S Alexander Silveri. Krippe 1944 Wachs. H. 1.04 m. Original: Otto Miillcr Verlag. Salzburg
6 Alexander Silveri. Tor des Todes. Detail aus dem Tor der Kirche zur Heiligen Familie
in Gra:-Andrilz1960. Eisengiifl, 1.10X2,3O in (ganzer Torflugel ein (siillstiick)
5 terialien, die sowohl ihrer Substanz als
auch in ihrer Bearbeitung 7 gingen
sie doch durch den Feuerofen e für
diese Aufgabe weit mehr prädestiniert
sind als der der Erde und der
Schwere verbundene Stein.
1957 wurde in der Grazer Franziskaner-
kirche ein 2,20 Meter hoher, in Eisen
gegossener Kruzifixus aufgestellt. in
ihm sehen wir einen besonderen Höhe-
punkt der geschilderten Entwicklung:
Christus der junge Gott. der schöne
Gott, der Gott des Lichtes, Apollo. Auf
dem Schnittpunkt der zwei Kreuzes-
balken, des Gewesenen und des Kom-
menden. das ewig Seiende!
Eine andere Erkenntnis hat in Silveris
Frauengestalten Ausdruck gefunden. Ist
der Mann das Opfer. so ist die Frau die
Opfernde.
immer wieder wird sie aufgerufen, alles
hinzugeben und immer wieder ist sie
dazu bereit. Selbst dort noch. wo sie
schirmend zu bewahren sucht, ist es
eine Hingabe. Hier, im Bereich des
Weiblichen, ist der Künstler noch am
weitesten den Formen seiner früheren
Schaffensperioden treu geblieben. 0b-
wohl sie viel stärker und ausdrucks-
kräftiger geworden sind.
Meist zeigen diese Gestalten. zum Unter-
schied von den nach oben geöffneten
männlichen Bildnissen, eine dahin ge-
schlossene Form. Oft leicht gebeugt, als
schlossen sie sich um einen festen Kern.
sind sie in ihren Bewegungen verhalten.
fast scheu. Nur eine Neigung des Kär-
pers. ein leichtes Anheben der Hände
künden von ihrer Bereitschaft.
Für diesen Themenkreis Gnden wir.
neben dem glatten Metall. das in der
Oberfläche dem zarten Schimmer
weiblichen Wesens nahekommt. Holz
und Wachs als Material der meisten
Werke.
Sehr selten finden wir die Frau allein,
meist mit dem Kind. oft auch mit dem
Mann und dem Kind. Eine dieser
Gruppen. ein Eisengufl. zeigt uns die
in ein langes, vom Kopf bis zum Boden
fallendes Kleid gehüllte Gestalt der
Frau, aufrecht, leicht zurückgeneigt,
wie sie dem Manne. der ihr gegenüber-
steht. das Kind. über das er seinen
Kopf neigt, darbringt. Die Beine des
Mannes sind leicht gegrätscht. Die Fi-
guren sind ein Linien- und Kräfte-
diagramm. In den begegnenden Händen
vereinigen sie sich. Bei den Füllen und,
durch die Kopfneigung des Mannes
bedingt, bei den Stirnen. nähern sie
sich. Während des Mannes Schwer-
gewicht in der oberen Körperhälfte zu
finden ist. wirkt der unten in ein
langes, in parallele Falten fallendes
Tuch gehüllte Frauenkörper wie ein
Turm, der mit seinem Unterbau fest
6 auf der Erde steht.
Eine Synthese dieser beiden von dem
Künstler immer wieder in neuen Varia-
tionen, Versuchen und ringenden Be-
mühungen geformten Grundfiguren. des
Opfers und der Opfernden. wird in
der großen Altargruppe von Deutsch-
Wugram angestrebt. Christus das Opfer,
und Maria die Opfernde.
Bei dem Fleiß des Schaffenden ist es
selbstverständlich, dafi der nun fünfzig-
iährige Meister viele Aufgaben löste.
Eine lange Liste seiner Werke könnte
man anführen, den Racheengel aus
dem Jahre 1947, der 1955 anlüfllich
der Biennale in Sao Paulo ausgestellt
war, Isuias, Apostel und eine
Grabplatte, die in den Jahren 1945,65
entstanden sind, der Prophet aus dem
Jahre 1959. seien. um nur einige Titel
zu nennen. hervorgehoben. Wer Sil-
veris frühe mit den letzten Arbeiten
vergleicht. wird den Weg ermessen
können, den hier ein zäh ringender,
immer vom Geiste erfüllter Mann. zu
seinem eigenen. ausgeprägten Stil ge-
gangen ist. Es ist ein den einfachen
Linien des Leibes nachgehender Stil.
der alles nicht zum Thema Gehörende
als überflüssig ausschaltet, abstrahiert,
aber im Menschenbild doch nie das
Menschenbild verleugnet.
Das kann sehr weit. bis zu den knorri-
gen, wurzelähnlichen Gestalten führen.
wie sie der Entwurf für den Altar von
Wenigzell zeigt oder zu den Relief-
platten auf der Kirclientür zu Andritz.
die zu den schönsten van ganz Öster-
reich zu zählen sind und die der Künst-
ler 1960 geschaffen hat. Hier spüren
wir die Kraft ieder Linie und sagen uns:
der Schöpfer dieser Platten müßte auch
ein starkes graphisches Werk aufzu-
weisen haben. Eine Schwäche und ge-
wiß eine Versuchung des ewig regen
lntellektes ist vielleicht der Hang zum
Literarischen. Wo SlCh der Künstler
davon frei macht. wie in seinen besten
Werken. in vielen Christusplastiken
oder etwa in dem prachtvollen Mann
mit Sonnen. einer 1958 gegossenen
Figur, gewinnt er iene Größe. die ihn
gerechterweise schon weit über die
Grenzen seiner Heimat bekannt ge-
macht hat.
Für die Stadt Graz hat Silveri 1961
die Gestaltung eines Mahnmales durch-
geführt. Die eindrucksvollen Reliefs
haben zusammen ein Ausmaß von
2,80x12,50 Meter. Nicht zu Unrecht
hatte man gerade diesen Künstler mit
der Arbeit betraut. Er ist ein Mahner.
unbequem wie ieder Mahner, aber
ehrlich.
Er stellt den Menschen vor uns und
allein sein Da-Sein und sein So-Sein
ist die Aussage. Ein Ebenbild Gottes.
Der Mensch als Koordinatenkreuz des
Endlichen und des Unendlichen,