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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 89)

DIE 1. INTERNATIONALEN MALER- 
WOCHEN AUF SCHLOSS RETZHOF 
BEI LEIBNITZ UND IHRE ERGEBNISSE 
Die steiermärkische Landesregierung 
betreibt eine äußerst intensive Kultur- 
palitik, die in zwei verschiedene Rich- 
tungeri weist: einmal pflegt man den 
Gedanken der geschichtlichen Über- 
lieferung und der Tradition. indem so 
wie vor zwei Jahren Ausstellungen wie 
„Graz als Residenz lnnerösterreichs" 
oder heuer "Der steirische Bauer" 
veranstaltet werden. zum anderen stellt 
man das Modernste, Neueste, Aggres- 
sivste aus dem weiten Feld der bildenden 
Kunst unserer Tage in den Vorder- 
grund. Das seit 1963 in zweijährigen 
Intervallen veranstaltete ,.Trigon". eine 
Miniaturbiennale. versucht nicht ohne 
Erfolg. die allerjüngsten Strömungen 
aus Malerei und Plastik, wie sie in 
den drei Nachbarländern Steiermark, 
Jugoslawien und Italien gepflegt wer- 
den, zu manifestieren. Und nun hat 
sich diesem Gedanken ein weiterer zu- 
gestellt: in den „trigonfreien" Zwischen- 
jahren Wlll man in Zukunft Maler- 
seminare einberufen, deren Teilnehmer 
sich ebenfalls aus den ,.Trigonländern" 
rekrutieren sollen: heuer wurde ein 
Anfang gemacht, und in Schloß Retzhof 
traten insgesamt elf Maler. darunter 
zwei Jugoslawen und zwei Österreicher. 
auf Einladung der Landesregierung 
zusammen, um sich in gemeinschaft- 
licher Arbeit und Diskussion zusammen- 
respektive auseinanderzusetzen. 
DieArbeitsergebnissewurdenab19.Sep- 
tember in der Neuen Galerie am 
Landesmuseum Joanneum gezeigt; am 
Eröffnungsabend fand auch die Ver- 
teilung der von der Stadt Letbnitz. der 
dortigen Sparkasse und dem lokalen 
Fremdenverkehrsverband gestifteten 
Preise statt, die eine Jury unter dem 
Vorsitz des bekannten Kunstkritikers 
Dr. Rubinig vergeben hatte. Preis eins 
und zwei waren zusammengelegt und 
ex aeauo an den Italiener Concetto 
Pozzati und den Jugoslawen Bodgan 
Mesko verliehen worden; Pozzati er- 
strebt eine Synthese von "Pop", „Op" 
und Leger, reichlich gewürzt mit einem 
Schuß „Dada"; ernster als er ist Bogdan 
Mesko zu nehmen, der der Form nach 
ikonenhafter Strenge zustrebt und in 
inhaltlicher Hinsicht Aussagen über 
grundlegende menschliche Situationen 
und Konstellationen erreichen will. Der 
Träger des dritten Preises, der alte 
Haudegen des österreichischen Art 
lnformel, Hans Staudacher. kombiniert 
Schriftzeichen, Kritzeleien und Remi- 
nlszenzen an Figurclles mit altgewohnler 
Vehemenz zu Schöpfungen, denen eine 
gewisse Verve nicht abzusprechen ist. 
Aber auch die anderen Teilnehmer des 
Symposions sind interessant: Da ist 
Luctano Lattanzi mit seinen äußerst 
dekorativen und orrtamentalen ,.se- 
mantischen" Kompositionen; nach ihm 
muf! der Assembleur Zdravko Tisljar 
erwähnt werden, dessen ,.Juvidur- 
plastiken" extrem hygienisch und ab- 
waschbar wirken. Jorg Hartig und der 
ihm sehr wesensverwandte Luis Sommer 
betreiben typisch österreichischen ..ab- 
strakten Expressionismus". Uta Peyrer- 
Prantl ergeht sich in malerischen 
„Gebeten", die aus einem Mittelpunkt 
bestehen, um den sanftgetänle Farb- 
partikel kreisen, Siegfried Strasser trügt 
rafünierte. technisch kaum mehr über- 
bietbare Konfigurationen aus Buch- 
stabengebilden zusammen und versteht 
es auch, ihnen entsprechende Titel wie 
etwa .,Transzemzem" zu verleihen, 
während Günter Waldorf nach langer 
nartügurativer Periode mit plakathaften 
Köpfen und Gesichtern brilliert. in 
denen Zivilisationserscheinungen der 
Gegenwart ironisiert werden sollen, An 
alphabetisch letzter Stelle figuriert die 
blutjunge Brigitte Wasmeyer, die in 
ihren kleinformatigen Kompositionen 
Anregungen von Staudacher und Wal- 
dorf verbinden will; ein Bildtitel, näm- 
lich „Krampus semper imperator est", 
mag als Devise für das dienen, was 
sie in Retzhof insgesamt geschaffen hat. 
