Bericht von 1628 heißt, sind wichtige
Bestandteile des Kunstkammerinventars.
Besaß doch auch mancher Fürst 7 wie der
Kurfürst von Sachsen - „Ain schöner
drehzeug zum Agtstain (Achat) zu dre-
hen . . .". Reizte hier das oft von einem
Hauch des Geheimnisvollen umgebene
Material der Halbedelsteine den Künstler
und Sammler, so zeigt die kleine Becher-
schale auf Frans Franckens II. Wiener Bild
(Abb. 31), sei es ein echtes chinesisches
Porzellan oder, was wahrscheinlicher ist,
eine Nachahmung in Fayence, daß auch
die Erzeugnisse fernöstlicher Kleinkunst
das Sammlcrinteresse des Besitzers einer
„Kunst- und Raritätenkammer" besaßen.
Häufig sind es Gefäße des 17. Jahrhunderts
(der Mingzeit und des sogenannten Über-
gangsstiles) wie die große Vase inKalabas-
form (Abb. 41) mit einer originalen chine-
sischen Bronzemontierung, deren feinge-
zeichnete szenische Darstellung in Unter-
glasurblau gemalt ist 16.
Doch gerade „porzelanaschisselen" wie der
prächtige Teller der Wan-Li-Zeit (Abb. 42),
der mit einem der großen Transporte der
niederländischen Handelsgesellschaften nach
Deutschland gelangt sein mag, finden sich
sehr häufig, meist in Delfter, aber auch in
Frankfurter Fayencc nachgeahmt. Es ist
bezeichnend, wie in den Beschreibungen
kaum nach genauer Herkunft der Gegen!
stände unterschieden wird: „Vilerley
schöne Porzellana, wie trinckgeschirr, scha-
len und mancherley thierlein" finden sich
nach Hainhofers Worten in der Dresdner
Kunstkammer: „Irdische Geschürr von
Porcellana, terra sigillata, rothem bolo
Armenico, und von anderen frembden
erden . . ." heißt es schon genauer in der
Innsbrucker Sammlung bei Hainhofers Be-
schreibung „im fünfften kasten".
Nur äußerst selten erfahrt der Leser der
zahlreichen Reisebeschreibungen und
„Merckwürdigkciten", auch der Kataloge
der einzelnen „Kunst- und Wunderkam-
mern" die Namen der Künstler und
Kunsthandwerker. Unter „1 Kunststuck
in ein oblonges glas geschnitten, worinnen
3 {iguren in einer viereckigten rahm, mit
helfenbein und ebenholtz ausgemachet, zu
sehen" läßt sich wenig vorstellen. Auf-
fallend ist aber, daß fast alle Reliefarbeiten
in Elfenbein in „schwarze rahm" gefaßt
sind, wie es auch bei dem Ignaz Elhafen
zuzuschreibenden Raub der Sabinerinnen
(Abb. 43) in St. Florian der Fall ist27.
Die Stichvorlagen für diese Kompilation
der Figurengruppen sind bei Pietro da
Cortona und in Matthäus Merians Histo-
rischer Chronik zu suchen. Die Auftrag-
geber scheinen ganze, oft nur leicht abge-
wandelte Serien ein- und desselben Themas
bestellt zu haben, wie eine Reihe von
„Repliken" dieses Reliefs zeigt.
„Im 4. Gemach (in der Dresdener Kunst-
kammer) Werden allerley schöne, gros und
klaine von Wachs passierte bildnussen,
historien, contrafet, thierlein in grosser
anzahl gefunden", zu denen auch ein
Relief religiösen Themas wie die Ver-
treibung aus dem Paradies (Abb. 44)
18
gehört haben könnte. Es überzeugt weniger
durch seine künstlerische Qualität als durch
die naive Auffassung, die i Wohl einer
graphischen Vorlage entsprechend - in
theatralischer Form vorgetragen wird und
zu deren Wirkung ein tiefer, kastenartiger
Rahmen gehört, der die Bühnenwirkung
erhöht (der abgebildete ist modern).
