, Abb, 274 aus der Jubilaurr
Ausstellung „Der Kreis" im Wierii
Künstlerhaus)