DIE 1. INTERNATIONALEN MALER-
WOCHEN AUF SCHLOSS RETZHOF
BEI LEIBNITZ UND IHRE ERGEBNISSE
Die steiermärkische Landesregierung
betreibt eine äußerst intensive Kultur-
palitik, die in zwei verschiedene Rich-
tungeri weist: einmal pflegt man den
Gedanken der geschichtlichen Über-
lieferung und der Tradition. indem so
wie vor zwei Jahren Ausstellungen wie
„Graz als Residenz lnnerösterreichs"
oder heuer "Der steirische Bauer"
veranstaltet werden. zum anderen stellt
man das Modernste, Neueste, Aggres-
sivste aus dem weiten Feld der bildenden
Kunst unserer Tage in den Vorder-
grund. Das seit 1963 in zweijährigen
Intervallen veranstaltete ,.Trigon". eine
Miniaturbiennale. versucht nicht ohne
Erfolg. die allerjüngsten Strömungen
aus Malerei und Plastik, wie sie in
den drei Nachbarländern Steiermark,
Jugoslawien und Italien gepflegt wer-
den, zu manifestieren. Und nun hat
sich diesem Gedanken ein weiterer zu-
gestellt: in den „trigonfreien" Zwischen-
jahren Wlll man in Zukunft Maler-
seminare einberufen, deren Teilnehmer
sich ebenfalls aus den ,.Trigonländern"
rekrutieren sollen: heuer wurde ein
Anfang gemacht, und in Schloß Retzhof
traten insgesamt elf Maler. darunter
zwei Jugoslawen und zwei Österreicher.
auf Einladung der Landesregierung
zusammen, um sich in gemeinschaft-
licher Arbeit und Diskussion zusammen-
respektive auseinanderzusetzen.
DieArbeitsergebnissewurdenab19.Sep-
tember in der Neuen Galerie am
Landesmuseum Joanneum gezeigt; am
Eröffnungsabend fand auch die Ver-
teilung der von der Stadt Letbnitz. der
dortigen Sparkasse und dem lokalen
Fremdenverkehrsverband gestifteten
Preise statt, die eine Jury unter dem
Vorsitz des bekannten Kunstkritikers
Dr. Rubinig vergeben hatte. Preis eins
und zwei waren zusammengelegt und
ex aeauo an den Italiener Concetto
Pozzati und den Jugoslawen Bodgan
Mesko verliehen worden; Pozzati er-
strebt eine Synthese von "Pop", „Op"
und Leger, reichlich gewürzt mit einem
Schuß „Dada"; ernster als er ist Bogdan
Mesko zu nehmen, der der Form nach
ikonenhafter Strenge zustrebt und in
inhaltlicher Hinsicht Aussagen über
grundlegende menschliche Situationen
und Konstellationen erreichen will. Der
Träger des dritten Preises, der alte
Haudegen des österreichischen Art
lnformel, Hans Staudacher. kombiniert
Schriftzeichen, Kritzeleien und Remi-
nlszenzen an Figurclles mit altgewohnler
Vehemenz zu Schöpfungen, denen eine
gewisse Verve nicht abzusprechen ist.
Aber auch die anderen Teilnehmer des
Symposions sind interessant: Da ist
Luctano Lattanzi mit seinen äußerst
dekorativen und orrtamentalen ,.se-
mantischen" Kompositionen; nach ihm
muf! der Assembleur Zdravko Tisljar
erwähnt werden, dessen ,.Juvidur-
plastiken" extrem hygienisch und ab-
waschbar wirken. Jorg Hartig und der
ihm sehr wesensverwandte Luis Sommer
betreiben typisch österreichischen ..ab-
strakten Expressionismus". Uta Peyrer-
Prantl ergeht sich in malerischen
„Gebeten", die aus einem Mittelpunkt
bestehen, um den sanftgetänle Farb-
partikel kreisen, Siegfried Strasser trügt
rafünierte. technisch kaum mehr über-
bietbare Konfigurationen aus Buch-
stabengebilden zusammen und versteht
es auch, ihnen entsprechende Titel wie
etwa .,Transzemzem" zu verleihen,
während Günter Waldorf nach langer
nartügurativer Periode mit plakathaften
Köpfen und Gesichtern brilliert. in
denen Zivilisationserscheinungen der
Gegenwart ironisiert werden sollen, An
alphabetisch letzter Stelle figuriert die
blutjunge Brigitte Wasmeyer, die in
ihren kleinformatigen Kompositionen
Anregungen von Staudacher und Wal-
dorf verbinden will; ein Bildtitel, näm-
lich „Krampus semper imperator est",
mag als Devise für das dienen, was
sie in Retzhof insgesamt geschaffen hat.
