Bischof Szily und sein Kreis übertrugen an
Hefele derartig viele Bauaufträge ab 1777,
daß der Künstler im letzten und produk-
tivstcn Abschnitt seines Lebensweges fast
ausschließlich nur im Bereich der Diözese
Steinamanger gearbeitet hat. Der bereits
erwähnte erste Bau war das Priesterseminar,
darauf folgte das Bischofspalais, die Pfarr-
kirche von Nova 1778, der Bau des Dom-
pfarrhofes in Steinamanger 1779[80, das
Haus der bischöflichen Musikanten 1779,
die Restaurierung der Pfarrkirchc von
Zanat 1780, das Wohnhaus für den Vize-
gespan Rosthy 1782, das Palais für den
Domherrn Szegedy 1784-1786, dann das
Lebenswerk Hefeles: die bischöfliche Dom-
kirche in Steinamanger, der Entwurf für
den Landsitz des Bischofs, das Schloß
Repceszentgyörgy, und zuletzt das Palais
des Domherrn Eölbey 1793.
Diese kurze Aufzählung zeigt, welche
künstlerische Produktivität Hefelc in und
um Steinamanger entfalten konnte. Es geht
aber nicht nur um das Volumen seines
Schaffens. Selten in der Geschichte wird
einem Architekten das Glück zuteil, in der
eigenen Person das bauliche Gesicht einer
Stadt derart zu bestimmen, wie dies in
Steinamanger durch Hefele geschah. Mit
der Entstehung des Domplatzes - die
architektonische Lösung der Verbauung
und der einzelnen Objekte lag ganz in
Hefcles Hand 7- schuf er eine Gesamt-
komposition, welche zum städtebaulichen
Schwerpunkt der Stadt wurde. Die ein-
zelnen Werke zählen zu den schönsten
Baudenkmälern Ungarns ihrer Epoche, die
Domkirche ist eine großräumige Tat des
donauländischen Klassizismus, der Dom-
platz wird als die bestgelungene, einheit-
liche Platzgestaltung des 18. Jahrhunderts
bezeichnet (Prof. Wälder).
Hefeles Dom zu Steinamangct zeigt ver-
schiedene künstlerische Einflüssc. Wie schon
erwähnt, verlangte der Bauherr eine im
Grundriß tatsächlich auch spürbare An-
lehnung an die Kirchen Il Gesu und San
Ignazio. Ebenfalls feststellbar ist der Ein-
fluß von Göttweig, besonders in der Art
der Bindung der Raumteile. Die Fassade
zeigt eine starke Ähnlichkeit zum ur-
sprünglichen Entwurf Servandonis der
Pariser Saint-Sulpice-Kirche. Die Innen-
raumgestaltung kann mit Recht als das
schönste Werk Hefeles bezeichnet werden.
Trotz der Monumentalität, trotz der stren-
geren, geometrischen Formen sehen wir
hier die großartigen Gedanken des mittel-
europäischen Barock wirken, ganz be-
sondcrs durch die künstlerische Harmonie
der Architektur, Dekoration und der von
Maulbertsch entworfenen Dcckenbilder
(ausgeführt von Spreng und von Winter-
halder, 1945 bei einem Bombenangriff ver-
nichtet). Die Altarbilder von Dorfmeister,
die Plastik von Prokopp verstärken nur
diesen Eindruck.
An Hefeles Tätigkeit in Steinamanger läßt
sich auch eine Erscheinung und Ent-
wicklung abmessen, die zwar als allgemein
bekannt gilt, doch nur selten durch die
Detailforschung konkret nachgewiesen
wird. Es ist dies die Frage der Beziehungen
zwischen Baukunst und Volkskunst, zwi-
schen der theoretisch fundierten und der
vom Volk instinktiv praktizierten Bau-
tätigkeit, cine Frage, der ganz besonders
im Barock eine wichtige und noch heute
spürbare Bedeutung zukommt. In keiner
Epoche ist die Einsickerung und die Über-
tragung der Formen der Hochkunst in
die künstlerische Ausdrucksweise des Vol-
kes so intensiv gewesen wie in dieser Zeit.
Hefeles Tätigkeit liefert einen interessanten
und konkreten Hinweis auf diesen Prozeß.
Als nämlich 1779 die Stadt Steinamanger
und ganz besonders der dem Bischof als
Grundherrn gehörende Vorort Perint Opfer
einer Feuersbrunst wurden, ließ Szily ein
neues Bauerndorf für seine Leibeigenen
errichten, etwa vier Kilometer von der
Stadt entfernt. Das neue Dorf Perint wurde
von Hefele entworfen, es gilt noch heute als
eine der schönsten und einheitlichsten Dorf-
planungen Westungarns. Es wurden damals
gewiß auch viele Maurer, Poliere und
Zimmerleute von den laufenden städtischen
Großbauvorhaben zu dieser dringenden
Arbeit eingeteilt, die Handwerker pflanzten
gleich Formen und Konstruktionen weiter,
wodurch eine unmittelbare Wirkung ent-
stehen mußte. Das erwähnte ist bloß
eines der vielen, meist unbekannten Bei-
spiele, die beweisen, wie intensiv die
bildnerische Ausstrahlung größerer histo-
rischer Bauvorhaben auf die Formsprache
des Volkes sein und welch starke Wirkung
ein Architekt in seiner Umgebung erzielen
konnte (siehe Abbildung).
