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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 64 und 65)

') Siehe auch unseren Bericht über Hrdlicka 
in der Kolonne "Reflexe" 
DIE HERBSTAUSSTELLUNG 
DER GALERIE WELZ 
Die Galerie Welz hat aus ihren reichen 
Beständen eine Herbstausstellung zu- 
sammengestellt, die zirka 85 Exponate 
umfaßte - Gemälde. Aquarelle. Zeich- 
nungen. Druckgraphiken und Skulp- 
turen moderner Kunst. Im wesentlichen 
wurden deutsche und österreichische 
Künstler gezeigt; ergänzt war die Aus- 
stellung durch einige Originoldruck- 
graphiken der Franzosen Toulouse, 
Utrillo. Matisse. Braque. Picasso und 
anderer. 
Unter den gezeigten Objekten befanden 
sich einige Kostbarkeiten. wie etwa der 
"Reiter am Strand" von Max Lieber- 
mann, ein besonders interessantes 
frühes Ölgemälde Jawlenskys. ein 
Mädchenporträt darstellend. oder eine 
Kohlezeichnung von Lyonel Fein i nger. 
Auch der deutsche Maler Georges 
Grosz war mit einem bedeutenden 
Aquarell und einigen Lithos aus seiner 
1921 erschienenen Mappe ,.Die Räuber" 
gut vertreten. 
In ihrem Bemühen. auch die junge 
Künstlergeneration Österreichs zu för- 
dern. zeigte die Galerie Welz erstmals 
die Werke zweier wirklich großer 
Begabungen der österreichischen Ge- 
genwartskunst. 
Es ist dies der heute 37jährige Salzburger 
Maler und Graphiker Rudolf Hradil. 
der in der Ausstellung mit drei Öl- 
gemälden, zwei Zeichnungen und vier 
Radierungen vertreten war. Hradil hat 
an der Wiener Akademie bei Professor 
Andersen und bei dem Kärntner Maler 
Anton Kolig gelernt und in Paris bei 
Fernand Leger studiert. Während seines 
Aufenthaltes in Paris begann ihn das 
Motiv der großen Stadt thematisch zu 
beschäftigen; aber er sieht dabei nicht 
nur die Schönheit und Poesie, sondern 
auch die technische Wirklichkeit der 
heutigen Zeit. 
Auch der 197.8 in Wien geborene Maler 
und Bildhauer Alfred Hrdlicka stellte 
in der Galerie Welz seine Werke. zwei 
Plastiken und acht Radierungen. erst- 
mals aus. 1951 entstand seine vielleicht 
eindrucksvollste Radierung, die auch 
zugleich sein großes Können in tech- 
nischer Hinsicht offenbart, das "Kleine 
Weltgericht". das zusammen mit sieben 
anderen Blättern gezeigt wurde. Sie 
alle bevorzugen Motive einer düsteren 
Welt und schildern die Erdenwirklich- 
keit realistisch ohne Beschönigung und 
Verniedlichung"). 
Neben diesen beiden Künstlern zeigte 
die Schau auch eine Auswahl aus dem 
Schaffen der großen österreichischen 
Meister: von Alfred Kubin köstliche 
Proben seiner Illustrationen zu E. T. A. 
Hoffmanns Hhlachtstücke". von Oskar 
Kokoschka drei Werke. darunter 
seine 1917 entstandene Studie zu Hiob. 
und das gesamte druckgraphische Werk 
Egon Schieles. acht seltene Blätter. 
Von Wilhelm Thöny waren fünf Öl- 
gemälde zu sehen. Beispiele seiner 
südfranzösischen Landschaften. darunter 
der .,Hafen von Marseille". sowie eine 
Ansicht von Le Havre und einige aus- 
gesuchte Werke seiner Zeichnungen. 
Zu nennen sind auch noch einige mar- 
kante Blätter aus der letzten Ausstellung 
Gerhart Frankls. zwei ausgezeichnete 
Proben von Anton Steinharts Rohr- 
federkunst. aber auch Werke von Vilma 
Eckl. Moldovan. Mahringer und 
anderen. 