Übrigens war die Präsentation von
Fräulein Wasmeyer mit Tragik ver-
knüpft, halle die junge Malerin doch
zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser
Zeilen kein Dach über dem Kopf und
auch keine Hoffnung, ein solches bald
zu erhalten, Der Hinweis einer Grazer
Zeitung lenkte die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeitaufdiese wlrklichtraurige
Tatsache.
Will man versuchen, die Gesamtkontur
des in Retzhof Geschaffenen zu um-
reißen, kommt man zu folgendem
Schluß: Österreich ist insoferne sehr
österreichisch, als der „abstrakte Ex-
pressionismus" ohne Zweifel auf sehr
weit zurückreichende regionale Tradi-
tionen zurückzuführen ist. Strasser
scheint sich auf Anregungen der Wiener
Schule zu berufen, aus der Reihe tanzt
nur Waldorf, der auf amerikanische
Vorbilder zurückgreift.
Bei den Italienern ist alles Präzision:
ihre Kunstwelt ist von blitzender Sau-
berkeit, ausgefeilt bis ins letzte. Das
Romanische überwiegt das Persönliche,
Mesko, der Jugoslawe, weist sich als
echter Mystiker und Wahrer ostkirch-
licher Traditionen aus, Tisljar ist ein
Allerweltsmonteur, der sich bei Stenvert
einiges abgeguckt haben dürfte. Allen
Teilnehmern ist ein deutlicher Hang
zum Fleiß und damit zu handwerklicher
Gewissenhaftigkeit zueigen. mit der man
manchen Mangel an Schöpferischem
überlagert (Abb. 9-11).
Ernst Köller
AKTUELLES
GRAPHISCHE SAMMLUNG ALBERTINA.
WIEN
16 Marz 16. April 1967: Wilhelm Bus
Ansrniieiisnd- oskdr KOKOSCIIRG, ZPlChfH
gen und nrurtidrdpnik; IFtGlSCIWO Minidturi
GALERIE WELZ. SALZBURG
19. Oktober Z0 November: Hermann Ob
Gemälde und Graphik.
Z3. November 31. Dezember:
schau.
WlLHELM-LEHMBRUCK-MUSEUM
DER STADT DUISBURG
19. November 194,6 1.ldnudr 1967, Pdi
cdrgdtid, Skulpturen und Zeichnungen.
VERANSTALTUNGEN DER KUNSTLER-
atme E. v., SITZ ESSLINGEN 1967
FQlSfllChl" Ubcrgübe des Jdndnn-wdni
SIOrWti7-PFWSCS1967 und Festkonzc-rt, Stutlgc
NEUES Schloli, 27. April 1967.
Elllinger isi-gddnund, JGHFGSITPHCH der KU!
Iorgllde1967, Eiiliridisn. 2a. April bis 1. A
1967. _
RClCFIlÜlP Ubergabe des Georg-Dell
Prcisos19b7, EfIltHgEfhÄllCS RGIhGuS, 2a A;
1957.
Ostdeutsche GQlQFIS, ROSCDIIClITt. Aus c
Bestanden der Ostdeutschen GDIEFIE. TElI
Gemälde und Plüillk, Slftdlläthß kiiiistsdrn
lang, s. März {W516i April 1967.
Ausstellungen Clftlüßlltll der Emlftger I
geghurtq, Elillngcn. LCtrldOIlftSllDI. 23. A;
bis 21. Mdi 1967.
WelhnaCI
HISTORISCHES MUSEUM
DER STADT FRANKFURT AM MAIN
10. Dezember 1966 30. Januar 1967. A
stetliitiq "ODllSCltES Winldrvergi-iugen dn
düzumül". Gelölgt werden Guckkasteri u
Guckkaslenbilder des18. Jahrhunderts, Sch
tenttiediei- des 19. Jdnrliuitderis. besdndi
Schottenbilder und Figuren von l-taris Than
Ferner werden die Anfange der Kincma
gruphlt durch Latcrrlcl WOqlCCl. Slrüboäk
und LCbCFtSVCld vor Augen geführt. PLJppE
iiiedtcr, insbesondere das Gontdrdsrnd Pi
peniidus. werden dlE Ausstellung CFQQHZI
GERMANISCHES NATIONALMUSEUM
Z6. Novernbcr1966e7 Januar 1967: .,Wc
nclchtlichvs irn alten Kreuzgclrlg".