Ein „Bild" im Sinne des barocken Begriffes
für Bildwerk, Plastik, ist die Elfenbein-
gruppe „Simson erschlägt einen Philister"
(Abb. 45), deren Meister, der Ulmer
David Heschler, starken italienischen Ein-
Huß verrät. Zwar ist nicht diese Gruppe,
sondern wohl Herkules mit Cacus oder
doch ein Simson als Besieger eines Philisters
auf dem „Trompe Poeil" des Cornelius
Norbertus Gysbrechts dargestellt (Ab-
bildung 46), doch präsentiert dieses Ge-
mälcle mit dem kleinen Ausschnitt aus dem
Inhalt eines Raritätenkabinetts oder Kunst-
kammerschrankes - mit Perlenkette, Kno-
chen, Muschel und Korallenzweig - in
fast überspitzter Form auch den Grund-
gedanken des Kuriosen, Geheimnisvollen
und Künstlichen für die „Kunst- und
Ratitätenkammer". Der dänische Hof er-
warb das 1670 datierte Gemälde direkt
vorn Künstler für seine Sammlung Z3. Der
Austausch von Kunstwerken und Raritäten
war im 17. Jahrhundert besonders groß.
Der Künstler arbeitet in fürstlichen Dien-
sten, liefert auch dem interessierten Freun-
deskreis seines Herrn Proben seiner Kunst.
Ein Fürst beschenkt den anderen, empfiehlt
seine Künstler und Kunsthändler weiter,
bestellt einzelne Werke in fremden Werk-
stätten. Und so nimmt es nicht wunder,
daß Philipp Hainhofer schon 1606 schreibt
„wen mir ainer solches frembdeß, es sey
jetzt von rebus naturalibus oder arti-
ficialibus in mein kunstkämmerlein schenk-
ket, so geschüht mir mehrers wolgefallen
daran, alß wan er mir baargelt gebe".
Nur ein kleiner Teil aller wichtigen, nen-
nenswerten Arten und Formen der Kunst-
kammergegenstände konnte hier benannt
und beschrieben werden. - Von dem
Drang nach enzyklopadischer Ausbildung
des Bestandes einer „Kunst- und Wunder-
kammer" sprechen C. F. Neickels bezeich-
nende Sätze von vor 1727 folgendermaßen:
„In einer Kunst-Kammer werden folgende
Dinge aufgehoben, mechanische; und diese
bestehen entweder aus Erde, als da sind
allerley aus Gyps oder dergleichen irdenen
Materien verfertigte Kunst-Sachen: Aus
Metallen, als da sind geometrische und
physicalische, mathematische u. d. g. In-
strumenta 8m. Aus Glas, . . . Aus Holtz, . . .
...und kurtz zu sagen, alles dasjenige,
was die Kunst in allerley Species, Helffen-
bein, Perlen-Mutter, Glas, Porcellain u. d. g.
Materien nur immer der curiösen Welt
verfertigen mag; Wobey auch dieses in
Acht zu nehmen, daß, je schwerer eine
Materie an und für sich zu bearbeiten, um
destornehr Die Rarität und Kunst dabey
zu admiriren." Die Bedeutung des „Rarci-i",
„Virtuoserf und „Kuriosen" am Objekt
übertrifft die seiner künstlerischen Qualität
in Erfindung und Form.
ANMERKUNGEN 267 28
1b Für am freundliche Erlaubnis zur Abbildung schulde ich
Helm m. Ganicr. Diiwcldnxf-Bcnnth, Dank.
v Über die Ncuzufslcllung der besonders rcichzn Kunst-
kaxnmcr des Snlh: Kxzlnsmünsler s. E. Nculnznn, Oster-
rridnische Zßitschxiß m: Kunst- und Dmkmalpaege.
1963. 213. S. 6911".
1' F. Gammdbo, Dutch Still-Lifc Painting from (h: 16th m
(h: 18th Cenluries in Danisb Collcction, Amstrrdam 1960.
5.164. Nr. 25Zf.