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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 88)

Bericht von 1628 heißt, sind wichtige 
Bestandteile des Kunstkammerinventars. 
Besaß doch auch mancher Fürst 7 wie der 
Kurfürst von Sachsen - „Ain schöner 
drehzeug zum Agtstain (Achat) zu dre- 
hen . . .". Reizte hier das oft von einem 
Hauch des Geheimnisvollen umgebene 
Material der Halbedelsteine den Künstler 
und Sammler, so zeigt die kleine Becher- 
schale auf Frans Franckens II. Wiener Bild 
(Abb. 31), sei es ein echtes chinesisches 
Porzellan oder, was wahrscheinlicher ist, 
eine Nachahmung in Fayence, daß auch 
die Erzeugnisse fernöstlicher Kleinkunst 
das Sammlcrinteresse des Besitzers einer 
„Kunst- und Raritätenkammer" besaßen. 
Häufig sind es Gefäße des 17. Jahrhunderts 
(der Mingzeit und des sogenannten Über- 
gangsstiles) wie die große Vase inKalabas- 
form (Abb. 41) mit einer originalen chine- 
sischen Bronzemontierung, deren feinge- 
zeichnete szenische Darstellung in Unter- 
glasurblau gemalt ist 16. 
Doch gerade „porzelanaschisselen" wie der 
prächtige Teller der Wan-Li-Zeit (Abb. 42), 
der mit einem der großen Transporte der 
niederländischen Handelsgesellschaften nach 
Deutschland gelangt sein mag, finden sich 
sehr häufig, meist in Delfter, aber auch in 
Frankfurter Fayencc nachgeahmt. Es ist 
bezeichnend, wie in den Beschreibungen 
kaum nach genauer Herkunft der Gegen! 
stände unterschieden wird: „Vilerley 
schöne Porzellana, wie trinckgeschirr, scha- 
len und mancherley thierlein" finden sich 
nach Hainhofers Worten in der Dresdner 
Kunstkammer: „Irdische Geschürr von 
Porcellana, terra sigillata, rothem bolo 
Armenico, und von anderen frembden 
erden . . ." heißt es schon genauer in der 
Innsbrucker Sammlung bei Hainhofers Be- 
schreibung „im fünfften kasten". 
Nur äußerst selten erfahrt der Leser der 
zahlreichen Reisebeschreibungen und 
„Merckwürdigkciten", auch der Kataloge 
der einzelnen „Kunst- und Wunderkam- 
mern" die Namen der Künstler und 
Kunsthandwerker. Unter „1 Kunststuck 
in ein oblonges glas geschnitten, worinnen 
3 {iguren in einer viereckigten rahm, mit 
helfenbein und ebenholtz ausgemachet, zu 
sehen" läßt sich wenig vorstellen. Auf- 
fallend ist aber, daß fast alle Reliefarbeiten 
in Elfenbein in „schwarze rahm" gefaßt 
sind, wie es auch bei dem Ignaz Elhafen 
zuzuschreibenden Raub der Sabinerinnen 
(Abb. 43) in St. Florian der Fall ist27. 
Die Stichvorlagen für diese Kompilation 
der Figurengruppen sind bei Pietro da 
Cortona und in Matthäus Merians Histo- 
rischer Chronik zu suchen. Die Auftrag- 
geber scheinen ganze, oft nur leicht abge- 
wandelte Serien ein- und desselben Themas 
bestellt zu haben, wie eine Reihe von 
„Repliken" dieses Reliefs zeigt. 
„Im 4. Gemach (in der Dresdener Kunst- 
kammer) Werden allerley schöne, gros und 
klaine von Wachs passierte bildnussen, 
historien, contrafet, thierlein in grosser 
anzahl gefunden", zu denen auch ein 
Relief religiösen Themas wie die Ver- 
treibung aus dem Paradies (Abb. 44) 
18 
gehört haben könnte. Es überzeugt weniger 
durch seine künstlerische Qualität als durch 
die naive Auffassung, die i Wohl einer 
graphischen Vorlage entsprechend - in 
theatralischer Form vorgetragen wird und 
zu deren Wirkung ein tiefer, kastenartiger 
Rahmen gehört, der die Bühnenwirkung 
erhöht (der abgebildete ist modern). 