BILDTEXTE B 16
8 Mdnnlichc-r Kopf, Tdrdiiinid, En
lnlcihrhundert. l-tellcr Ton, ursorur
lich bemalt, l-l. 30 cm (aus der At
Stellung ..Kunsl und Kultur der Etruske
im Museum lur VOIKEFIHJFICIO. Wien)
9 Conzelto Pazzati, Heute produziert u
rdi nidn
10 Boodan Mcsko, Dic
Koln-Ehrerifeld, 1941i
11 Hans Staudacher, Kruzifikatiari (Abb.
bis 11 lriterndtidndle Mdlerwdcneri c
Schlaf? Retzhof bei Leibnitz)
iz Frlll llllngcr. Aus der Äpoälßlqöäthltb
1965 Misclttectinik
13 Ernst Fuchs, Der Erentil, 1957. Ol c
Holz
1-: Paul Meissnei"
..Golaotlia '
15 Maximilian Florian, Abendmahl, 196015
latzta Mahlze
iidr SCIFVCM rriptyeiii
OllLvvd (Abt: 12 15 diis der lnls
nclllurlülen SCllCIiJ sakraler Kunst
Triest)
16 Hermann Serlent. DOS DGQDSIDOYIH
was. ot (Gus der Ausstellung des Kun
lers in der Galerie Peithncr-Lichtcnfe
Wien)
ZUR AUSSTELLUNG "KUNST UND
KULTUR DER ETRUSKER" IN WIEN
Als 1955156 die große Schau „Kunst und
Leben der Etrusker" auf einer zwei-
jährigen Tournee in mehreren Groß-
städten Europas gezeigt wurde, ist Wien
leer ausgegangen. Was aber damals
erreicht werden konnte, war die Zusage
der Organisatoren in Italien. daß Wien
bei der nächsten sich bietenden Ge-
legenheit eine eigene etruskische Aus-
stellung erhalten werde.
Es ist vor allem den unermüdlichen
Bemühungen des Generalsekretörs der
„Österreichischen Kulturvereinigung",
Profäsor Herbert Gaisbauer. und dem
52
Ordinarius für Etruskologie an der
Universität Rom. Professor Massimo
Pallottino, der treu zu seinem Wort
gestanden ist, zu danken, daß nunmehr
dieses Versprechen eingelöst und das
alte Projekt mit neuen Ideen und neuem
Material realisiert werden konnte.
Der Architekt Walter Prankl hat es
verstanden, in den Ausstellungsräumen
des Museums für Völkerkunde in der
Neuen Burg dieser Schau "Kunst und
Kultur der Etrusker" einen klaren.
übersichtlichen und einfachen Rahmen
zu geben. bei dem es ihm darautankam.
die einzelnen Exponate und nicht etwa
seine eigene Bravour zur Geltung zu
bringen.
Die Kunst der Etrusker als historische
Realität entdeckt zu haben, ist unserem
Jahrhundert vorbehalten geblieben, das
durch die Entwicklung seiner eigenen
ästhetischen Einstellung auch die Vor-
aussetzung für ein tieferes Verständnis
dieser eigenständigen Kultur in sich
birgt. In den letzten zehn Jahren hat
sich auch das Bild über den Geschmack
und die Formensprache der Etrusker
deutlich geändert, so daß mit der
erstmaligen Präsentierung neuer Funde
auch die Charakteristik einer neuen
Interpretation die Bedeutung dieser
Ausstellung wesentlich steigert, Das gilt
vor allem für die archaisch-ursprüng-
liche "Volkskunst", die gegenüber der
provinziellen Nachahmung der h:
lenistischen und klassischen Kunst
der Zeit des Verfalls, der sogenannte
„Hochkunst", eine neue Bewerlur
erfahren hat. Überhaupt liegt di
Schwergewicht dieser Ausstellung a
dem Thema der Kunst. das durch seit
Einordnung in die geschichtlichen ur
religiösen Voraussetzungen mit Hil
eines erklärenden Apparats verständlir
gemacht wird. Hieiür hat rnan v:
allem Grabungen neueren Datun
(Rosette, Pyrgi, Quinto Fiorentino ur
Marzabotto) herangezogen. In ein:
kritischen Dokumentation der große
Epochen und Entwicklungslinien de
etruskischen Kunst hat man es vei