') Siehe auch unseren Bericht über Hrdlicka
in der Kolonne "Reflexe"
DIE HERBSTAUSSTELLUNG
DER GALERIE WELZ
Die Galerie Welz hat aus ihren reichen
Beständen eine Herbstausstellung zu-
sammengestellt, die zirka 85 Exponate
umfaßte - Gemälde. Aquarelle. Zeich-
nungen. Druckgraphiken und Skulp-
turen moderner Kunst. Im wesentlichen
wurden deutsche und österreichische
Künstler gezeigt; ergänzt war die Aus-
stellung durch einige Originoldruck-
graphiken der Franzosen Toulouse,
Utrillo. Matisse. Braque. Picasso und
anderer.
Unter den gezeigten Objekten befanden
sich einige Kostbarkeiten. wie etwa der
"Reiter am Strand" von Max Lieber-
mann, ein besonders interessantes
frühes Ölgemälde Jawlenskys. ein
Mädchenporträt darstellend. oder eine
Kohlezeichnung von Lyonel Fein i nger.
Auch der deutsche Maler Georges
Grosz war mit einem bedeutenden
Aquarell und einigen Lithos aus seiner
1921 erschienenen Mappe ,.Die Räuber"
gut vertreten.
In ihrem Bemühen. auch die junge
Künstlergeneration Österreichs zu för-
dern. zeigte die Galerie Welz erstmals
die Werke zweier wirklich großer
Begabungen der österreichischen Ge-
genwartskunst.
Es ist dies der heute 37jährige Salzburger
Maler und Graphiker Rudolf Hradil.
der in der Ausstellung mit drei Öl-
gemälden, zwei Zeichnungen und vier
Radierungen vertreten war. Hradil hat
an der Wiener Akademie bei Professor
Andersen und bei dem Kärntner Maler
Anton Kolig gelernt und in Paris bei
Fernand Leger studiert. Während seines
Aufenthaltes in Paris begann ihn das
Motiv der großen Stadt thematisch zu
beschäftigen; aber er sieht dabei nicht
nur die Schönheit und Poesie, sondern
auch die technische Wirklichkeit der
heutigen Zeit.
Auch der 197.8 in Wien geborene Maler
und Bildhauer Alfred Hrdlicka stellte
in der Galerie Welz seine Werke. zwei
Plastiken und acht Radierungen. erst-
mals aus. 1951 entstand seine vielleicht
eindrucksvollste Radierung, die auch
zugleich sein großes Können in tech-
nischer Hinsicht offenbart, das "Kleine
Weltgericht". das zusammen mit sieben
anderen Blättern gezeigt wurde. Sie
alle bevorzugen Motive einer düsteren
Welt und schildern die Erdenwirklich-
keit realistisch ohne Beschönigung und
Verniedlichung").
Neben diesen beiden Künstlern zeigte
die Schau auch eine Auswahl aus dem
Schaffen der großen österreichischen
Meister: von Alfred Kubin köstliche
Proben seiner Illustrationen zu E. T. A.
Hoffmanns Hhlachtstücke". von Oskar
Kokoschka drei Werke. darunter
seine 1917 entstandene Studie zu Hiob.
und das gesamte druckgraphische Werk
Egon Schieles. acht seltene Blätter.
Von Wilhelm Thöny waren fünf Öl-
gemälde zu sehen. Beispiele seiner
südfranzösischen Landschaften. darunter
der .,Hafen von Marseille". sowie eine
Ansicht von Le Havre und einige aus-
gesuchte Werke seiner Zeichnungen.
Zu nennen sind auch noch einige mar-
kante Blätter aus der letzten Ausstellung
Gerhart Frankls. zwei ausgezeichnete
Proben von Anton Steinharts Rohr-
federkunst. aber auch Werke von Vilma
Eckl. Moldovan. Mahringer und
anderen.
RETTET VENEDIG!
Vorn 4. bis 7. Oktober veranstaltete die
Fondazione Cini auf der Isola di
S.Giorgio einen internationalen Kon-
gref}. der sich mit der Frage der städte-
baulichen Zukunft Venedigs und dem
Problem der Rettung der Stadt vornehm-
lich vor der rapide fortschreitenden
Entvölkerung befaßte. Fachgelehrte und
Architekten aus aller Welt. darunter
auch Richard Neutra. waren erschienen,
um in Stellungnahmen und Diskussions-
gespröchen ihre Anregungen bekannt-
zugeben. Das Problem "Venedig" ist
zunächst ein technisches: wie kann dern
allmählichen. aber bislang unaufhalt-
samen Absinken des Landspiegels Ein-
halt geboten werden? Ein erster Versuch
wurde Ende des 18. Jahrhunderts mit
der Errichtung der "Murazzi" unter-
nommen. jener wahrhaft zyklopischen
Schutzmauern, die den Lido di Pelle-
strina vor der nagenden Kraft des
Meeres schützen sollten. Heute werden
die Gesamtkosten für den technischen
Aufwand zur Erneuerung Venedigs mit
nicht weniger als 30OMilliarden Lire (l)
veranschlagt. . .
Ein zweites Problem ist das des Verkehrs;
die Zukunft Venedigs liegt im Augen-
blick auf dem Festland, denn dort, im
Raume MestreAMarghero-Fusine er-
hebt sich eine gigantische .,Zona
industriale". deren weiterem Wachstum
bis jetzt keine Grenzen gesetzt sind.