Ein „Bild" im Sinne des barocken Begriffes 
für Bildwerk, Plastik, ist die Elfenbein- 
gruppe „Simson erschlägt einen Philister" 
(Abb. 45), deren Meister, der Ulmer 
David Heschler, starken italienischen Ein- 
Huß verrät. Zwar ist nicht diese Gruppe, 
sondern wohl Herkules mit Cacus oder 
doch ein Simson als Besieger eines Philisters 
auf dem „Trompe Poeil" des Cornelius 
Norbertus Gysbrechts dargestellt (Ab- 
bildung 46), doch präsentiert dieses Ge- 
mälcle mit dem kleinen Ausschnitt aus dem 
Inhalt eines Raritätenkabinetts oder Kunst- 
kammerschrankes - mit Perlenkette, Kno- 
chen, Muschel und Korallenzweig - in 
fast überspitzter Form auch den Grund- 
gedanken des Kuriosen, Geheimnisvollen 
und Künstlichen für die „Kunst- und 
Ratitätenkammer". Der dänische Hof er- 
warb das 1670 datierte Gemälde direkt 
vorn Künstler für seine Sammlung Z3. Der 
Austausch von Kunstwerken und Raritäten 
war im 17. Jahrhundert besonders groß. 
Der Künstler arbeitet in fürstlichen Dien- 
sten, liefert auch dem interessierten Freun- 
deskreis seines Herrn Proben seiner Kunst. 
Ein Fürst beschenkt den anderen, empfiehlt 
seine Künstler und Kunsthändler weiter, 
bestellt einzelne Werke in fremden Werk- 
stätten. Und so nimmt es nicht wunder, 
daß Philipp Hainhofer schon 1606 schreibt 
„wen mir ainer solches frembdeß, es sey 
jetzt von rebus naturalibus oder arti- 
ficialibus in mein kunstkämmerlein schenk- 
ket, so geschüht mir mehrers wolgefallen 
daran, alß wan er mir baargelt gebe". 
Nur ein kleiner Teil aller wichtigen, nen- 
nenswerten Arten und Formen der Kunst- 
kammergegenstände konnte hier benannt 
und beschrieben werden. - Von dem 
Drang nach enzyklopadischer Ausbildung 
des Bestandes einer „Kunst- und Wunder- 
kammer" sprechen C. F. Neickels bezeich- 
nende Sätze von vor 1727 folgendermaßen: 
„In einer Kunst-Kammer werden folgende 
Dinge aufgehoben, mechanische; und diese 
bestehen entweder aus Erde, als da sind 
allerley aus Gyps oder dergleichen irdenen 
Materien verfertigte Kunst-Sachen: Aus 
Metallen, als da sind geometrische und 
physicalische, mathematische u. d. g. In- 
strumenta 8m. Aus Glas, . . . Aus Holtz, . . . 
...und kurtz zu sagen, alles dasjenige, 
was die Kunst in allerley Species, Helffen- 
bein, Perlen-Mutter, Glas, Porcellain u. d. g. 
Materien nur immer der curiösen Welt 
verfertigen mag; Wobey auch dieses in 
Acht zu nehmen, daß, je schwerer eine 
Materie an und für sich zu bearbeiten, um 
destornehr Die Rarität und Kunst dabey 
zu admiriren." Die Bedeutung des „Rarci-i", 
„Virtuoserf und „Kuriosen" am Objekt 
übertrifft die seiner künstlerischen Qualität 
in Erfindung und Form. 
ANMERKUNGEN 267 28 
1b Für am freundliche Erlaubnis zur Abbildung schulde ich 
Helm m. Ganicr. Diiwcldnxf-Bcnnth, Dank. 
v Über die Ncuzufslcllung der besonders rcichzn Kunst- 
kaxnmcr des Snlh: Kxzlnsmünsler s. E. Nculnznn, Oster- 
rridnische Zßitschxiß m: Kunst- und Dmkmalpaege. 
1963. 213. S. 6911". 
1' F. Gammdbo, Dutch Still-Lifc Painting from (h: 16th m 
(h: 18th Cenluries in Danisb Collcction, Amstrrdam 1960. 
5.164. Nr. 25Zf.
	        
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