WALTHER BUCHOWIECKI
Zur Meixterfrage der Gongaga-Caxxoni in Klagenfurt
Das Landesmuseum zu Klagenfurt verwahrt zwei längsrechteckige, farbig belebte
Stuckreliefs von zwei Cassoni, welche den Brautschatz der mit Leonhard von
Görz vermählten Paola Gonzaga bargen. Bekanntlich linden sich zwei weitere
zur Ausstattung der mantuanischen Marchesa gehörige Truhen als Reliquien-
schreine im Dome zu Graz. Die Klagenfurter Reliefs wurden zuletzt in einer
die bisherigen Forschungsergebnisse resumierenden Arbeit von R.Milesi be-
handeltl), doch ist für eine eingehendere Beschäftigung mit diesen Werken noch
immer der Aufsatz von R. Eisler grundlegend, durch welchen die Wissenschaft
überhaupt erst Kenntnis von der Existenz dieser Reliefs erlangt hat 1). Eisler grilf
in seiner Abhandlung die stilistische Zuweisung in die Nähe Mantegnas auf,
die mit bewunderungswürdiger Treffsicherheit schon der durch August v.]aksch-
Wartenhorst und Franz Hann bearbeitete Museumsführer von 1877 ausgesprochen
hatte. Die Richtigkeit dieser Stilbestimmung setzt um so mehr in Erstaunen,
weil erst Eisler die Reliefs mit einem in der Stiftskirche zu Millstatt stehenden,
jedoch seines Schmucks beraubten Cassone und diesen mit der Hinterlassenschaft
der mantuanischen Markgräfin in Zusammenhang zu bringen vermochte, wodurch
selbstverständlich die Stilbeziehung zu Mantegna erst ihre ausreichende Stützung
erfuhrö). Ein weiteres Verdienst der Arbeit Eislers ist die mit vorzüglicher Sach-
kenntnis geführte, alle Möglichkeiten ausschöpfende Deduktion des richtigen
Darstellungsgehalts der Reliefs: die Legende vom gerechten Urteil des Kaisers
Traian nach Dantes Purgatorio X, 73A904). Freilich blieb Eislers feinem Urteil
nicht verborgen, daß es sich angesichts der Qualität der Cassonireliefs schwerlich
um eigenhändige Arbeiten Mantegnas handeln könne; nur der grundlegende
Entwurf wird aus Mantegnas Hand kommend gedacht, die Ausführung jedoch
dem Luca Fancelli, einem Bildhauer am Hofe zu Mantua, zugeschrieben 5). Milesi
erwähnt zusammenfassend, wie sich das weitere Schrifttum über die Truhenreliefs
geäußert hatß), und da er Fioccos Meinung, daß in den Reliefs eigenhändige
Arbeiten Mantegnas zu sehen wären7), nicht beipflichtet, schlägt er den am
Gonzagahofe tätigen Medailleur Bartolomeo Melioli als ausführenden Meister
vor ß), den schon Eisler, allerdings unter dem unrichtigen Namen Miglioli, als
möglicherweise an den Truhen beteiligt in Erwägung gezogen, doch zugunsten
Fancellis zurückgestellt hatte 9).
Die Literaturübersicht Milesis wäre noch mit Folgendem zu ergänzen: Kristellerlß)
erwähnt die Truhen selbstverständlich noch nicht; sein Werk liegt ja noch vor
der entscheidenden Abhandlung Eislers. Knapp führt die Reliefs „auf Werke oder
Zeichnungen Mantegnas" zurück und bringt drei Abbildungen der Reliefsll).
E. Tietze-Conrat bezieht in ihrem Catalogue unter Miscellaneous Objects eine
ähnliche Stellung: die Vorzeichnungen mögen auf Mantegna zurückgehen, die
Ausführung würde aber in einer anderen Hand gelegen seinll). Die neueste
Mantegna-Monographie von Renata Cipriani erwähnt, wohl weil sie nur die
Gemälde des Meisters behandeln soll, die Reliefs nichtll); auch zur Mantegna-
Oeuvreausstellung, Mantua 1961, wurden sie nicht entsandt.
Wenn hier der Versuch unternommen werden soll, durch Vorlage eines auf uns
gekommenen Schriftstücks die Frage nach dem ausführenden Künstler der
Cassoni neuerdings aufzurollen, ist es vorerst nötig, die reliefierten Truhen aus
Marchesa Paolas Brautschatz möglichst genau zeitlich festzulegen. Leider kann
hierfür nur mit einem Terminus ante, nämlich mit dem Datum von Paolas Ehe-
schließung gerechnet, werden. Eine Per-procura-Trauung fand am 16. Juli 1476
im Dom zu Mantua statt; die eigentliche Hochzeit wurde erst am 15. November
1478 in der Pfarrkirche zu Bozen nachgetragen 14). Zu dieser Zeit müssen demnach
die Cassoni bereits fertiggestellt gewesen sein. Es erhebt sich nun die Frage, 0b
die Truhen als „Hochzeitstruhen" im wörtlichen Sinne aufgefaßt werden müssen,
das heißt, ob sie für die Aussteuer der Marchesa hergestellt wurden. Der Cassone
in der Geumannkapelle der Stiftskirche zu Millstatt, von dessen StirnHäche eines
der beiden Klagenfurter Reliefs seinerzeit abgelöst wurde, trägt auf einer Seiten-
wand das Wappen der Gonzaga. Wenn es wahr sein sollte, daß die andere SchmaL
seite nach Beobachtungen Alfred von Siegenfelds „noch Reste des Wappens der
Grafen von Görz" getragen haben solllß), dann wären die Cassoni für die Ver-
mählung der Markgraf-in angefertigt oder mindestens durch Auswechslung
eines früher vielleicht vorhandenen Gonzaga-Xlilappens auf der anderen Schmalseite
zugunsten des görzischen Wappens als eine ausgesprochene „Hochzeitstruhe"
adaptiert worden. Dieser Annahme widerspricht jedoch die Darstellung Eislers,
der anläßlich seiner sorgfältigen Untersuchung des Millstätter (Iassone das zweite
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