waren, wobei insgesamt 41 österreichi-
sche und 29 ausländische Künstler zum
Zuge kamen und zum Teil dem Wiener
Publikum zum ersten Male vorgestellt
werden konnten. Dichterlesungen. Vor-
träge und musikalische Veranstaltungen
rundeten das Bild dieser beachtlichen
Aktivität. Wie war nun der praktische
Erfolg? Die Bilanz der Galerie belehrt
uns. daß S 46 331.7 für die Adaptierung
der Räume aufgewendet werden muß-
ten; das Bundesministerium für Uner-
richt gewährte am 22.Juni 1960 eine
Subvention in der Höhe von S 15 000.7.
die Magistratsabteilung 7 7 Kulturamt
der Stadt Wien 7 und das Institut zur
Förderung der Künste lehnten ent-
sprechende Ansuchen ab. An Ver-
kaufsprovisionen nahm die Galerie
S 43 428.7 ein. In dieser Summe sind
Ankäufe des BMfU in der Höhe von
S 22 642.-, der MA 7 7 Kulturamt 7
für S 61O9.7 sowie anderer Museen
und Privater im Gesamtausrnaß von
S 14 677.- enthalten. Da die Auslagen
der Galerie bis Ende November 1961
S 69 932.7 betrugen, ergibt sich ein
Passivsaldo von S 26 504.7. also eine
unzumutbar hohe Belastung. Weitere
Bitten um Subventionen an das Kultur-
amt, den Theodor-Körner-Stiftungsfond,
das Institut zur Förderung der Künste
und den Wiener Kunstfond. die im März
und April 1961 ergangen waren, blie-
ben unberücksichtigt. 7
In dieser verzweifelten Situation griff
die Wiener Presse ein; Jorg Lampe
meldete sich unter dem Titel .,Privi-
7 Kulturamt 7 forderte die Galerie
auf, einen neuen Antrag vorzulegen.
Im Augenblick scheint der Fortbestand
der Galerie gewährleistet zu sein und
das Jahresprogramm 1962 beweist, daß
Christa Hauer nicht daran denkt. die
Flinte ins Korn zu werfen. Alles in allem
bedeutet das Ganze aber doch nur, daß
dem Fortwursteln am Rande des wirt-
schaftlichen Abgrvndes durchaus kein
Ende gesetzt ist.
Die „Griechenbeisl-Story" wirkt um so
bestürzender, wenn man aus dem Munde
des französischen lnformationsministers
und Dichters Andre Malraux erfahren
muß, daß es in Paris Ende 1961 an die
400 (vierhundert!) Galerien, aber nur
350 Kinos gab. Bedeutet das eine Art
von künstlerischem Todesurteil für
Wien, soll damit gesagt sein. daß sich
in dieser Eindreiviertelmillionenstadt
nicht genügend Kundschaft für sage und
schreibe sechs kleine Galerien findet?
Ja und nein.
Die Auktionen der Kunstabteilung des
Dorotheums beweisen, daß jährlich in
Wien Werke zeitgenössischer Kunst für
etwa zwei Millionen Schilling umgesetzt
werden können: eine auf Gegenwarts-
kunst spezialisierte Galerie wie die von
Willy Verkauf steht finanziell durchaus
auf gesunden Beinen da und ein Kunst-
händler des Raumes Spiegelgasse-Doro-
theergasse ist dazu übergegangen,
neben Werken alter Kunst auch Arbei-
ten moderner Meister anzubieten. Wo
liegt der Fehler? Doch nur in der Tat-
sache, daB praktisch nur die ,.Kunst von
wo auf der Welt auch nur einen lucker-
ten Heller, wenn er nicht genau weiß,
daß das investierte Kapital ein Jahr
später einen beachtlichen Wertzuwachs
erfahren hat. Und „wert" sind eben nur
die Dinge etwas, die aus Paris kommen;
das war irt gewissem Sinn schon im
1B. Jahrhundert nicht anders, wenn wir
etwa an das Kunstgewerbe 7 Mobiliar,
Bronzen. Tapisserien 7 denken. Ge-
lingt es daher nichtfranzösischen - also
auch österreichischen 7 Künstlern
(etwa Hundertwasser oder Leherb) in
Paris Fuß zu fassen, sind sie zwangs-
läufig auch bei uns gemachte Männer
(bei der Bildhauerei liegt die Sache
etwas anders 7 siehe das "Wunder
Hoflehner").