Übrigens war die Präsentation von 
Fräulein Wasmeyer mit Tragik ver- 
knüpft, halle die junge Malerin doch 
zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser 
Zeilen kein Dach über dem Kopf und 
auch keine Hoffnung, ein solches bald 
zu erhalten, Der Hinweis einer Grazer 
Zeitung lenkte die Aufmerksamkeit der 
Öffentlichkeitaufdiese wlrklichtraurige 
Tatsache. 
Will man versuchen, die Gesamtkontur 
des in Retzhof Geschaffenen zu um- 
reißen, kommt man zu folgendem 
Schluß: Österreich ist insoferne sehr 
österreichisch, als der „abstrakte Ex- 
pressionismus" ohne Zweifel auf sehr 
weit zurückreichende regionale Tradi- 
tionen zurückzuführen ist. Strasser 
scheint sich auf Anregungen der Wiener 
Schule zu berufen, aus der Reihe tanzt 
nur Waldorf, der auf amerikanische 
Vorbilder zurückgreift. 
Bei den Italienern ist alles Präzision: 
ihre Kunstwelt ist von blitzender Sau- 
berkeit, ausgefeilt bis ins letzte. Das 
Romanische überwiegt das Persönliche, 
Mesko, der Jugoslawe, weist sich als 
echter Mystiker und Wahrer ostkirch- 
licher Traditionen aus, Tisljar ist ein 
Allerweltsmonteur, der sich bei Stenvert 
einiges abgeguckt haben dürfte. Allen 
Teilnehmern ist ein deutlicher Hang 
zum Fleiß und damit zu handwerklicher 
Gewissenhaftigkeit zueigen. mit der man 
manchen Mangel an Schöpferischem 
überlagert (Abb. 9-11). 
Ernst Köller 
AKTUELLES 
GRAPHISCHE SAMMLUNG ALBERTINA. 
WIEN 
16 Marz 16. April 1967: Wilhelm Bus 
Ansrniieiisnd- oskdr KOKOSCIIRG, ZPlChfH 
gen und nrurtidrdpnik; IFtGlSCIWO Minidturi 
GALERIE WELZ. SALZBURG 
19. Oktober Z0 November: Hermann Ob 
Gemälde und Graphik. 
Z3. November 31. Dezember: 
schau. 
WlLHELM-LEHMBRUCK-MUSEUM 
DER STADT DUISBURG 
19. November 194,6 1.ldnudr 1967, Pdi 
cdrgdtid, Skulpturen und Zeichnungen. 
VERANSTALTUNGEN DER KUNSTLER- 
atme E. v., SITZ ESSLINGEN 1967 
FQlSfllChl" Ubcrgübe des Jdndnn-wdni 
SIOrWti7-PFWSCS1967 und Festkonzc-rt, Stutlgc 
NEUES Schloli, 27. April 1967. 
Elllinger isi-gddnund, JGHFGSITPHCH der KU! 
Iorgllde1967, Eiiliridisn. 2a. April bis 1. A 
1967. _ 
RClCFIlÜlP Ubergabe des Georg-Dell 
Prcisos19b7, EfIltHgEfhÄllCS RGIhGuS, 2a A; 
1957. 
Ostdeutsche GQlQFIS, ROSCDIIClITt. Aus c 
Bestanden der Ostdeutschen GDIEFIE. TElI 
Gemälde und Plüillk, Slftdlläthß kiiiistsdrn 
lang, s. März {W516i April 1967. 
Ausstellungen Clftlüßlltll der Emlftger I 
geghurtq, Elillngcn. LCtrldOIlftSllDI. 23. A; 
bis 21. Mdi 1967. 
WelhnaCI 
HISTORISCHES MUSEUM 
DER STADT FRANKFURT AM MAIN 
10. Dezember 1966 30. Januar 1967. A 
stetliitiq "ODllSCltES Winldrvergi-iugen dn 
düzumül". Gelölgt werden Guckkasteri u 
Guckkaslenbilder des18. Jahrhunderts, Sch 
tenttiediei- des 19. Jdnrliuitderis. besdndi 
Schottenbilder und Figuren von l-taris Than 
Ferner werden die Anfange der Kincma 
gruphlt durch Latcrrlcl WOqlCCl. Slrüboäk 
und LCbCFtSVCld vor Augen geführt. PLJppE 
iiiedtcr, insbesondere das Gontdrdsrnd Pi 
peniidus. werden dlE Ausstellung CFQQHZI 
GERMANISCHES NATIONALMUSEUM 
Z6. Novernbcr1966e7 Januar 1967: .,Wc 
nclchtlichvs irn alten Kreuzgclrlg". 
