1 Landschnll bei Caux lnil auf-
steigenden Wolken. m1. Kumx-
haus 21mm
2 Der Student(Selbstbildnis),1874.
Kunsthaus Zürich
HANS BISANZ
Ferdinand Hvdler"
7853-7978
Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler wurde im gleichen ]ahr und Monat wie Van Gogh, am 14. März 1853, in einem Elends-
viertel Berns als Sohn eines Tischlermeisters geboren. Er wuchs in trostlosen materiellen Verhältnissen auf und verlor seinen
Vater bereits mit 5 Jahren, seine Mutter, die inzwischen zum zweitenmal heiratete und nach Thun übersiedelte, mit 14 Jahren.
Viele seiner Geschwister und llalbgeschwister starben bereits im Kindesalter. Nach dem Tode des Stiefvarers nahm ein Bruder
der Mutter die Kinder bei sich aufl).
Im Alter von 14 Jahren wurde l-lodler zu dem Maler Ferdinand Sommer in die Lehre gegeben, bei dem er auf schnellstem Wege die
Anfertigung von Veduten erlernen mußte, die von Touristen in großen Mengen gekauft wurden. Dieser Hiichtige Unterricht machte
es Hodler möglich, auch nach dem Verlassen dieser Werkstatt und nach seiner Übersiedlung nach Genf im ]ahre 1871 seinen Lebens-
unterhalt in bescheidenen Ausmaßen selbst zu verdienen. [n Genf machte er die Bekanntschaft des lngresxSchülers Barthelemy Menn.
Dieser leitete hier eine Zeichenschule und forderte von seinen Schülern, seiner eigenen Ausbildung entsprechend, größte Sorgfalt im
Aufbau der Komposition, der Entwicklung der Umrißzeichnung und der Wiedergabe plastischer XVerte. Diese Aufgaben, um Weitere
vermehrt, stellte Hodler im ganzen Verlauf seines späteren Schaffens auch sich selbst, so daß dem Unterricht bei Menn bezüglich der
Wahl der Gestaltungsmittel große Bedeutung zukommt.
Die ersten selbständigen Arbeiten, mit denen Hodler hervortritt (Abb. 2), zeichnen sich zumeist durch dunkle Farbtöne aus und erinnern
dadurch an die Frühwerke von Cezanne und Van (jogh. Eine Spanienreise im Jahre 1878, über deren nähere Umstände wenig bekannt
ist, führt zu einer relativen Aufhellung dieser vorwiegend aus Erdtönen zusammengesetzten Palette. Hodlers Werken aus der Zeit von
1872 bis 1890 ist, von Ausnahmen abgesehen, ein objektiver Naturalismus gemeinsam. Darüber hinaus lassen manche dieser Arbeiten,
wie etwa das Selbstbildnis „Der Student" (1874, Abb. 2), auch Versuche sichtbar werden, durch Anwendung einer strengen Axialität und
Betonung vertikaler und horizontaler Parallelen ordnend im Bildaufbau einzugreifen, worin man die Früchte der Ausbildung bei Menn
und, zurückblickend von den Spätwerkcn Hodlers, Vorstufen für seine weitere Entwicklung erkennen kann. Zu dem Titel dieses
Selbstbildnisses sei am Rande vermerkt, daß Hodler zeitlebens unter dem Mangel einer durchschnittlichen Schulbildung litt und als
Autodidakt die Versäumnisse seiner traurigen Kindheit nachzuholen versuchte. Eine Zcitlang trug er sich mit dem Gedanken, Geist-
licher zu werden, ein anderes Mal schwebte ihm der Beruf eines Privatgelehrten als ldeal vor.
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