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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 89)

 
können Hinweise auf diese offenkundigen 
Beziehungen, so richtig und notwendig sie 
sind, allein nicht genügen. Zumal gegen- 
über dem Werk von Robert Campin ver- 
rnögen sie nicht zu befriedigen, denn un- 
umgänglich drängt sich zugleich die Frage 
auf, warum seine Form dennoch anders 
als die von Jan van Eyck ist. Man kann 
meinen und sagen, seine persönlichen An- 
lagen und Gaben seien andere gewesen; 
m ihnen kann es nicht allein gelegen haben, 
da auch Roger sich trotz der mannigfachen, 
von Jan van Eyck empfangenen Anre- 
gungen von diesem unterscheidet, und 
zwar in einer Weise unterscheidet, die auf 
Robert Carnpin zurückverweist. Und da 
beide aus Tournai gebürtig waren, muß es 
wohl an Traditionen gelegen haben, die in 
dieser Stadt oder doch in den sie um- 
schließenden Landschaften, in Flandern, im 
Hennegau, im Artois, erwachsen waren 
und die nichts mit dem Feinstil der höfl- 
schen Buchmaler gemein gehabt haben 
können. 
Um die Kunst der Brüder van Eyck zu 
verstehen, mögen Hinweise auf diese kost- 
baren Klein- und Feinmalereien der höf-i- 
sehen Werkstätten genügen. Die Eycks 
waren zeitlebens vorzugsweise für fürst- 
liche Auftraggeber tätig, also ungefähr für 
dieselben Kreise wie jene Miniaturmaler, 
und sie sind bis zu ihrem Tode diesem zum 
internationalen Stil gewordenen Feinstil 
verbunden geblieben. So scheint es plau- 
sibel, ihre Kunst mit der der Brüder von 
Limburg, wie sie in den Tres riches Heures 
des Herzogs von Berry (Chantilly, {Vlusee 
4 
Conde) begegnet, in eine Verbindung zu 
bringen. Sie vergleichend, spürt man die 
gleiche Herkunft, dasselbe Milieu, den- 
selben Formwillen. Natursinn, Raumgefühl 
und Wertung des Menschen sind durchaus 
verwandt, und wenn sich Unterschiede zu 
erkennen geben, sind sie wohl mehr in 
einer geringen, aber nicht zu übersehenden 
Generationsdilferenz als in anderen Mo- 
menten bedingt gewesen. Recht verschieden 
ist die Farbgebung. In den Miniaturen der 
Brüder von Limburg ist die farbige Kom- 
position noch vorwiegend dekorativ, die 
Brüder van Eyck aber erstrebten eine licht- 
erfüllte, räumliche Ganzheit, die, lokal- 
koloristisch angelegt, in der Tiefe in ein 
zartes Sfumato getaucht ist. So schon 
durchaus neuzeitlich vom Raum ausgehend 
und Licht und Farbe zu dessen Hilfsmitteln 
machend, faßten sie Figuren und Dinge 
zusammen zur Einheit. Diese Unterschiede 
sind nicht zu übersehen, allein auch zuvor 
hatte die Tafelmalerei schon unter einem 
eigenen koloristischen Aspekt gestanden 
und war w im Laufe des italienischen 
Trecento die Wandmalerei ablösend - nun 
berufen, den Raum zu ihrem Thema der 
Bildgestaltung zu machen. Die Flächen der 
Altarretabel boten zu solchem Ziele die 
dimensional geeignete Gelegenheit. Die 
Miniaturhandschriften der Limburg und 
der anderen frankovlämischen Maler waren 
geliebte Samrnelohjekte der französischen 
Fürsten und sollten clic Ritterromantik 
dieser hörischen Gesellschaft spiegeln. Re- 
volutionäre Folgerungen zu ziehen, war 
da gewiß nur bedingt möglich; allein eine 
 
  
 
Astrologische Handschrm, datiert 1403. Saturn. 
York, Morgan Library, Ms. 785, fol. 34 
Sammelhandschrifr theologischer Traklalc, dntierl 
Wicxhaden, Hessisches Hauplsraarsarchiv. MLB. 
L2: Pölelinnges des Guillcaume de Dcgllilevmc. B! 
Bibliothöquc Royale. Ms. 10.176178. C0]. 68V
	        
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