Ferner darf nicht vergessen werden,
daß der Käufer von heute in erster Linie
der typische Konsument ist. was in
Hinblick auf die bildende Kunst be-
deutet, daß er sich diese „Ware" genau
so im Geschäft, im Straßenladen aus-
suchen Wlll wie jede andere auch. Die
Verkäufer von Möbelbildern wissen
schon, weshalb sie sich in Eissalons
einmieten: Der Bilderkäufer von heute
hat die gewisse Klinkenangst vor .,ge-
hobenen" Institutionen immer noch
nicht überwunden.
Ein Letztes: Wie wir alle wissen. kommt
moderne Kunst in Espressos und ähn-
Iichen Lokalen sehr gut an, wahrschein-
lich weil jenen Etablissements die
"Weihe" fehlt, die man an Galerien
und Museen achtet und fürchtet.
Ferner sind an solchen Stellen auch die
legierte Galerien" am 18. Dezember
1961 in der Tageszeitung ..Die Presse"
zu Worte. das Blatt ,.Wochenpresse"
brachte am Z3. Dezember einen an-
klcigenden Artikel "Auf falschem Bo-
den" und Alfred Schmeller ließ am
28. Dezember seiner scharfen Feder im
"Kurier" unter dem Motto ..Kultur:
So sieht die Wirklichkeit aus" freien
Lauf. Entsprechende Berichte in der
"Österreichischen Neuen Tageszeitung"
(8. Dezember). der "Wiener Zeitung"
(13. Dezember) und dem „Kleinen
Volksblatt" (21. Dezember) waren von
gleicher Wichtigkeit.
Die positive Reaktion ließ nicht lange
aufsich warten; schon am 18. Dezember
erkannte das Institut zur Förderung der
Künste einen einmaligen Förderungs-
beitrag zu. der im Feber 1962 über-
wiesen werden sall. und auch die MA 7
50
heute" abzusetzen ist. deren Provenienz
aus Paris belegt erscheint. Die 400 Paris
ser Galerien setzen ihre Ware ja keines-
falls in Paris selbst ab. sie verkaufen
entweder direkt ins Ausland oder aber
an Ausländer. die vorübergehend in
Paris weilen. Vam einheimischen Pariser
Publikum könnte wohl kaum ein Zehntel
all dieser Galerien leben. Wenn wir
daran denken. wie buchstäblich ent-
setzlich wenig Galerien a la Griechen-
beisl es etwa in London gibt oder wie
relativ gering die Zahl solcher Institu-
tionen in Rom. Stockholm und sogar in
München oder Frankfurt ist. so erweist
sich damit auch von dieser Seite her die .
Richtigkeit unserer Hypothese vom
Pariser Primat: In Wien ist es nicht
anders als anderswo. nur schlimmer.
Der Käufer van heute ist kein Pionier-
Sammler mehr. er riskiert kaum irgend-
radikalsten Schöpfungen ihrer Spitze
beraubt, weil sie in ..angewandtem"
Zusammenhang stehen. Würde man
etwa in der Auslage eines Kaufhauses
ein Gemälde von Hollegha in gut ar-
rangierter Verbindung mit passend
bedruckten Stoffen. netten ..Frivolites"
oder amüsanten Schmonzetten schau-
stellen. würden die Leute zwar sagen:
"Verrückt" - aber nur in gleichem
Sinn wie von einem neuen Hut oder
einer anderen Modetarheit.
Ob die "Galerie im Griechenbeisl"
aus diesen oder ähnlichen Erkenntnissen
praktische Schlüsse ziehen kann. muß
ihr überlassen bleiben. Was wir von
"Alte und moderne Kunst" tun können.
um ihr nicht nur zum Uberleben. son-
dern zu echtem Leben zu verhelfen.
soll nicht ungetan bleiben.
Dr. Ernst Köller