GUSTAV STRATIL-SAUER Die kulturellen Beziehungen {wischen Österreich und Iran
Frcihtrr von Hammer!
ll (1774 - 1856). Nach ciner
Jng von jos. Dnnhaunxer,
en von Fr. Stöbcr
Zum Thema der kulturellen Be-
ziehungen zwischen Österreich und
Iran darf man programmatisch ohne
Überheblichkeit, aber mit Befriedi-
gung die These aufstellen: Setzen wir
die Bevölkerungszahl der einzelnen
europäischen Staaten in Beziehung
zur Vielzahl, Weite und Tiefe der
kulturellen Verbindungen mit Iran,
so steht Österreich mit Vorsprung
unter jenen Ländern, die den höch-
sten Wertigkcitsindex aufweisen,
wenn es nicht überhaupt den ersten
Rang innehat. Diese Tatsache ist
schon darum bemerkenswert, weil
unsere Heimat selbst in den Jahr-
hunderten, in denen sie den Groß-
mächten zugerechnet wurde, keine
imperialen Überseeinteressen auf-
wies, so dall die das Staatswappen
Persiens zierende Sonne stets jen-
seits des machtpolitischen Horizontes
unserer Außenpolitik stand. Zudem
wurden die reichen kulturellen Be-
ziehungen lange Zeit gar nicht oder
zumindest nur am Rande offiziell
gefördert. Während gegenwärtig vor
allem die kostspielige Teamarbeit die
Stunde beherrscht, verlangte die
Pionierarbeit von früher harte Per-
sönlichkeiten, die es verstanden,
Schwierigkeiten zu meistern. ja,
gerade weil sich diese Menschen
ohne Förderung durchzusetzen hat-
ten, wurden sie zu Persönlichkeiten
erzogen. Daß sie so ganz auf sieh
selbst angewiesen blieben, hat viel-
leicht erst den Erfolg ihrer Pionier-
arbeit gesichert.
Die ersten Beziehungen zwischen
beiden Ländern entwickelten sich
freilich auf politischer Ebene, da
man im 16. und 17. jahrhundert
hier wie dort den gemeinsamen
mächtigen Feind im Osmanischen
Reich sah. Schah Abbas, einer der
wirklich Grollen der Weltgeschichte,
schickte um 1600 zu Rudolf lI.
Gesandtschuften, die von dem Habs-
hurger auch erwidert vrurdcn. Dieser
Kontakt, dem übrigens bereits ein
anderer unter Karl V, vorangegangctl
war, blieb politisch im Grunde
erfolglos.
lis war 1833 dem Friauler (also
dem damaligen Österreicher) Colom-
bini vorbehalten, Österreich erneut
für Persien zum BcgrilT zu machen.
Als nämlich die englischen Berater
des Schahs aus Protest gegen die
persischen Eroberungsabsichten ge-
genüber llerat Teheran verließen,
sprang Colombini in die Bresche
und erwies sich als ein so geschickter
Lehrmeister, daß bald auch weitere
Österreicher, nämlich die Forscher
W. Helfer und Th. Kotschy, will-
kommen waren. Durch letzteren,
der in Wien als Kustos am Natur-
historischen Museum tätig gewesen
war, wurde eine glanzvolle Reihe
wissenschaftlicher Studienreisen er-
olTnet. Ihm gelang 1843 im Elbrus-
gebirge, das großenteils erst durch
ihn der Wissenschaft erschlossen
wurde, die erste Meisterung des
höchsten Berges Irans, des sagen-
umwobencn Demawend.
1851 verpflichtete eine persische
Mission in Wien sechs Lehrer an
die Militärakademie nach Teheran,
darunter auch Major Krziz, der seine
Zöglinge in einem „Artillerie-
unterricht" in persischer Sprache
mit den Geheimnissen des direkten
und indirekten Schießens vertraut
zu machen suchte, obendrein aber
auch mit ihnen den ersten Stadtplan
von Teheran und die erste Um-
gebungskartc der Hauptstadt auf-
nahm. Die rührigste Persönlichkeit
dieser Gruppe, Dr. Polak, wurde
Leibarzt des Schahs und bildete
zahlreiche Perser in seiner Medizin-
schulc aus. Ein zweibändiges Werk
über Persien, das er schrieb, gehört
zu den Standardwerken über dieses
Land. Polak brachte in sein neues
Wirkungsgebiet auch Dr. Tietze,
den späteren Leiter unserer Geo-
logischen Rciehsanstalt, der wert-
volle Beiträge zur geologischen Er-
forschung des Landes lieferte und
erstmalig über dessen nutzbare Lager-
stätten berichtete. Reiche Pionier-
arbeit lcistete ferner der im Bau von
Wegen und Tclegraphenlinien ein-
gesetzte Tirolcr A. Gasteiger.