RETTET VENEDIG! 
Vorn 4. bis 7. Oktober veranstaltete die 
Fondazione Cini auf der Isola di 
S.Giorgio einen internationalen Kon- 
gref}. der sich mit der Frage der städte- 
baulichen Zukunft Venedigs und dem 
Problem der Rettung der Stadt vornehm- 
lich vor der rapide fortschreitenden 
Entvölkerung befaßte. Fachgelehrte und 
Architekten aus aller Welt. darunter 
auch Richard Neutra. waren erschienen, 
um in Stellungnahmen und Diskussions- 
gespröchen ihre Anregungen bekannt- 
zugeben. Das Problem "Venedig" ist 
zunächst ein technisches: wie kann dern 
allmählichen. aber bislang unaufhalt- 
samen Absinken des Landspiegels Ein- 
halt geboten werden? Ein erster Versuch 
wurde Ende des 18. Jahrhunderts mit 
der Errichtung der "Murazzi" unter- 
nommen. jener wahrhaft zyklopischen 
Schutzmauern, die den Lido di Pelle- 
strina vor der nagenden Kraft des 
Meeres schützen sollten. Heute werden 
die Gesamtkosten für den technischen 
Aufwand zur Erneuerung Venedigs mit 
nicht weniger als 30OMilliarden Lire (l) 
veranschlagt. . . 
Ein zweites Problem ist das des Verkehrs; 
die Zukunft Venedigs liegt im Augen- 
blick auf dem Festland, denn dort, im 
Raume MestreAMarghero-Fusine er- 
hebt sich eine gigantische .,Zona 
industriale". deren weiterem Wachstum 
bis jetzt keine Grenzen gesetzt sind. 
Da ein großer Teil der Bevölkerung 
Venedigs in diesem Gebiet arbeitet und 
die Zufahrtswege aus der Stadt um- 
stündlich und zeitraubend sind, besteht 
derTrend. sich in Nlestre niederzulassen; 
tatsächlich ist dieser Festlands-Brücken- 
kopf Venedigs einem fieberhaften 
Wachstum unterworfen, das längst alle 
Fesseln abgestreift hat und die vielleicht 
scheußlichste Stadt Europas in ständiger 
Multiplikation produziert. Es wäre also 
wesentlich. der Bevölkerung Venedigs 
schnelle und sichere Verkehrsverbin- 
dungen zu ihren Arbeitsplätzen zu 
schaffen. Die einzige Straßen-Eisenbahn- 
Brücke von Mestre zum Piazzale Roma 
(respektive dem Bahnhof Santa Lucia) 
ist den Beanspruchungen rein kapazi- 
tötsmäßig nicht mehr gewachsen. Eine 
von der Gesellschaft ,.Venezio viva" 
in der .,ScuoIa Grande di S. Teadoro" 
veranstaltete Ausstellung führt den 
Nachweis, daß gerade die Stadtviertel. 
die am weitesten entfernt vom Piazzale 
Roma liegen. dem Verfall, der Massen- 
arbeitslosigkeit und dem sozialen Elend 
am meisten preisgegeben sind. Die 
Vereinigung schlägt daher die Anlage 
einer Schnellverbindungsstraße über 
die Inseln der nordöstlichen Lagune 
(etwa Torcello-Burano) vor. die auf 
der heute fast unbewohnten, der Iido- 
seitigen Spitze Venedigs zugekehrten 
Insel S. Andrea enden soll. Gegen diesen 
Plan wenden sich all jene Kreise, denen 
an der absoluten und bedingungslosen 
Erhaltung der Lagune in ihrer ganzen 
verträumten Schönheit und dem Reich- 
tum ihres Wildbestandes gelegen ist. 
Eine weitere Möglichkeit zur Wieder- 
belebung Venedigs besteht in einem 
Ausbau des Hafens, der derzeit nur für 
relativ kleinere Schiffe benützbar ist. 