Da ein großer Teil der Bevölkerung
Venedigs in diesem Gebiet arbeitet und
die Zufahrtswege aus der Stadt um-
stündlich und zeitraubend sind, besteht
derTrend. sich in Nlestre niederzulassen;
tatsächlich ist dieser Festlands-Brücken-
kopf Venedigs einem fieberhaften
Wachstum unterworfen, das längst alle
Fesseln abgestreift hat und die vielleicht
scheußlichste Stadt Europas in ständiger
Multiplikation produziert. Es wäre also
wesentlich. der Bevölkerung Venedigs
schnelle und sichere Verkehrsverbin-
dungen zu ihren Arbeitsplätzen zu
schaffen. Die einzige Straßen-Eisenbahn-
Brücke von Mestre zum Piazzale Roma
(respektive dem Bahnhof Santa Lucia)
ist den Beanspruchungen rein kapazi-
tötsmäßig nicht mehr gewachsen. Eine
von der Gesellschaft ,.Venezio viva"
in der .,ScuoIa Grande di S. Teadoro"
veranstaltete Ausstellung führt den
Nachweis, daß gerade die Stadtviertel.
die am weitesten entfernt vom Piazzale
Roma liegen. dem Verfall, der Massen-
arbeitslosigkeit und dem sozialen Elend
am meisten preisgegeben sind. Die
Vereinigung schlägt daher die Anlage
einer Schnellverbindungsstraße über
die Inseln der nordöstlichen Lagune
(etwa Torcello-Burano) vor. die auf
der heute fast unbewohnten, der Iido-
seitigen Spitze Venedigs zugekehrten
Insel S. Andrea enden soll. Gegen diesen
Plan wenden sich all jene Kreise, denen
an der absoluten und bedingungslosen
Erhaltung der Lagune in ihrer ganzen
verträumten Schönheit und dem Reich-
tum ihres Wildbestandes gelegen ist.
Eine weitere Möglichkeit zur Wieder-
belebung Venedigs besteht in einem
Ausbau des Hafens, der derzeit nur für
relativ kleinere Schiffe benützbar ist.
Immerhin leben direkt oder indirekt
etwa 3070 der Bevölkerung Venedigs
vom Hafenverkehr. Zahlreiche Teil-
nehmer des Kongresses plädieren dafür.
Venedig zu einer Art Kulturhauptstadt
der Welt zu machen und die Tätigkeit
von einschlägigen Institutionen ent-
sprechend zu intensivieren.
Im großen und ganzen zeichnete sich
die Bildung von zwei Parteien ab: eine
will den musealen Charakter Venedigs
um jeden Preis gewahrt wissen und setzt
alles daran, Venedig aus jeglicher. das
Stadtbild geführdender Modernisierung
herauszuhalten; die andere Partei hat
das Schlagwort ,.Venezia viva" auf ihr
Banner geschrieben und geht vom
Standpunkt aus, daß eine Stadt auf die
Dauer nur als lebendiger. sinnvoll ins
Gesamtleben eingeschalteter Organis-
mus bestehen kann. Schließlich. so
argumentiert man, ist Venedig ja nicht
als Museum gebaut worden. .. Selbst-
verständlich weisen auch diese ,.Radi-
kalen" alle Pressemeldungen. die von
der Zuschüttung des Canale Grande
und der Umgestaltung des Markus-
platzes zu einem Parkplatz sprechen,
energisch zurück.
Der pessimistischste der Tagungsteilneh-
mer war Richard Neutra. der auf dem
Standpunkt stand. die Amerikanisierung
Venedigs habe bereits unaufhaltsame
Schritte gemacht und er wisse nicht.
was man für die Stadt noch tun könne.
Ein sowjetrussischer Stüdtebauer regte
so etwas wie einen ,.rnittleren Weg" an.
der die Konservierung aller wesent-
lichen Teile der Stadt und die Moderni-
sierung der übrigen vorsieht. Aber was
an Venedig wäre nicht wesentlich?
Unserer Ansicht nach liegt die große
Chance Venedigs in der Tatsache. daß
gerade die moderne technische Ent-
wicklung die Stadt überging und zu
einer reinen Wahn-Stadt gestempelt hat
und somit ganz automatisch einen
Traum vieler Urbanisten vorwegnahm,
deren Ideal ja die absolute Trennung
von Arbeits- und Wohnsiedlung ist. Auch
die Entvölkerung Venedigs (10000 Ab-
wanderungen innerhalb von 10 Jahren)
ist doch eher als Positivum zu werten,
erleichtert sie doch die unbedingt not-
wendigen Sanierungsmaßnahmen un-
gemein. Und daß Venedig längst zum
Museum wurde. ist ebenfalls eine Tat-
sache. mit der man sich einfach abfin-
den mullAberwersagt. dal} einMuseum
etwas Totes zu sein hat? Köller
Rudolf-von-Alt-Gedüchtnisausstellung im Künstlerhaus. Der 150. Geburtstag des großen österreichischen Aquarellisten
Rudolf von Alt wird im Wiener Künstlerhaus besonders gefeiert werden. Aus diesem Anlaß veranstaltet das Künstlerhaus
am 1Z.Mörz 1963 eine Gedüchlnisausstellung von Aquarellen und Zeichnungen des großen Malers. Diese Bilderschau
wird sich dadurch auszeichnen. daß eine große Anzahl van Bildern aus Privatbesitz. die weniger allgemein bekannt
sind, den vielen Freunden der Kunst des Altmeisters gezeigt werden. Um dieses Programm möglichst vollständig zu
gestalten, werden alle Besitzer von Alt-Aquarellen und Zeichnungen eingeladen, diese Werke für die Gedächtnis-
ausstellung als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Anmeldungen können telephonisch oder brieflich an das Sekretariat
des Künstlerhauses. Wien, l,. Karlsplatz 5. erfolgen. Das Künstlerhaus Budapest wird eine Kollektion von Aquarellen
für die Gedüchtnisausstellung nach Wien entsenden.
53