Und so, wie die künstlerische Laufbahn
Hefeles mit einem Projekt kleineren Um-
fangs beginnt (Sonntagberg), mit ge-
schliffenen, feinen Details, mit einer
schwungvollen und klaren Komposition, so
endet auch seine künstlerische Laufbahn in
einem Werk, dessen Harmonie, Eleganz und
Feinheit einen wohldurchdachten und rei-
zenden Kontrapunkt zur Vonumentalität
der Domkirche bildet. Es ist dies das
kleine Palais des Domherrn Eölbey gegen-
über der Domkirche, dessen Bau den Dom-
platz gegen Osten abschließt.
Hefele erlebte weder die Vollendung der
Domkirche noch die des Eölbey-Hauses.
Er starb am 15. März 1794 in Steinaman-
gerä, wo er sich zwecks eines Baustellen-
besuches aufhielt. Die Vollendung seiner
Arbeiten übernahm der aus Riegelfßaden
stammende Baumeister Georg Johann An-
reith (1751 -1823). Der alte Meister wurde
in der Gruft der Franziskanerkirche bei-
gesetzt.
Es sollte noch ohne jeglichen Argwohn
erwähnt werden, daß die ungarische Fach-
literatur"), die sich stets wesentlich mehr
mit Hefele befaßte als die österreichische,
den verdienten Architekten gerne für das
eigene Land beansprucht. Auch in der
sonst ausgezeichneten, 1956 erschienenen
Kunstgeschichte"! wird Hefele als ein „in
Ungarn seßhaft gewordener Architekt deut-
scher Herkunft (!)" bezeichnet. Hiezu ist,
um den geschichtlichen Tatsachen gerecht
zu werden, nur zu sagen, daß Hefele
während seiner ganzen Tätigkeit in Ungarn
Bürger der Stadt Wien war und daß er in
der Reichshauptstadt seincn ständigen
Wohnsitz hatte. (In Steinamanger benützte
er nur ein Absteigquartier im Bischofs-
palast.) Weiters kommt der Name Hefele
im „Kommerzialschema der k. k. Residenz-
stadt Wien" in der Rubrik der Architekten
auch während seiner Tätigkeit in Steinam-
anger vor, zwischen 1790-1792 be-
kommt er wichtige Aufträge von der
Stadt Wien usw. In dieser Frage kann es
also überhaupt keine Unklarheit geben.
Nach der Zusammenfassung von Hefeles Le-
benswerk sollte aus Gründen der Pietät
abschließend noch die Frage nach dem
Aussehen des längst verstorbenen Meisters
erwähnt werden.
Es ist uns leider kein Hefele-Porträt be-
kannt, die einzige ihn darstellende Abbil-
dung wurde knapp vor dem Tode des
Meisters 1793[94 von Dorfmeister ange-
fertigt. Das Ölgemälde hält eine Bauphase
der Domkirche fest, im Vordergrund ist
Bischof Szily mit einigen geistlichen Herren
zu sehen. Im Hintergrund, am Gerüst der
Giebelseite, steht Hefele, ein vornehm ge-
kleideter, hochgewachsener, älterer Herr,
17 Mrlchior Hcfele.
Fedcrskizze eines
WcslungariSChCl!
Bauemhauscs
die Gesichtszüge konnten wegen der Klein-
heit seiner Person nicht ausgearbeitet wer-
den. Hefele und Dorfmeister verband eine
langjährige künstlerische Freundschaft. Das
Bild befindet sich im Kunstmuseum von
Budapest (Dr. Getin).
Hefele war eine bedeutende künstlerische
Persönlichkeit des österreichischen Raumes.
Er gilt mit Recht neben Hohenberg als der
verdiente Baukünstler der frühklassizisti-
sehen Kunstepoche Österreichs. Daß er
den Großteil seiner XVerke im damaligen
Ungarn schuf, ist ein Umstand, der gewiß
sehr für die einstige starke künstlerische
Verbundenheit beidet Länder spricht. He-
fclc verhalf dem Österreichischen Klassizis-
mus zu den vielleicht schönsten Werken in
Ungarn, sein Lebensweg ist ein eindruck-
volles Beispiel für die Epochenentwicklung
in der Kunstgeschichte. Aber auch ein
tretfliehes Beispiel der österreichischen
Leistung im Donauraum des 18. Jahr-
hunderts.
Sein 250. Geburtstag sollte ein Anlaß zur
Erinnerung an sein Lebenswerk sein.
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