man sie kaum angreifen kann", „ein reiten-
der Türck, welchen man ziehen kan",
das sind echte Kuriosa und Stücke des
Raritätenkabinetts.
Ist der Pokal des uns namentlich noch
nicht bekannten süddeutschen (P) Mono-
grammisten B. G. ganz aus Elfenbein ge-
schnitzt und gedrechsclt (Abb. 19) und
gibt er den Einfluß niederländischer Stiche
zu erkennen 19, so wirkt der hohe Humpen
des in Augsburg tätigen Goldschmieds und
Elfenbeinschnitzers Bernhard Strauß (Abb.
20) sowohl wegen seiner absoluten Größe,
der silbervergoldeten Fassung als auch
durch die relative Größe der Götterfiguren
an der Wandung und auf dem Deckel.
Dargestellt ist eine Götterversammlung
mit Minerva, Venus u. a. . . In dem auf dem
Bild von Hainz (Abb. 18) rechts unten
dargestellten Humpen liegt möglicherweise
eine Arbeit des gleichen Werkstattkreises
vor. Seit Erzherzog Ferdinand von Tirol
hatte fast jeder Hof seine Drechselwetkstatt
vor allem für Elfenbein, viele Fürsten w
Kaiser Ferdinand III., Kaiser Leopold I.,
Kurfürst Johann August von Sachsen
oder der Landgraf Carl von Hessen u. a. -
gaben sich selber dieser Liebhabertätigkeit
hin. Es ist hinlänglich bekannt, daß gerade
Elfenbeinarbeiten aller Art, „Cupido sambt
bogen und pfeil von helfenbein", „2 pocal
von helfenbein in Nürnberg erkauft",
„1 pulverl-lasche von helfenbein, schildkrot
und ebenholtz", „1 Cruceiix von helfen-
bein, 1 todtenkopf von helfenbein" u. a.,
wie sie gerade auch im Inventar der Herzöge
von Sachsen-Laucnburg 1666 genannt wer-
den, zu den beliebtesten Gegenständen der
Kabinette gehören, besonders aber auch
die im 17. Jahrhundert weit verbreiteten
Pokale und Humpen mit bacchischen,
mythologischen Darstellungen und Jagd-
szenen, meist Hämischer oder süddeutscher
Herkunft.
Die Gedenkmedaille auf die Errichtung
der berühmten Hamburger Michaelis-Kirche
(Abb. 21), 1665 von Joachim Henne ge-
schnitten, besitzt vor allem auch lokal-
historischen dokumentarischen Charakter.
Der Aufbau der Kirche seit 1649 ist auf
das engste mit dem Namen des Bürger-
meisters Barthold Moller verbunden, dessen
Familienwappen links außen an dem Obe-
lisken 7 typisch für das Emblemdenken
des Barock isichtbar ist. v In ganz anderer
Weise erweckt die viel- und kleinteilige,
weniger geschnitzt als gepickte und ge-
stoßene Elfenbeingruppe des Engelsturzes
(Abb. 22) süditalienischer Provenienz das
Interesse an der technischen Virtuosität,
aus einem großen Stück des Elefanten-
zahns den gitterartigen Figurenauf hau ent-
stehen zu sehen. Neben dem Reiz des
Kuriosen und Seltencn tritt der künstle-
rische Aspekt weit zurück.
Ohne Marken, jedoch wahrscheinlich Augs-
burger Herkunft, zeigt die muschclförmige
Fußschale aus Elfenbein (Abb. 23) mit
silbervergoldeter Monticrung Z0, zu welcher
Leichtigkeit der Formen der Künstler
dieses vielleicht als Konfektschale ge-
brauchten Tafelaufsatzes trotz des harten
Werkstoiies gelangen konnte. Die Vorbilder
der Goldschmiedekunst und des Bronze-
gusses sind jednch nicht zu verleugnen.
Trotz der gedrungenen schweren Baluster-
formen des Stieles erscheint die venezia-
nische Netzglasschale (Abb. 24) zumindest
ebenso elegant und leicht in ihren Formen
wie das Aehatgefäß links unten auf dem
Gemälde von Hainz in der Hamburger
Kunsthalle (Abb. 18). jedoch gehörten,
wie aus dem Ambraser Inventar zu ersehen
ist, nicht nur zweckgebundene Glasschalen,
-pokale, -becher und -flaschen zum Bestand
einer Kunst- und Wunderkammer, sondern
vor allem kleine Schmuckstücke, Tiere,
Blumen, Ketten u. ä., seltsamste Figuren
der Fabel- und Komödienwelt. „Nlancher-
ley schöne spiegel von cristall und andern
schönen gläsern" (Hainhofer, Dresden).
Waren Nürnberg, Augsburg und München
auch gerade für die Elfenbeinkunst des
17. Jahrhunderts von großer Bedeutung
geworden, so stammen die Gläser nicht
nur aus dem berühmten Venedig (Murano)
und aus den Niederlanden, sondern immer
häufiger auch aus den Glashütten und
Malerwerkstätten Süddeutschlands, etwa
aus Nürnberg, wohin man auch die beiden
Gläser des Hainvfschen Bildes lokalisieren
möchte.
Schon ein erster Blick in die Räume der
Gottornschen Kunstkammer der Herzöge
von Schleswig-Holstein (Abb. 25) verrät,
daß hier i ähnlich wie im Museo Cospiano
- die „naluralirf in Gestalt von Gerippcn,
ausgestopften Fischen, Muscheln und
Schnecken den Vorrang vor den künst-
lichen Raritäten, den Bildern oder Idolen
haben. „Eine gleichmäßig raue Art der
Menschen sind die Grönländer, welche in
der Gottotfischen Kunstkammer . . . nach
den Originalien von 1654 hereingebracht
zu sehen." Welche unmittelbare Nähe
Kunst- und Naturform gerade im Sinn
der Werke der „Kunst- und Wunder-
kammer" haben können, zeigt das Beispiel
einer oberitalienischen Bronzeeidechse des
16. Jahrhunderts (Abb. 26), der ein Natur-
abguß zugrunde liegt. Es sei an dieser
Stelle außer auf die frühen Bronzen Riccios
nur auf die manieristischen Goldschmiede,
und Bronzearbeiten der Jamnitzer-Werk-
statt und auf die oft mit Kriechtieren aller
Art gefüllten Schüsseln und Schalen Palissys
verwiesen. Solche Einzelhguren haben
meist nur rein abbildenden Charakter; das
Interesse an der Naturform überwiegt.
Von gänzlich anderer Art ist die Bedeutung
eines in eine sehr feine Filigranfassung
montierten Bezoarsteincs (Abb. 27). Die
konzentrischen Schichten der Darm- bzw.
Magenablagerung sind gut sichtbar, mit
seiner Größe und dem Gewicht von
210 Gramm übertrifft dieser Stein die sonst
nur haselnußgroßen Stücke 21. Sie alle
dienten als Amulett gegen das Böse, gegen
Krankheit und Unheil. So forderte die
Markgraf-in Sibylla Augusta von Baden den
Bezoarstein von ihrer Schwester, als sie
bei der Geburt des ersten Kindes seine
glückbringende Wirkung erhoffte. Gerade
solche bedeutungsbeladenen Gegenstände,