BILDTEXTE B 16 
8 Mdnnlichc-r Kopf, Tdrdiiinid, En 
lnlcihrhundert. l-tellcr Ton, ursorur 
lich bemalt, l-l. 30 cm (aus der At 
Stellung ..Kunsl und Kultur der Etruske 
im Museum lur VOIKEFIHJFICIO. Wien) 
9 Conzelto Pazzati, Heute produziert u 
rdi nidn 
10 Boodan Mcsko, Dic 
Koln-Ehrerifeld, 1941i 
11 Hans Staudacher, Kruzifikatiari (Abb. 
bis 11 lriterndtidndle Mdlerwdcneri c 
Schlaf? Retzhof bei Leibnitz) 
iz Frlll llllngcr. Aus der Äpoälßlqöäthltb 
1965 Misclttectinik 
13 Ernst Fuchs, Der Erentil, 1957. Ol c 
Holz 
1-: Paul Meissnei" 
..Golaotlia ' 
15 Maximilian Florian, Abendmahl, 196015 
latzta Mahlze 
iidr SCIFVCM rriptyeiii 
OllLvvd (Abt: 12 15 diis der lnls 
nclllurlülen SCllCIiJ sakraler Kunst 
Triest) 
16 Hermann Serlent. DOS DGQDSIDOYIH 
was. ot (Gus der Ausstellung des Kun 
lers in der Galerie Peithncr-Lichtcnfe 
Wien) 
ZUR AUSSTELLUNG "KUNST UND 
KULTUR DER ETRUSKER" IN WIEN 
Als 1955156 die große Schau „Kunst und 
Leben der Etrusker" auf einer zwei- 
jährigen Tournee in mehreren Groß- 
städten Europas gezeigt wurde, ist Wien 
leer ausgegangen. Was aber damals 
erreicht werden konnte, war die Zusage 
der Organisatoren in Italien. daß Wien 
bei der nächsten sich bietenden Ge- 
legenheit eine eigene etruskische Aus- 
stellung erhalten werde. 
Es ist vor allem den unermüdlichen 
Bemühungen des Generalsekretörs der 
„Österreichischen Kulturvereinigung", 
Profäsor Herbert Gaisbauer. und dem 
52 
Ordinarius für Etruskologie an der 
Universität Rom. Professor Massimo 
Pallottino, der treu zu seinem Wort 
gestanden ist, zu danken, daß nunmehr 
dieses Versprechen eingelöst und das 
alte Projekt mit neuen Ideen und neuem 
Material realisiert werden konnte. 
Der Architekt Walter Prankl hat es 
verstanden, in den Ausstellungsräumen 
des Museums für Völkerkunde in der 
Neuen Burg dieser Schau "Kunst und 
Kultur der Etrusker" einen klaren. 
übersichtlichen und einfachen Rahmen 
zu geben. bei dem es ihm darautankam. 
die einzelnen Exponate und nicht etwa 
seine eigene Bravour zur Geltung zu 
bringen. 
Die Kunst der Etrusker als historische 
Realität entdeckt zu haben, ist unserem 
Jahrhundert vorbehalten geblieben, das 
durch die Entwicklung seiner eigenen 
ästhetischen Einstellung auch die Vor- 
aussetzung für ein tieferes Verständnis 
dieser eigenständigen Kultur in sich 
birgt. In den letzten zehn Jahren hat 
sich auch das Bild über den Geschmack 
und die Formensprache der Etrusker 
deutlich geändert, so daß mit der 
erstmaligen Präsentierung neuer Funde 
auch die Charakteristik einer neuen 
Interpretation die Bedeutung dieser 
Ausstellung wesentlich steigert, Das gilt 
vor allem für die archaisch-ursprüng- 
liche "Volkskunst", die gegenüber der 
provinziellen Nachahmung der h: 
lenistischen und klassischen Kunst 
der Zeit des Verfalls, der sogenannte 
„Hochkunst", eine neue Bewerlur 
erfahren hat. Überhaupt liegt di 
Schwergewicht dieser Ausstellung a 
dem Thema der Kunst. das durch seit 
Einordnung in die geschichtlichen ur 
religiösen Voraussetzungen mit Hil 
eines erklärenden Apparats verständlir 
gemacht wird. Hieiür hat rnan v: 
allem Grabungen neueren Datun 
(Rosette, Pyrgi, Quinto Fiorentino ur 
Marzabotto) herangezogen. In ein: 
kritischen Dokumentation der große 
Epochen und Entwicklungslinien de 
etruskischen Kunst hat man es vei
	        
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