Sehr günstig wirkte sich auf eine
enge kulturelle Verbindung beider
Länder aus, daß Kaiser Franz Joseph I.
seinen Gast Schah Nasreddin mit
zuvorkommender Höflichkeit be-
handelte. Seit seiner Europareise
berief der Schah deshalb besonders
gern Österreicher zum Modernisieren
seines Landes. Je nach der Überwind-
barkeit der gegebenen Schwierig-
keiten waren seither mit mehr oder
mindcrem Erfolg Österreicher als
militärische Ausbilder, als Reformer
der inneren Verwaltung, bei der
Post, im Münzumt, als Botaniker
und als Geologen tätig. lm Osten
des Reiches hatte der Geologische
Dienst Indiens die Karticrung über-
nommen, doch wurde auch diese
Arbeit von einem Österreicher, C. L.
Griesebach, durchgeführt. Der öster-
reichische Vizekonsul C. vnn Call-
Roscnburg, Porschungsreisender aus
Leidenschaft, bestieg gleichfalls den
Demawend, machte sich aber vor
allem einen Namen durch seine
gute Darstellung Mascndcrans, des
Gartens von lran an der Kaspiküste.
Während E. Diez den Nordosten
des Landes kunsthistorisch studierte,
machte B. Lehmann-Haupt im Nord-
westen wertvolle Entdeckungen zur
alten Geschichte.
Besonders reiche lirgebni zeitigt:
die Periode zwischen den beldenWclt-
kriegen. An erster Stelle ist hier das
Ehepaar Gabriel zu nennen, das, mit
bescheidenen Mitteln ausgerüstet, drei
große Forschungsreisen durch Ost-
persien (1928, 1933 und 1937) unter-
nahm. Dabei wurden bisher völlig
unbekannte Gebiete durchzogen, im
nie betretenen inneren der Wüste Lut
weite Dünengürtcl und von den
Stürmen geformte „Boulevards",
nämlich gleich breiten Straßen aus-
geblasene Hohlräume zwischen den
Ablagerungen des Seelößes, ent-
deckt und im Süden Irans Reste
versunkener Kulturen und Rassen
festgestellt. Später hat A. Gabriel
umsichtig in seinem Buch über „die
Erforschung Persiens" eine gründ-
liche Darstellung vom Wachsen
unseres Wissens über Iran gegeben.
Auch das Ehepaar Stratil-Sauer be-
reiste speziell Ostpersien und die
Wüste I.ut und hat in zahlreichen
Veröffentlichungen darüber manche
geographische Fragen geklärt. H.
Bobek, wiederholt und 1958]?) sogar
als Austauschprofcssor in Iran tätig,
konnte Forschungsergebnisse vor-
legen, die sich speziell dem Norden
des Landes wie auch allgemein-
geographischen Problemen widmen.
Auf Grund eingehender Studien
arbeitet K. H. Rechinger an einem
umfassenden Werk über die Flora
und H. Löffler an einer entsprechen-
den Limnologie lrans.
Da alle die genannten Forscher in
unserer Bundeshauptstadt ansässig
sind, hat man Wien bereits als das
Mekka der Iranforschung bezeichnet.
Zudem dürfte Wien aber auch als
die Quelle der Iranistik angesprochen
werden dank der einmaligen Er-
scheinung Hammer-Purgstalls. Die-
sem 1774 geborenen Orientalisten
und späteren Präsidenten der von
ihm gegründeten Wiener Akademie
der Wissenschaften danken wir es,
daß der Zauber der persischen Dich-
tung nicht nur uns erschlossen wurde,
sondern sogar die deutsche Literatur
stark becinflußte. Goethe wurde
durch die Lyrik von Hans, die
Hammer-Purgstall ins Deutsche
übertragen hatte, zu seinem West-
üstlichen Diwan angeregt, und
Rückert, Platen und Schack,
Schlechta-Wssehrd und Rosen-
zweig-Schwanau hoben weitere
kostbare Schätze aus der persischen
Literatur. Bis in unsere Zeit strahlt
das uns durch Hammer-Purgstall
erschlossene poetische Leuchten, sei
es in den Worten von Rilke oder
'l'rakl, sei es in Vertonungen von
Schubert, Schumann, Brahms und
Wolf.
Die hohe 'I'rarlition der Iranistik
wird heute von H. W. Duda weiter-
getragen, der auf diesem Gebiet ein
Buch über das Motiv von Ferhad
und Schirin, das große Werk der
persischen romantischen Liebesepik,
geschrieben, den persischen Histo-
riker Ibn Bibi der wissenschaftlichen
Welt zugänglich gemacht und das in
Persien so beliebte satirische Epos
Obeid Zakanis „Katze und Maus"
einer breiteren Öffentlichkeit vor-
gelegt hat. Neben Abhandlungen
über persistische Probleme sorgt
er auch dafür, daß an der Wiener
Universität die neuesten Literatur-
und Sprachentwicklungen in die
persischen Studien einbezogen wer-
den, während die altpersische Ge-
schichte durch F. W. König ver-
treten ist.
Die Kette der Wechselbeziehungen
schließt sich durch eine österreichi-
sche Gewerbeschule und ein Kultur-
institut in Teheran. So ist von un-
serem kleincn Land aus viel ge-
schehcn, um eine innige Verbindung
mit dem künstlerisch außerordent-
lich begabten Volke Irans zu ge-
winnen und zu erhalten.
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