können Hinweise auf diese offenkundigen
Beziehungen, so richtig und notwendig sie
sind, allein nicht genügen. Zumal gegen-
über dem Werk von Robert Campin ver-
rnögen sie nicht zu befriedigen, denn un-
umgänglich drängt sich zugleich die Frage
auf, warum seine Form dennoch anders
als die von Jan van Eyck ist. Man kann
meinen und sagen, seine persönlichen An-
lagen und Gaben seien andere gewesen;
m ihnen kann es nicht allein gelegen haben,
da auch Roger sich trotz der mannigfachen,
von Jan van Eyck empfangenen Anre-
gungen von diesem unterscheidet, und
zwar in einer Weise unterscheidet, die auf
Robert Carnpin zurückverweist. Und da
beide aus Tournai gebürtig waren, muß es
wohl an Traditionen gelegen haben, die in
dieser Stadt oder doch in den sie um-
schließenden Landschaften, in Flandern, im
Hennegau, im Artois, erwachsen waren
und die nichts mit dem Feinstil der höfl-
schen Buchmaler gemein gehabt haben
können.
Um die Kunst der Brüder van Eyck zu
verstehen, mögen Hinweise auf diese kost-
baren Klein- und Feinmalereien der höf-i-
sehen Werkstätten genügen. Die Eycks
waren zeitlebens vorzugsweise für fürst-
liche Auftraggeber tätig, also ungefähr für
dieselben Kreise wie jene Miniaturmaler,
und sie sind bis zu ihrem Tode diesem zum
internationalen Stil gewordenen Feinstil
verbunden geblieben. So scheint es plau-
sibel, ihre Kunst mit der der Brüder von
Limburg, wie sie in den Tres riches Heures
des Herzogs von Berry (Chantilly, {Vlusee
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Conde) begegnet, in eine Verbindung zu
bringen. Sie vergleichend, spürt man die
gleiche Herkunft, dasselbe Milieu, den-
selben Formwillen. Natursinn, Raumgefühl
und Wertung des Menschen sind durchaus
verwandt, und wenn sich Unterschiede zu
erkennen geben, sind sie wohl mehr in
einer geringen, aber nicht zu übersehenden
Generationsdilferenz als in anderen Mo-
menten bedingt gewesen. Recht verschieden
ist die Farbgebung. In den Miniaturen der
Brüder von Limburg ist die farbige Kom-
position noch vorwiegend dekorativ, die
Brüder van Eyck aber erstrebten eine licht-
erfüllte, räumliche Ganzheit, die, lokal-
koloristisch angelegt, in der Tiefe in ein
zartes Sfumato getaucht ist. So schon
durchaus neuzeitlich vom Raum ausgehend
und Licht und Farbe zu dessen Hilfsmitteln
machend, faßten sie Figuren und Dinge
zusammen zur Einheit. Diese Unterschiede
sind nicht zu übersehen, allein auch zuvor
hatte die Tafelmalerei schon unter einem
eigenen koloristischen Aspekt gestanden
und war w im Laufe des italienischen
Trecento die Wandmalerei ablösend - nun
berufen, den Raum zu ihrem Thema der
Bildgestaltung zu machen. Die Flächen der
Altarretabel boten zu solchem Ziele die
dimensional geeignete Gelegenheit. Die
Miniaturhandschriften der Limburg und
der anderen frankovlämischen Maler waren
geliebte Samrnelohjekte der französischen
Fürsten und sollten clic Ritterromantik
dieser hörischen Gesellschaft spiegeln. Re-
volutionäre Folgerungen zu ziehen, war
da gewiß nur bedingt möglich; allein eine
Astrologische Handschrm, datiert 1403. Saturn.
York, Morgan Library, Ms. 785, fol. 34
Sammelhandschrifr theologischer Traklalc, dntierl
Wicxhaden, Hessisches Hauplsraarsarchiv. MLB.
L2: Pölelinnges des Guillcaume de Dcgllilevmc. B!
Bibliothöquc Royale. Ms. 10.176178. C0]. 68V