Immerhin leben direkt oder indirekt 
etwa 3070 der Bevölkerung Venedigs 
vom Hafenverkehr. Zahlreiche Teil- 
nehmer des Kongresses plädieren dafür. 
Venedig zu einer Art Kulturhauptstadt 
der Welt zu machen und die Tätigkeit 
von einschlägigen Institutionen ent- 
sprechend zu intensivieren. 
Im großen und ganzen zeichnete sich 
die Bildung von zwei Parteien ab: eine 
will den musealen Charakter Venedigs 
um jeden Preis gewahrt wissen und setzt 
alles daran, Venedig aus jeglicher. das 
Stadtbild geführdender Modernisierung 
herauszuhalten; die andere Partei hat 
das Schlagwort ,.Venezia viva" auf ihr 
Banner geschrieben und geht vom 
Standpunkt aus, daß eine Stadt auf die 
Dauer nur als lebendiger. sinnvoll ins 
Gesamtleben eingeschalteter Organis- 
mus bestehen kann. Schließlich. so 
argumentiert man, ist Venedig ja nicht 
als Museum gebaut worden. .. Selbst- 
verständlich weisen auch diese ,.Radi- 
kalen" alle Pressemeldungen. die von 
der Zuschüttung des Canale Grande 
und der Umgestaltung des Markus- 
platzes zu einem Parkplatz sprechen, 
energisch zurück. 
Der pessimistischste der Tagungsteilneh- 
mer war Richard Neutra. der auf dem 
Standpunkt stand. die Amerikanisierung 
Venedigs habe bereits unaufhaltsame 
Schritte gemacht und er wisse nicht. 
was man für die Stadt noch tun könne. 
Ein sowjetrussischer Stüdtebauer regte 
so etwas wie einen ,.rnittleren Weg" an. 
der die Konservierung aller wesent- 
lichen Teile der Stadt und die Moderni- 
sierung der übrigen vorsieht. Aber was 
an Venedig wäre nicht wesentlich? 
Unserer Ansicht nach liegt die große 
Chance Venedigs in der Tatsache. daß 
gerade die moderne technische Ent- 
wicklung die Stadt überging und zu 
einer reinen Wahn-Stadt gestempelt hat 
und somit ganz automatisch einen 
Traum vieler Urbanisten vorwegnahm, 
deren Ideal ja die absolute Trennung 
von Arbeits- und Wohnsiedlung ist. Auch 
die Entvölkerung Venedigs (10000 Ab- 
wanderungen innerhalb von 10 Jahren) 
ist doch eher als Positivum zu werten, 
erleichtert sie doch die unbedingt not- 
wendigen Sanierungsmaßnahmen un- 
gemein. Und daß Venedig längst zum 
Museum wurde. ist ebenfalls eine Tat- 
sache. mit der man sich einfach abfin- 
den mullAberwersagt. dal} einMuseum 
etwas Totes zu sein hat? Köller 
Rudolf-von-Alt-Gedüchtnisausstellung im Künstlerhaus. Der 150. Geburtstag des großen österreichischen Aquarellisten 
Rudolf von Alt wird im Wiener Künstlerhaus besonders gefeiert werden. Aus diesem Anlaß veranstaltet das Künstlerhaus 
am 1Z.Mörz 1963 eine Gedüchlnisausstellung von Aquarellen und Zeichnungen des großen Malers. Diese Bilderschau 
wird sich dadurch auszeichnen. daß eine große Anzahl van Bildern aus Privatbesitz. die weniger allgemein bekannt 
sind, den vielen Freunden der Kunst des Altmeisters gezeigt werden. Um dieses Programm möglichst vollständig zu 
gestalten, werden alle Besitzer von Alt-Aquarellen und Zeichnungen eingeladen, diese Werke für die Gedächtnis- 
ausstellung als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Anmeldungen können telephonisch oder brieflich an das Sekretariat 
des Künstlerhauses. Wien, l,. Karlsplatz 5. erfolgen. Das Künstlerhaus Budapest wird eine Kollektion von Aquarellen 
für die Gedüchtnisausstellung nach Wien entsenden. 
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